Scholz in Wiesbaden: Klare Kante gegen rechts, klare Werbung für die SPD
Der Kanzler kommt und der Andrang ist groß. Eine halbe Stunde später als geplant beginnt daher die SPD-Wahlkampfveranstaltung mit Olaf Scholz in Wiesbaden. Dieser wirbt für seinen Weg in Deutschlands Zukunft.
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Gut 2.000 Menschen wollten Olaf Scholz am Samstag bei seinem Wahlkampfauftritt in Wiesbaden sehen.
Die Band, die drinnen nur bis 16 Uhr einheizen soll, überzieht gnadenlos. Sie spielen Hits wie „Das Beste“ und „Simply the best“, während draußen schon eineinhalb Stunden vor dem eigentlichen Beginn die Menschen vor dem Rhein-Main-Congress-Center in Wiesbaden eine mehrere hundert Meter lange Schlange bilden. Die SPD hatte die Kapazität für die Wahlkampfveranstaltung im Vorfeld extra noch einmal erhöht. Am Ende, als es mit einer halben Stunde Verspätung losgeht, werden gut 2.000 Menschen in der restlos gefüllten Halle sein.
SPD-Landeschef Bartol spürt Rückenwind
Der SPD-Landesvorsitzende Sören Bartol konstatiert daher auch: „Unsere Aufholjagd hat begonnen. Wir haben Rückenwind.“ Den erhofft sich auch Wiesbadens SPD-Oberbürgermeister Gert-Uwe Mende, für seine Wiederwahl zwei Wochen nach der Bundestagswahl. „Wir stehen hier wie dort für den gesellschaftlichen Zusammenhalt“, macht er klar. Worte, die wenige Tage nach dem Attentat von Aschaffenburg wichtiger denn je erscheinen. Die SPD-Vorsitzende Saskia Esken mahnt deshalb: „Wir stehen voller Entsetzen vor dieser Gewalttat, aber wir müssen dringend davor warnen, eine solche Tat politisch zu missbrauchen.“
Es ist völlig klar, auf wen diese Äußerung abzielt, den Oppositionsführer und Kanzlerkandidaten der Union, Friedrich Merz. Dieser sei in seinem Furor kaum zu bremsen, meint Esken. „Die Brandmauer von Friedrich Merz ist aus Papier und sie brennt lichterloh“, sagt sie und wendet sich direkt an den Christdemokraten: „Lieber Friedrich Merz, kehren Sie zurück auf den Pfad der Verantwortung, der Kompromisse zum Wohle dieses Landes und seiner Menschen.“ Denn es gehe ums Handeln, nicht ums Zündeln, auch in Wahlkampfzeiten.
Scholz zu Aschaffenburg: „Das ist nicht hinzunehmen“
Auch Olaf Scholz, dessen Wahlkampftournee für diesen Tag die logistisch nicht ganz passende Abfolge Saarbrücken, Wiesbaden und Kaiserslautern vorsieht, beginnt seine Rede mit einem Verweis auf den Vorfall in Aschaffenburg, bei dem zwei Menschen von einem offenbar psychisch kranken Mann aus Afghanistan ermordet wurden. „Es ist nicht mehr zu ertragen wie jemand, dem wir mal Schutz gewährt haben, so einen Anschlag verübt. Das ist nicht hinzunehmen“, wird der Bundeskanzler deutlich. „Wir müssen handeln und nicht Sprüche klopfen“, fordert er.
Eine Aussage, mit der auch er Friedrich Merz in den Fokus nimmt und sich klar gegen Pläne stellt, das Grundrecht auf Asyl abzuschaffen. „Ich will nicht verhehlen, dass ich sehr empört bin, wenn der Oppositionsführer jetzt sagt, er könne sich auch vorstellen, Gesetze mit Zustimmung der AfD einzubringen“, sagt Scholz weiter und warnt die Konservativen vor einer Zusammenarbeit mit den extremen Rechten. Was daraus folgen könne, sehe man in Österreich, wo demnächst der erste FPÖ-Kanzler ins Amt kommen könnte. „Wir waren in Deutschland einig und wir müssen einig bleiben: Es darf keine Zusammenarbeit mit extrem rechten Parteien geben“, sagt der Bundeskanzler.
Für eine sichere Rente
Dafür erntet er großen Beifall. Ebenso ergeht es ihm nach der Aussage, er habe die FDP aus der Regierung entfernt. Ansonsten fällt bei Scholz‘ gut 45-minütiger Rede auf, dass er häufiger Pausen macht, um die Bedeutung eines Themas zu unterstreichen. Dann ist es mucksmäuschenstill im Saal, bevor der Kanzler ansetzt, um möglichst simpel zu erklären, warum er diese oder jene Maßnahme für richtig und wichtig hält. Zum Beispiel als er darüber spricht, dass die Menschen in Deutschland nicht fauler seien als diejenigen in den Nachbarländern, wie Friedrich Merz suggeriere, sondern schlicht häufiger in Teilzeit arbeiteten, weil es an Betreuungsmöglichkeiten in Kitas und Schulen fehle. Zustimmendes Nicken bei vielen Frauen im Publikum.
„Oh Mann! Über die Rente wird so viel geredet“, sagt Scholz irgendwann. Dabei sei doch klar: Ein stabiles Rentenniveau sei wichtig, für junge Leute, für Menschen mittleren Alters, die gerade einzahlen, und auch für Rentnerinnen und Rentner. Der Kanzler betont: „Wir haben wegen der vielen fleißigen Deutschen ein stabiles Rentenniveau. Das muss auch der Weg für die Zukunft sein.“
Wie Scholz die Wirtschaft ankurbeln will
In den Mittelpunkt der Rede rückt Scholz seine Ideen, um die lahmende Wirtschaft in Deutschland zu stärken, beispielsweise mit dem „Made-in-Germany-Bonus“. Dass solche Maßnahmen wichtig seien, bestätigen ihm zuvor im Gespräch mit dem SPD-Vorsitzenden Lars Klingbeil drei Regierungsmitglieder aus dem Südwesten. Für den hessischen Wirtschaftsminister Kaweh Mansoori ist der Auftritt in Wiesbaden ein Heimspiel. „Wir brauchen den Deutschland-Fonds“, fordert er. Auch die saarländische Ministerpräsidentin Anke Rehlinger betont: „Olaf Scholz ist der richtige Mann, wenn es um Arbeitsplätze und Wirtschaft geht.“
Süffisant fügt sie mit Blick auf die Bundestagswahl an: „Es sind wirre Zeiten, aber lassen Sie uns dafür sorgen, dass die Zeiten nicht so wirr werden, dass der Merz schon Mitte Februar kommt. Wir brauchen einen Profi im Kanzleramt. Das ist Olaf Scholz.“ Eine Einschätzung, der sich ihr rheinland-pfälzischer Amtskollege Alexander Schweitzer anschließen kann. „Wir brauchen auch in Zukunft einen Kanzler, der Ahnung hat. Für Ahnung braucht es Erfahrung“, sagt er mit Blick auf Merz und dessen fehlende Regierungserfahrung. Lars Klingbeil bringen die Äußerungen der drei zu dem Schluss: „Es kommt auch auf das Team an. Hinter Olaf Scholz stehen Kaweh Mansoori, Anke Rehlinger und Alexander Schweitzer, hinter Friedrich Merz Markus Söder, Jens Spahn und Julia Klöckner.“
SPD soll stärkste Kraft bleiben
Olaf Scholz zählt zum Schluss noch einmal all die Gründe auf, die bei der anstehenden Bundestagswahl für die SPD sprechen, und wirbt für ein „Kreuz bei der sozialdemokratischen Partei, damit sie wieder stärkste Kraft wird im Bundestag“.
ist Redakteur des „vorwärts“. Er hat Politikwissenschaft studiert und twittert gelegentlich unter @JonasJjo