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Sarah Ryglewski: „Abgeordnete war für mich immer ein Amt auf Zeit“

Mit 32 Jahren zog Sarah Rygleski erstmals in den Bundestag ein. Seit 2021 koordiniert sie im Kanzleramt die Zusammenarbeit von Bund und Ländern. Bei der Bundestagswahl im kommenden Jahr tritt die 41-Jährige nicht wieder an – hat aber bis dahin noch einiges vor.

von Vera Rosigkeit · 24. September 2024
SPD-Abgeordnete Sarah Ryglewski: „Die Dinge möglich machen, die notwendig sind“

SPD-Abgeordnete Sarah Ryglewski: „Die Dinge möglich machen, die notwendig sind“

Politik mache sie mit dem Anspruch, das Leben für die Menschen leichter zu machen, erklärt Sarah Ryglewski. Die Erfahrung, dass vieles mühselig und anstrengend sei, sei ein Grundgefühl vieler Menschen im Wahlkreis und ihrem persönlichen Umfeld. 

Zu Beginn ihrer Amtszeit als Bundestagsabgeordnete sei sie deshalb auch stolz gewesen, „dass wir das Recht auf ein Girokonto für alle eingeführt haben“. Mehr als zehn Jahre habe es gedauert, „bis wir als SPD das endlich durchsetzen konnten“, erinnert sie. Ein Standardformular, das in jeder Bank verfügbar sein muss, hilft nun, dieses Recht in Anspruch zu nehmen. Dafür gekämpft hat die SPD-Politikerin bereits als Mitglied der Bremischen Bürgerschaft. 

Mit Olaf Scholz ins Kanzleramt

Vier Jahre lang ist Ryglewski Bürgerschaftsabgeordnete in Bremen, bevor sie 2015 in den Bundestag einzieht. Ihre Karriere nimmt Fahrt auf, als Christine Lambrecht 2019 Justizministerin wird. Sie wechselt ins Finanzministerium, damals unter Leitung von Olaf Scholz, wird Parlamentarische Staatssekretärin. 

Als Scholz Bundeskanzler wird, zieht auch Ryglewski ins Kanzleramt. Dort ist die gebürtige Kölnerin, die zum Studium nach Bremen zog, als Staatsministerien unter anderem verantwortlich für die Zusammenarbeit von Bund und Ländern. 

Auch für die heute 41-Jährige sei dieser politische Aufstieg „relativ fix“ gegangen, „da hat man kein Abo drauf und kann es auch nicht planen“, sagt die Politikwissenschaftlerin rückblickend. Es komme auf „gute Gelegenheiten“ an, aber das, was man mache, müsse man natürlich auch immer gut machen und mit konsequentem Engagement verfolgen. 

Investitionen statt „schwarze Null“

Finanzpolitik ist ihr immer ein besonderes Anliegen gewesen, betont sie. Es gehe darum, „die Dinge möglich zu machen, die notwendig sind“. Deshalb fordert Ryglewski bereits 2019 gemeinsam mit einigen Haushalts- und Finanzpolitiker*innen der SPD-Bundestagsfraktion ein milliardenschweres Investitionsprogramm und stellt damit die Politik der „schwarzen Null“ infrage. 

Denn Generationengerechtigkeit besteht für die ehemalige Juso-Vorsitzende Bremens, die mit 19 Jahren in die SPD eintrat, nicht allein darin, den kommenden Generationen keine Schulden zu hinterlassen. Weil gute Investitionen auch von kommenden Generationen genutzt würden, sei es „nur gerecht, wenn sich alle an der Finanzierung beteiligen“. 

Als Politikerin in Verantwortung habe sie aktuell sowohl mit der Schuldenbremse zu tun als auch mit Schulden und einer Infrastruktur, die einen enorm großen Investitionsbedarf habe.

Im Zweifel greift sie zum Telefonhörer

Das Bund-Länder-Geschäft sei an vielen Stellen herausfordernd, „auch weil wir große gesamtstaatliche Probleme haben“. Ob Staatsangehörigkeitsrecht oder Krankenhausreform, für Ryglewski werden jetzt Probleme gelöst, die jahrelang niemand angefasst habe. 

„Natürlich streiten wir auch mit den Ländern darüber, weil das vor Ort sensible und emotionale Themen sind.“ Doch „insgesamt bekommen wir gemeinsam vieles wirklich gut gelöst“. Menschen mit unterschiedlichen politischen Auffassungen wertschätzend auf Augenhöhe zu begegnen, gehört für Sarah Ryglewski zur Lösungsfindung dazu. Da sei es „einfach wichtig, dass man mal zum Telefonhörer greift und spricht“. Bisher habe das immer gut geklappt.

Auch deshalb blickt die Politikwissenschaftlerin auf die vergangenen drei Jahre als Staatsministerin positiv zurück. Trotzdem will sie im kommenden Jahr nicht mehr für den Bundestag kandidieren. Für sie lebe Politik auch davon, dass nicht immer die gleichen Leute sie machen, erklärt Ryglewski. „Bundestagsabgeordnete war für mich immer ein Amt auf Zeit.“

Im letzten Jahr noch viel vor

Vor allem persönliche Beweggründe haben sie zu dieser Entscheidung veranlasst. Wie es für sie beruflich weitergehen könnte, „da habe sie ein paar Ideen“. Neben dem Bund-Länder-Geschäft sei sie im Kanzleramt aktuell auch für den Bereich Nachhaltigkeit zuständig. Hier sei künftig Expertise gefragt, das sei ja längst „kein Wohlfühlthema“ mehr. Auch dass sie weiterhin politiknah arbeite, könne sie sich vorstellen, wolle aber zunächst noch offenbleiben. Denn bis zu ihrem Ausscheiden aus dem Bundestag bleibe noch vieles zu tun.

Ryglewski ist sich sicher, „dass wir im kommenden Jahr noch einiges hinbekommen“. Optimistisch zeigt sie sich bei der Rentenreform. Wichtig ist ihr aber auch, beim Thema Pflege zumindest Ansätze einer Pflegereform zu schaffen. „Wenn Menschen über das Altern reden, denken sie an die Rente, aber viele von uns werden im Alter auch Pflege brauchen“, betont sie und fordert: „Menschen sollten auf beides nicht mit Angst und Sorge blicken müssen.“

Nicht nur reden, sondern machen

Aufgabe für das kommende Jahr werde zudem sein, zu zeigen, „dass wir diejenigen sind, die nicht nur reden, sondern auch machen“. Als Beispiele nennt Ryglewski den Ausbau der Erneuerbaren Energien, die beschleunigten Genehmigungsverfahren, die Digitalisierung und auch Rekordinvestitionen in die Bahn. Dass sei zwar alles nichts, „was schon morgen glänzt“. Schon gar nicht, wenn Aufgaben so lange liegengelassen worden seien. „Aber wir haben sie angepackt.“ Nun gehe es darum, die Erfolge nicht nur sichtbar, sondern auch fühlbar zu machen.

Für Sarah Ryglewski, die zwölf Jahre stellvertretende Landesvorsitzende in Bremen war, liegt die Stärke der SPD in ihrer Heterogenität. Mit 19 Jahren sei sie in die SPD eingetreten, auch weil sie nicht immer nur die gleichen Leute um sich haben wollte. Im Ortsverein traf sie Schüler und Rentnerinnen, Handwerker und Lehrerinnen. 

Das mache die SPD als Volkspartei auch heute aus: ihre Vielfalt. In einer Gesellschaft, in der jeder nach außen strebe und versuche seins zu machen, sei die SPD die Partei, „die diese Unterschiede zusammenführen kann“, ist sie überzeugt und betont: „Wir müssen deutlich machen, dass es uns darum geht, dem Einzelnen gerecht zu werden. Das gelingt aber nur, wenn wir als Gesellschaft gemeinsam stark sind.“

Die Serie

In loser Reihenfolge stellen wir in den kommenden Monaten SPD-Abgeordnete vor, die den Bundestag im kommenden Jahr verlassen werden. Alle Texte finden Sie hier.

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Vera Rosigkeit

hat Politikwissenschaft und Philosophie in Berlin studiert und ist Redakteurin beim vorwärts.

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