Warum der Präsident von Werder Bremen in die Bürgerschaft will
Dirk Bleicker; dirkbleicker.de
Die Heimat von Hubertus Hess-Grunewald hat 42.000 Plätze und liegt am rechten Ufer der Weser. An einem windigkalten Dienstag Anfang März herrscht Ruhe im Weser-Stadion, das als Vornamen den Namen eines Sponsors trägt. Unten am Rasen lässt eine Besuchergruppe die Blicke über die Tribünen schweifen. Oben steht Hubertus Hess-Grunewald und blickt hinab. Vor wenigen Tagen hat er selbst eine Führung gemacht, für die Bremer SPD. „Die war schnell ausgebucht.“
Besonders stolz ist Hess-Grunewald auf die Photovoltaikanlage: Solarzellen auf dem Dach und an den Außenwänden des Stadions produzieren den Jahresbedarf an Strom für umgerechnet 300 Haushalte. „Der Fußball trägt eine große Verantwortung für die Gesellschaft“, ist Hubertus Hess-Grunewald überzeugt. Seit achteinhalb Jahren ist er Präsident des Bundesligisten SV Werder Bremen. Ende November wurde er fast einstimmig für eine dritte Amtszeit gewählt.
Erst zu Werder, dann zu den Jusos
„Ich habe mein Hobby zum Beruf gemacht“, sagt der 62-Jährige, der vorher Anwalt in Bremen war, Fachgebiet Arbeitsrecht. Seine Verbindung zu Werder begann im Schatten des Weserstadions. Jede Woche kam er als Kind mit seiner Klasse zum Schulsport auf einen der Trainingsplätze. „Irgendwann kam der Platzwart auf mich zu und drückte mir ein Anmeldeformular in die Hand.“ Am 28. August 1970 wurde Hubertus Hess-Grunewald Mitglied bei Werder Bremen, spielte von der E- bis zur A-Jugend für den Verein, meistens im Mittelfeld „Es war nie realistisch, Fußball-Profi zu werden, aber immer eine Ehre, das Werder-Trikot zu tragen“, sagt er. Grün und Weiß sind die Farben des Vereins.
Während des Jura-Studiums in Göttingen begann dann die zweite Leidenschaft von Hubertus Hess-Grunewald. Über die Hochschulgruppe der Jusos fand er zur Politik. „Damals waren da Leute wie Gabriele Andretta, Thomas Oppermann und Stephan Weil“, erinnert sich Hess-Grunewald. Als er ins Studentenparlament gewählt wurde, war Jürgen Trittin dessen Präsident. „Als Jusos hatten wir damals ein sehr kritisches Verhältnis zur SPD und haben uns als Teil der Friedensbewegung gesehen.“ Als am 10. Oktober 1981 mehr als 300.000 Menschen im Bonner Hofgarten gegen die atomare Aufrüstung demonstrierten, war Hess-Grunewald dabei. Ein Jahr später trat er in die SPD ein, „aus Solidarität mit Helmut Schmidt“. Der Kanzler war gerade per Misstrauensvotum gestürzt worden.
Klare Haltung gegen rechts
Nach seiner Rückkehr nach Bremen 1989 konzentrierte sich Hubertus Hess-Grunewald zunächst auf seine Arbeit als Anwalt, dann auf seine Aufgaben bei Werder. Für aktive Parteipolitik blieb dabei kaum Zeit. Als ihn der Vorsitzende des Unterbezirks im vergangenen Jahr fragte, ob er bei der Bürgerschaftswahl am 14. Mai antreten wolle, sei er deshalb sehr überrascht gewesen. „Ich bin ja nicht gerade ein Zeichen der Erneuerung und der Jugend.“ Doch zu der Zeit hatte Hess-Grunewald die notwendigen Umstrukturierungen im Verein bereits maßgeblich vorangetrieben. So konnte er „nach reiflicher Überlegung“ zusagen, da ihn das politische Gestalten reizt.
Sport und Politik ließen sich ohnehin nicht trennen, ist Hubertus Hess-Grunewald überzeugt. „Wer das behauptet, öffnet Freiräume, die von denen gefüllt werden, die man nicht haben möchte.“ Selbst erfahren musste er das im September 2018. „Jeder AfD-Wähler sollte schon wissen, dass es ein Widerspruch ist, Werder gut zu finden und die AfD zu wählen.“, sagte er damals in einem Interview mit dem „Weser-Kurier“ über Rassismus und politische Botschaften im Stadion. Bundesweit wurde über den Satz diskutiert, neben viel Zustimmung gab es auch deutliche Kritik.
In Bremen drohten manche Zuschauer, ihre Dauerkarten zu kündigen. Hess-Grunewald rief sie an und diskutierte mit ihnen. „Auch wenn wir nicht einer Meinung waren, fanden viele gut, dass sie ernst genommen werden“, erzählt er. Obwohl er manche Reaktion „so nicht erwartet“ hatte, steht der Werder-Präsident auch heute noch zu seiner Aussage. „Man muss Haltung zeigen“, ist Hubertus Hess-Grunewald überzeugt. Das gelte nicht nur im Sport, sondern auch in der Politik.
Erinnerungen beim Plakatekleben
„Die Gesellschaft kann vom Fußball viel lernen“, ist der 62-Jährige sicher, etwa was die Integration von Menschen aus anderen Ländern angeht. In der Bundesliga-Mannschaft von Werder Bremen spielen zurzeit Spieler aus zwölf Nationen. „Wir werden ohne gezielte Migration unsere Arbeitsmarktprobleme nicht lösen“, ist Hubertus Hess-Grunewald überzeugt. Arbeitnehmerrechte, die Stärkung des Ehrenamts und natürlich der Sportvereine sind Themen, die er auch gern in der Bremer Bürgerschaft vertreten würde. Der Wahlkampf ist der erste, den Hubertus Hess-Grunewald als Kandidat bestreitet. Ende Februar hat er schon seine Plakate vorbereitet, mit Pinsel und Kleister. „Das hat mich sehr an meine Juso-Zeit erinnert.“
Dirk Bleicker | vorwärts
ist stellvertretender Chefredakteur des vorwärts. Er betreut den Bereich Parteileben und twittert unter @kai_doering.