Inland

Scholz attackiert Merz: Bürger wollen seriöse Politik und kein Theater!

Nachdem die Union den Migrationsgipfel platzen ließ, geht es im Bundestag hoch her. „Sie haben sich in die Büsche geschlagen!“, geißelt Kanzler Scholz in der Generaldebatte zum Bundeshaushalt CDU-Chef Merz. Und macht ihm dennoch ein Angebot.

von Lars Haferkamp · 11. September 2024
Bundeskanzler Olaf Scholz greift an: Er verlangt von Oppositionsführer Friedrich Merz in der Generaldebatte des Bundestages am 11. September 2024 politische Führung statt taktischer Spielchen.

Bundeskanzler Olaf Scholz greift an: Er verlangt von Oppositionsführer Friedrich Merz in der Generaldebatte des Bundestages am 11. September 2024 politische Führung statt taktischer Spielchen.

Die Bundestagsdebatte zum Etat des Kanzlers beginnt am Mittwoch mit einer handfesten Überraschung. Traditionell eröffnet sie der Oppositionsführer. Das direkte Aufeinandertreffen zwischen Regierungs- und Oppositionschef soll den Wähler*innen zeigen, vor welcher Alternative sie in der Politik stehen. Doch Bundestagspräsidentin Bärbel Bas ruft nicht Friedrich Merz als ersten Redner auf, sondern Alexander Dobrindt, den Chef der CSU-Landesgruppe.

Großes Staunen im Plenum. Merz kneift? Ausgerechnet in der Generaldebatte? In der direkten Auseinandersetzung mit dem Kanzler? Und das, nachdem er erst am Dienstagabend den Migrationsgipfel mit der Regierung platzen ließ. Wer Merz als hasenfüßig kritisiert, immer dann wenn es ernst wird, kann sich bestätigt fühlen.

Olaf Scholz attackiert Friedrich Merz

Der Bundeskanzler jedenfalls zeigt sich von der Taktik der Union unbeeindruckt. Er sucht die direkte Auseinandersetzung mit Friedrich Merz. Dieser habe der Bundesregierung wiederholt Zusammenarbeit angeboten. Scholz erinnert daran, dass Merz ein solches Angebot bereits vor einem Jahr gemacht habe. Er, so der Kanzler, sei „wild entschlossen“ zu einer Einigung gewesen. Doch dann habe Merz sich einfach aus dem Staub gemacht, „schneller als man überhaupt gucken konnte“. Scholz bringt es so auf den Punkt: „Sie haben sich in die Büsche geschlagen! Und jetzt schon wieder! Das ist nicht gut für Deutschland.“

Jetzt schon wieder – gemeint ist damit der Migrationsgipfel vom Dienstag, den die Union abgebrochen und so zum Scheitern gebracht hatte. Viele in Berlin hatten genau damit gerechnet. Denn schon vorher hatte die Union versucht, mit immer neuen Bedingungen, etwa mit der Forderung nach schriftlichen Zusagen der Regierung, das Treffen gar nicht erst zustande kommen zu lassen. Schließlich entschied man sich doch teilzunehmen und es dann zum großen Knall kommen zu lassen. Verantwortlich dafür war Friedrich Merz, der zwar am Treffen nicht direkt beteiligt war, aber im Hintergrund die Fäden zog.

Kanzler will Lösungen statt Spielchen

So sieht es auch der Kanzler. Und das sagt er auch im Bundestag, direkt an Merz gerichtet: „Sie haben vor zwei, drei Wochen ein Drehbuch geschrieben.“ Erst habe der CDU-Chef der Regierung ein Angebot zur Zusammenarbeit gemacht. Doch „dann, wenn es möglich ist, schlagen Sie es aus und sagen, es ist nicht genug“. So dürfe man mit einer so ernsten Angelegenheit wie der Migrationsfrage nicht umgehen, kritisiert Scholz den Oppositionschef.  

Denn für den Kanzler ist eines klar: „Die Bürgerinnen und Bürger dieses Landes wollen nicht irgendwelche Theateraufführungen erleben. Sie wollen, dass wir ernsthaft und seriös Politik machen.“ Und an Merz gerichtet fährt Scholz süffisant fort: „Seriös – ich buchstabiere Ihnen gerne, wie das Wort geht.“ Scholz zeigt sich in der Debatte als Anwalt der Bürger*innen. Diese wollten keine „Schlammschlacht, wo alle sich vortragen, warum sie gut und die anderen schlecht sind“. 

Scholz erinnert Union an Asylkompromiss 1992/93

Wie kleinkariert und verantwortungslos das Agieren von Merz und der Union in der Migrationsfrage ist, verdeutlicht Scholz mit einem historischen Vergleich. „Es gibt große politische Führer in Oppositionsparteien“, leitet er diesen ein. Und nennt dann den Asylkompromiss zwischen der SPD-Opposition und der Regierung Kohl 1992/93. Die größte Leistung sei damals gewesen, dass die Führung der SPD die eigene Partei von diesem Kompromiss überzeugt habe. „Sie haben in einer national wichtigen Angelegenheit mit der Regierung zusammengearbeitet.“ Scholz mahnt Merz: „Führung ist nicht, dass man auf die Barrikade steigt, mit einer wilden Geste Forderungen erhebt. Führung ist, dass man sich umdreht und die eigenen Leute zu einem Kompromiss zu bewegen in der Lage ist. Das ist Führung, Herr Merz!“

Scholz betont mehrfach, dass es gut für das Land gewesen wäre, wenn Regierung und Union zu gemeinsamen Lösungen gekommen wären. Und er macht der Union erneut ein Angebot zur Zusammenarbeit: „Wir schlagen niemals eine Tür zu. Sie können immer wieder kommen – trotz der schlechten Erfahrungen, die wir gemacht haben.“

Irreguläre Migration verringern – gerne mit der Union

Scholz stellt klar: So notwendig die Begrenzung irregulärer Migration sei, so notwendig bleibe doch die geordnete Zuwanderung von Arbeitskräften für Deutschland. „Kein Land der Welt mit schrumpfender Erwerbsbevölkerung hat Wirtschaftswachstum, das ist die Wahrheit“, unterstreicht der Kanzler. „Weltoffenheit ist also notwendig. Aber Weltoffenheit bedeutet nicht, dass jeder kommen kann, der das möchte. Wir müssen uns aussuchen können, wer nach Deutschland kommt, das sage ich hier ganz ausdrücklich.“ Und dazu gehöre die irreguläre Migration zu verringern und diejenigen, die nicht bleiben können, wieder zurückzuführen. Genau das tue die Bundesregierung – gerne zusammen mit der CDU/CSU-Opposition, aber zur Not eben auch ohne sie.

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4 Kommentare

Gespeichert von max freitag (nicht überprüft) am Mi., 11.09.2024 - 13:52

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über das , was in Sachen Asylrecht jetzt geplant ist. Etablieren wir nicht das verfahren, das Seehofer nicht hat durchsetzen können gegen Merkel? Wo ist der Unterschied. Was ist daran sozialdemokratisch, wo sind unsere Werte des Humanismus geblieben? Plötzlich sind sie alle irregulär, niemand ist irregulär, wenn er das Wort ASYL sagt, sein es auch in gebrochenem Deutsch oder per gebärde

Gespeichert von Peter Boettel (nicht überprüft) am Do., 12.09.2024 - 10:57

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Sehr gut, Olaf Scholz. Denn was die Unionsspitze geliefert hat, war völlig unter der Gürtellinie. Merz, Dobrindt und Frei sollten wissen, dass die Grundrechte in ihrem Wesensgehalt nicht eingeschränkt werden dürfen, aber vielleicht wollen sie sogar, natürlich mit Unterstützung der AfD, diese Regelung in Art. 19, Abs. 2 GG abschaffen.
Wie würden etwa Merz, Frei und Dobrindt reagieren, wenn sie selbst in die Zwangslage geraten würden, in einem anderen Land Asyl beantragen zu müssen?
Zudem scheinen diese Leute sich die Trump'sche Lügenpraxis anzueigenen, wobei sich ja auch Ex-Maskendeal-Minister Spahn als Fan von Trump geoutet hat. Denn Merz und Frei scheinen es - trotz ihres Parteinamens "christlich" bei ihren Angaben zur Asylpraxis mit der Wahrheit nicht besonders ernst zu nehmen wie etliche Beispiele es belegen.

Gespeichert von Helmut Gelhardt (nicht überprüft) am Do., 12.09.2024 - 12:06

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Hier kann ich Max Freitag nur zustimmen.

Gespeichert von Martin Holzer (nicht überprüft) am Do., 12.09.2024 - 14:48

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"Wir müssen uns aussuchen können, wer nach Deutschland kommt, das sage ich hier ganz ausdrücklich"

Können wir ja aber anscheinend nicht. Was gedenkt Scholz zu tun, damit sein Wunsch wahr wird?