SPD-Mitgliedervotum: Wie Heil und Rehlinger für den Koalitionsvertrag werben
Zwei Wochen lang haben die SPD-Mitglieder Zeit, über den Koalitionsvertrag mit der Union abzustimmen. Warum dieser nicht „SPD pur“ enthält, die Partei aber eine Menge durchsetzen konnte, erläuterten die stellvertretenden Vorsitzenden Hubertus Heil und Anke Rehlinger am Dienstagabend.
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Auf dem SPD-Bundesparteitag 2023: die stellvertretenden Vorsitzenden Hubertus Heil und Anke Rehlinger
Zum bereits dritten Mal nach 2013 und 2018 lässt die SPD ihre Mitglieder darüber abstimmen, ob die Partei eine Koalition mit der CDU/CSU eingehen soll. Seit Dienstagmorgen, 15. April, um 8 Uhr ist die Online-Abstimmung möglich. Sie läuft noch bis zum 29. April um 23.59 Uhr. Nachdem sich die Jusos ebenso wie die Arbeitsgemeinschaft Migration und Vielfalt zuletzt sehr kritisch geäußert hatten, scheint die Parteispitze bestrebt, der Kritik inhaltlich etwas entgegenzusetzen.
Rehlinger: „Das große Paket, das viele gefordert haben“
Den Auftakt dafür gab es bereits am Montagabend bei der ersten von zwei Präsenzveranstaltungen in Hannover. Ergänzend dazu setzt die SPD auch auf den digitalen Dialog. Am Dienstagabend boten nacheinander gleich zwei Onlinekonferenzen den rund 360.000 Mitgliedern die Möglichkeit, die Parteiführung mit Fragen zu löchern. Den Auftakt machte ab 18 Uhr zunächst Anke Rehlinger, stellvertretende Parteivorsitzende und Ministerpräsidentin im Saarland. Sie warb ausführlich für den knapp 150 Seiten umfassenden Koalitionsvertrag.
Rehlinger sprach das bereits im März mit den Stimmen von Union, SPD und den Grünen beschlossene Sondervermögen für Investitionen in Höhe von einer halben Billion Euro an. „Schon bevor die Regierung an den Start gegangen ist, hat sie Politik gemacht und die Lebenswelt von sehr vielen Menschen im positiven Sinne verändern können“, zeigte sich die saarländische Ministerpräsidentin überzeugt. Auch mit Blick auf ihr eigenes Bundesland und die angeschlagene Stahlindustrie, der durch niedrigere Stromkosten unter die Arme gegriffen werden soll. „Das ist das große Paket, das viele gefordert haben“, sagte sie dazu.
Das Mitgliedervotum als Chance und Verantwortung
In diesem Sinne konnte sie auch die kritische Nachfrage eines Genossen zum im Koalitionsvertrag avisierten Bau von bis zu 20 Gaskraftwerken entkräften. „Wenn ich ihnen das jetzt nicht ermögliche, werden sie schlicht und ergreifend nicht mehr wettbewerbsfähig sein“, sagte Rehlinger und fügte an, dass die Zukunft dennoch im Bereich der erneuerbaren Energien und der klimaneutralen Nutzung von Wasserstoff liegen solle. Damit war sie offenbar überzeugend. „Wenn das so passiert, bin ich zu 100 Prozent zufrieden“, sagte das SPD-Mitglied schließlich.
Überhaupt über einen Koalitionsvertrag und damit indirekt auch über die Zukunft des Landes mitbestimmen zu können, sei eine große Chance und ein „wahnsinnig großes Privileg in unserer Partei“, sagte Rehlinger. Gleichzeitig stecke hinter dieser Chance aber auch eine große Verantwortung und Verpflichtung. Ähnlich äußerte sich kurze Zeit später auch Bundesarbeitsminister Hubertus Heil während der zweiten Online-Konferenz: „Es ist eine wichtige Entscheidung, die wir zu treffen haben.“
Heil will keinen Merz-Fanclub gründen
Zugleich wandte sich Heil direkt an die Kritiker*innen: „Keine Sorge, wir werden kein Fanclub von Friedrich Merz, aber es geht nicht um Friedrich Merz, sondern um unsere Bereitschaft für die Menschen im Alltag etwas zu bewegen und dieses Land gut nach vorne zu bringen.“
Dafür habe die SPD trotz eines Wahlergebnisses, das ihn sehr verletzt habe, einiges erreichen können. Beispielhaft nannte Heil die geplante Erhöhung des gesetzlichen Mindestlohnes und entkräftete zugleich Gerüchte, die CDU-Chef Merz unlängst in die Welt gesetzt hatte: „Wir wollen und wir werden dafür sorgen, dass der Mindestlohn weiter steigt. Das gelingt, indem die Mindestlohnkommission die Geschäftsordnung anwendet, die sie sich selbst gegeben hat.“
Wenig Sanktionen beim Bürgergeld möglich
Auch beim Bürgergeld gebe es häufig „sehr viel Meinung, aber wenig Ahnung“. Denn das Bürgergeld sei lediglich das Existenzminimum, dessen vollständige Kürzung kaum möglich sei. Lediglich 30 Prozent der Leistungen könnten als Sanktionsmaßnahme zeitweise gekürzt werden. Ein Genosse äußerte sich zudem kritisch zur geplanten Abschaffung der täglichen Höchstarbeitszeit. Dazu sagte Heil: „Das stand auch mit der FDP drin. Ich habe ein bisschen was damit zu tun, dass es nicht so gekommen ist. Wenn es nach mir geht, kommt da eine Tarifsperre rein, also dass das nur möglich ist, wenn sich die Tarifpartner darauf verständigen.“
Ob das auch künftig sein Job sein wird, ließ er offen. „Wer neuer Arbeitsminister wird, weiß ich nicht“, sagte Heil. Jetzt gehe es erst einmal um die Inhalte, danach um die Personen. Über die Inhalte des Koalitionsvertrages können die SPD-Mitglieder noch knapp zwei Wochen lang abstimmen.
ist Redakteur des „vorwärts“. Er hat Politikwissenschaft studiert und twittert gelegentlich unter @JonasJjo