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Olaf Scholz in Halle: Die Bürger fragen, der Kanzler antwortet

Im Wahlkampf setzt Olaf Scholz besonders auf das persönliche Gespräch. Bei einem Termin in Halle am Freitag beantwortet der Kanzler Fragen zu den unterschiedlichsten Themen. Eine bringt ihn kurz aus dem Konzept.

von Kai Doering · 17. Januar 2025
Das Publikum fragt, der Kanzler antwortet: Olaf Scholz in Halle

Das Publikum fragt, der Kanzler antwortet: Olaf Scholz in Halle

Das Theater in Halle ist bis auf den letzten Platz gefüllt. Und das, obwohl Freitagmittag ist. Und das, obwohl niemand auf der Bühne steht. „Denn die Hauptpersonen sind heute Sie“, wie Eric Eigendorf in seiner Begrüßung zum Publikum sagt. Der 33-Jährige ist Vorsitzender der SPD-Fraktion im Stadtrat von Halle. Am 23. Februar will er für die Sozialdemokrat*innen in den Bundestag einziehen.

„Das Entweder-oder ist falsch“

„Sie fragen, der Kanzler antwortet“, erklärt Eigendorf das Konzept für die nächste Stunde. Dann betritt Olaf Scholz den Raum. Die eingespielte Ansage geht im Applaus unter. „Ich freue mich, dass wir hier zusammen sind“, sagt der Kanzler, bevor er einen kurzen Blick auf das Ende der Bundesregierung wirft. „Es war nicht mehr möglich, eine Verständigung in einer zentralen Frage herbeizuführen“, sagt Scholz. Deshalb habe er sich entschieden, die Regierung zu beenden.

Die „zentrale Frage“ habe gelautet: weiter die Ukraine unterstützen oder in Deutschland investieren. „Dieses Entweder-oder ist falsch“, sagt Olaf Scholz in Halle. „Wir müssen die Dinge gleichzeitig packen.“ Dafür allerdings müsse die Bundesregierung Kredite aufnehmen. Dazu sei die FDP nicht bereit gewesen. „Wir haben in diesem Jahr ein richtiges Loch im Haushalt: 25 Milliarden Euro“, sagt Scholz.

Wolle Deutschland die Ukraine weiter unterstützen, ohne die Schuldenbremse auszusetzen, müsse an anderer Stelle gespart werden. „Dann ist das Entweder-oder blanke Realität“, sagt Scholz. „Die Bürger müssen vor der Wahl wissen, wo das Geld geholt wird“, fordert der Kanzler. Er finde es empörend, „dass einige sagen: Darüber reden wir jetzt nicht. Und hinterher wachen alle auf in einer völlig veränderten Realität.“

„Darauf können Sie sich verlassen.“

Nach dieser Vorrede sind die Zuhörer*innen dran. Was er in der Ukraine-Politik von der SPD zu erwarten habe, will Axel, ein Mann mit langen weißen Haaren und Bart wissen. Mit ihm als Kanzler werde Deutschland die Ukraine weiterhin stark unterstützen, versichert Scholz. „Ich werde aber bei jeder Entscheidung überlegen, ob ich das verantwortbar finde. Dabei bleibe ich. Darauf können Sie sich verlassen.“

Martin, ein Student, bittet den Kanzler darum, „die Jugend“ nicht zu vergessen. Es mache ihm Sorge, dass junge Menschen bei den vergangenen Landtagswahlen zu großem Teil der AfD ihre Stimme gegeben haben. „Wir brauchen gute Einrichtungen, damit Kinder gut aufwachsen und lernen können“, fordert Olaf Scholz. Wichtig sei auch der Übergang von der Schule ins Berufsleben. „Ich möchte, dass an jeder Schule die Schulleitung weiß, wer einen Ausbildungsplatz hat und wer nicht“, sagt Scholz.

„Ich war ja schon mal Regierungschef eines Landes“

„Sind Sie bereit, Macht abzugeben?“, fragt Ulrich. Etwas provokant versucht er herauszufinden, was Scholz davon hält, den Kommunen mehr Steuereinnahmen zu überlassen, da Städte und Gemeinden viel zu wenig Geld zur Verfügung hätten, um die vielfältigen Aufgaben, die an sie gestellt würden, zu erfüllen. „Ich stimme dem Befund zu“, sagt Olaf Scholz und weist auf einen Gesetzentwurf zum Umgang mit den kommunalen „Altschulden“ hin, den die rot-grüne Regierung kurz vor Weihachten beschlossen hat. „Die FDP hat vorgeschlagen, zwei Milliarden bei den Kommunen einzusparen“, berichtet Scholz. Er selbst dagegen plädiert in Halle dafür, einen „fairen Ausgleich zwischen Kommunen auch innerhalb der Länder zu organisieren“.

Kathleen, eine Frau mittleren Alters, will vom Kanzler wissen, was er plant, um Druck von den Familien zu nehmen. „Ich war ja schon mal Regierungschef eines Landes“, erinnert Scholz an seine Zeit als Erster Bürgermeister von Hamburg. „Da habe ich genau das gemacht.“ Unter seiner Regierung wurde die Kita in der Hansestadt kostenlos und die Betreuung deutlich ausgeweitet. „Ich bin keiner von denen, die sagen: ‚Man müsste mal‘“, betont Scholz.

„Man kann auch direkt die SPD wählen“

Andere Fragesteller*innen wollen die Position des Kanzlers zur Inklusion, zur Organspende, zur elektronischen Patientenakte und zur Bekämpfung von Jugendkriminalität wissen. Scholz antwortet zugewandt und fachkundig, ab und an macht er einen Witz. Schließlich bringt ihn eine Jura-Studentin ein wenig aus dem Tritt. „Wie stehen Sie dazu, eine dritte Stimme im Wahlsystem einzuführen?“, will die junge Frau wissen. Die Idee: Wenn die Partei, die mit der Zweitstimme gewählt wurde, nicht ins Parlament einzieht, könnte die dritte Stimme zum Zug kommen.

„Man kann auch direkt die SPD wählen“, sagt Scholz und grinst. Dann weist er auf die Reform des Wahlrechts aus der aktuellen Legislatur hin, die zu einer Verkleinerung des Bundestags führen soll. „Wir müssen jetzt erstmal sehen, welche Auswirkungen die jetzige Reform hat“, sagt Scholz. Nach ein paar weiteren Sätzen sagt er schließlich. „Meine Antwort nach langer Rede: Nein!“

Nach einer Stunde ist dann Schluss. Olaf Scholz muss weiter nach Wolfsburg, wo am Abend die erste Großveranstaltung der SPD in diesem Wahlkampf stattfindet. Bevor der Kanzler aufbricht, nimmt er sich noch Zeit für zahlreiche Selfies mit den Zuhörer*innen. „Heute sind noch Fragen offengeblieben“, entschuldigt sich Eric Eigendorf. „Da bleibt uns nichts anderes übrig, als dich nach dem 23. Februar nochmal als Kanzler einzuladen.“

Autor*in
Kai Doering
Kai Doering

ist stellvertretender Chefredakteur des vorwärts. Er betreut den Bereich Parteileben und twittert unter @kai_doering.

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