Bundestagswahl: Wie Alexandra Wend Berlin-Pankow für die SPD erobern will
Bei der Bundestagswahl am 23. Februar ist Berlin-Pankow einer der besonders umkämpften Wahlkreise. SPD-Kandidatin Alexandra Wend rechnet sich gute Chancen aus. Sie setzt auf soziale Themen, könnte aber auch von den Problemen der größten politischen Konkurrenz profitieren.
Nils Michaelis
Direkter Austausch mit den Menschen im Wahlkreis: SPD-Kandidatin Alexandra Wend und Bundesarbeitsminister Hubertus Heil beim Bürgerdialog im Berliner Ortsteil Weißensee.
Der Veranstaltungssaal des Stadtteilzentrums im Berliner Ortsteil Weißensee leert sich. Mitten in der nach draußen drängenden Menge steht eine Frau, die zufrieden lächelt. Es ist Alexandra Wend. Es war ihre Veranstaltung. Weißensee liegt im Wahlkreis Berlin-Pankow. Hier tritt die 38-Jährige bei der Bundestagswahl erstmals als Kandidatin für die SPD an.
Hubertus Heil kommt zum Bürgerdialog
Für diesen trüben Nachmittag Anfang Februar hat Wend zu einem Bürgerdialog mit Arbeits- und Sozialminister Hubertus Heil eingeladen. Wie können sich Rentner*innen auch künftig die Miete leisten? Wie können junge Menschen besser bei der Berufsfindung unterstützt werden? Und wie kann für Menschen mit Beeinträchtigung der Zugang zum Arbeitsmarkt verbessert werden? Diese und viele andere Fragen haben die rund 60 Besucher*innen davon viele im Rentenalter, mitgebracht. Wend und Heil nehmen sich rund 90 Minuten Zeit, um sich den Fragen und Sorgen der Menschen zu widmen.
Die Themen, um die es heute ging, gehören zur DNA der Sozialdemokratie. Zugleich sprechen sie ein breites Spektrum der rund 233.000 Wahlberechtigten an. Die Sozialdemokratin setzt in ihrer Kampagne für einen Wahlkreis, der sowohl urban als auch vorstädtisch oder gar ländlich geprägt ist, auf eine Doppelstrategie von klassischen SPD-Themen und darüber hinaus. Ihr geht es darum, Menschen und Milieus zusammenzuführen.
Im Wahlkampf stellt sie ein Thema in den Mittelpunkt, das in allen Wahlkreisregionen von Bedeutung ist, nämlich die Unterstützung und Entlastung von Familien – nicht zuletzt durch eine scharfe Mietpreisbremse und bedarfsgerechten Wohnungsbau. Aber auch mit der Forderung nach stabilen Renten hält sie sich für anschlussfähig, auch in eher konservativen Milieus.
Von der Senatsverwaltung auf die Straße
Am 30. November wurde Wend, bislang tätig als Referatsleiterin in der Senatsverwaltung für Integration, Arbeit und Soziales, als Kandidatin nominiert. Seitdem ist sie unablässig unterwegs, um für ihre Ziele und die Sozialdemokratie zu werben. Und das am liebsten auf der Straße, sei es im Gespräch mit den Menschen oder am Infostand. Oder auch beim Tür-zu-Tür-Wahlkampf. „Mit Leuten direkt zu sprechen, liegt mir wohl am meisten“, sagt die studierte Juristin.
„Viele Menschen sind mit der jetzigen Bundesregierung und der geplatzten Ampel-Koalition unzufrieden und zeigen das auch. Manchmal überlegen wir gemeinsam, wie es weitergehen und was man verbessern könnte“, sagt sie. Sie betone dann immer wieder: Demokratie bedeutet Kompromisse. Und die SPD sei die Partei, die immer wieder versucht, gute und praxistaugliche Kompromisse zu finden.
Bis vor Kurzem galt der Wahlkreis von Wend noch als Hochburg der Grünen. Bei der Bundestagswahl 2021 landete die Öko-Partei mit 26,8 Prozent der Erststimmen vorne. SPD-Kandidat Klaus Mindrup erreichte mit 15,9 Prozent nach der CDU den dritten Platz und verpasste den Wiedereinzug ins Parlament.
Nutzt das Chaos bei den Grünen der SPD?
Viele gingen davon aus, dass der Grünen-Bundestagsabgeordnete Stefan Gelbhaar auch diesmal wieder das Rennen machen würde. Doch daraus wird wohl nichts. Nach Vorwürfen wegen sexueller Belästigung verzichtete Gelbhaar auf eine erneute Kandidatur. Mittlerweile stellte sich heraus, dass ein Teil der Anschuldigungen mutmaßlich frei erfunden wurde und offenbar eine parteiinterne Intrige im Spiel war. Die Grünen sind in Erklärungsnot. Und viele haben den Eindruck, dass die Dinge in Bewegung geraten sind und dass das Rennen um den Wahlkreis wieder offen ist.
Könnte das Chaos bei den Pankower Grünen der SPD nutzen? „Ich möchte nicht von etwas Schlechtem profitieren“, betont Wend. Wahr sei aber auch: „Dieses Thema beschäftigt und verunsichert viele Menschen. Viele wissen nicht mehr, wen sie wählen können oder wollen. Denen sage ich: Entscheiden Sie sich für die Sozialdemokratie und für mich. Dann haben sie eine verlässliche, soziale und weltoffene Stimme im Bundestag.“
Die studierte Juristin, die sich auf der Landesliste der SPD an achter Stelle wiederfindet, bleibt hoffnungsvoll – auch angesichts Prognosen, wie der des Portals „election" zu den Chancen der Parteien in sämtlichen Wahlkreisen. Demnach liegt die Wahrscheinlichkeit eines Wahlsieges der Grünen im Wahlkreis 75 derzeit bei 45 Prozent, gefolgt von der AfD mit 22 Prozent. Auf Platz drei rangiert die SPD. Ihr wurde zuletzt (Stand: 10. Februar) eine 16-prozentige Chance attestiert.
Der letzte SPD-Wahlsieger hieß Wolfgang Thierse
Wend ist zuversichtlich, den Abstand zu den Grünen verkleinern und deren neue Direktkandidatin Julia Schneider am Ende sogar überholen zu können. „Immer wieder mache ich in Gesprächen klar, dass ich den Wahlkreis gut im Bundestag vertreten kann“, sagt sie. „Wenn das viele Wählerinnen und Wähler überzeugt, können wir bei dieser Wahl was reißen.“ Es wäre der erste Triumph für die SPD seit der Bundestagswahl 2005. Damals hieß der Wahlsieger Wolfgang Thierse.
Die Zuversicht speist sich auch aus dem heutigen Bürgerdialog. Hinzu kämen viele positive Rückmeldungen aus ihrem Sportverein und dem Umfeld ihrer beiden Kinder. „Da merke ich immer, dass unsere Themen die richtigen sind, wenn es um die Zukunft unseres Landes geht", sagt sie. Sehr viele Wähler*innen seien noch unentschlossen: „Das treibt mich an.“
Kaum hat Wend ihren Satz beendet, startet sie mit ihrem Team in die nächste Wahlkampfaktion. Draußen wird es bald dunkel, viele Menschen kommen nun nach Hause. Es ist der ideale Zeitpunkt für eine weitere Tour von Tür zu Tür.