World Press Photo 2025: Krieg, Klima, Hoffnung in bewegenden Bildern
In einer Welt voller visueller Reize lassen sie innehalten und nachdenken: In der SPD-Zentrale sind auch in diesem Jahr die Siegerfotos des renommierten World-Press-Photo-Wettbewerbs zu sehen. Doch es gibt Kritik.
Die kleine Angelinha (6) liegt auf ihrem Bett - seit ihrer Flucht von der Front ist sie traumatisiert.
Nein, so liegen Kinder nicht. Das ist wohl der erste Gedanke, wenn man auf das Foto der kleinen Angelinha blickt. Die Sechsjährige liegt auf einem Bett, unter ihr eine blaue Decke mit Mond und Sternen, sie trägt pinke Socken und einen rosa Pulli mit einem kleinen Herzchen auf der Brust. Ein typisches kleines Mädchen, möchte man meinen, doch etwas irritiert: Angelinha liegt auf dem Rücken und wirkt dabei so starr, dass es für ein Kind fast unnatürlich wirkt. Die Arme entlang des Körpers gestreckt blickt sie in Richtung des Fensters über dem Bett, doch ihr Blick ist leer, es bleibt unklar, ob sie überhaupt etwas wahrnimmt. Angelinha hat ihre Kindheit verloren, sie ist traumatisiert und leidet unter Panikattacken – wie Millionen weitere Kinder in der Ukraine im dritten Jahr nach Russlands Angriff.
Florian Bachmeier hat Angelinha fotografiert. Dafür wurde der Fotograf aus Tegernsee bei München jetzt mit dem World Press Photo Award für die Region Europa ausgezeichnet. Für seine Serie „Beyond the Trenches“, „Abseits der Schützengräben“, besucht Bachmeier Orte in der Nähe der Front zu Russland. Dabei arbeitete er auch mit einer lokalen Hilfsorganisation zusammen, die Menschen betreut, die psychologische Hilfe benötigen, erklärt er. „Save the Children“ zufolge leiden drei Jahre nach Kriegsbeginn mehr als 40 Prozent der ukrainischen Kinder an Angststörungen – so wie Angelinha, die mit ihrer Mutter von der Front geflohen ist und nun bei ihrer Großmutter lebt, die russischen Bomben aber weiterhin hören kann.
World Press Photo: 42 Fotograf*innen aus 30 Ländern
Bachmeier reist seit Kriegsbeginn regelmäßig in die Ukraine, mit seiner Arbeit möchte er das Leid jener Kinder darstellen, die drei Jahre nach Kriegsbeginn in Gewalt aufgewachsen sind. „Sie sind die Opfer des Krieges, die am wenigsten damit umgehen können und am meisten darunter leiden“, sagte er am Donnerstag bei der Eröffnung der World-Press-Photo-Ausstellung 2025 im Willy-Brandt-Haus. Die Jury wählte sein Foto aus, weil es die Betrachter*innen an die langfristigen Folgen des Krieges erinnere, und daran, dass nicht alle Wunden sichtbar und leicht zu heilen sind, so die Begründung.
Der World-Press-Photo-Award ist eine der renommiertesten Auszeichnungen für Fotojournalist*innen weltweit. Seit 1955 zeichnet der Wettbewerb jährlich Arbeiten aus, die über den Moment hinausgehen, in dem sie aufgenommen wurden, und für etwas stehen, das historisch, politisch und gesellschaftlich bedeutsam ist. Aus 60.000 Einsendungen von tausenden Fotojournalist*innen und Dokumentarfotograf*innen aus aller Welt hat die Jury in diesem Jahr die besten Werke von 42 Fotograf*innen aus 30 Ländern bestimmt. Die Auszeichnungen werden unterteilt in sechs Weltregionen und nach mehreren Kategorien vergeben.
World-Press-Siegerfoto: Junge verlor beide Arme in Gaza
„In unserer visuellen Welt spielen die Bildsprache und das Bildnarrativ eine viel größere Rolle“, sagte Mirja Linnekugel vom Freundeskreis des Willy-Brandt-Hauses, der die Ausstellung organisiert. Angesichts der diesjährigen Bilder überkomme sie die schwere Gleichzeitigkeit des Leids – in der Ukraine, in Gaza, an anderen Orten der Welt.
Viele Fotos bilden ab, was im vergangenen Jahr die Nachrichtenlage bestimmte: Neben dem Krieg in der Ukraine war das der Krieg in Gaza, aber auch das Attentat auf Donald Trump, Proteste in Georgien sowie Umweltkatastrophen wie die Dürre im Amazonas-Gebiet und Migrationsbewegungen wie zwischen Mexiko und den USA. Aus Deutschland wurde in der Kategorie „Storys“ in der Region Europa der Fotojournalist Rafael Heygster ausgezeichnet, der für den „Spiegel“ Wahlkampfveranstaltungen und Parteitage der AfD begleitete.
Das diesjährige Siegerfoto „World Press Photo of the Year“ ist ein Porträt des neunjährigen Mahmoud Ajjour, der bei einem Angriff des israelischen Militärs in Gaza beide Arme verloren hat. Nach einer medizinischen Behandlung lernt der Junge in Katar, wie er mit seinen Füßen Videospiele spielen und Türen öffnen kann. „Mahmouds Traum ist einfach: Er möchte Prothesen bekommen und sein Leben leben wie andere aus“, steht neben dem Bild geschrieben. Die Vereinten Nationen schätzen, dass es im Dezember 2024 nirgendwo auf der Welt im Pro-Kopf-Verhältnis so viele Amputationen an Kindern gab, wie in Gaza.
World Press Photo 2025: Auch Kritik an Jury
Zu den Finalisten gehört ein Bild der Fotoserie „Dürre im Amazonas“. Zu sehen ist ein Mann, der mit zwei Einkaufstüten in einem ausgetrockneten Flussbett steht – er ist auf dem Weg zu seiner Mutter ins brasilianische Dorf Manacapuru, das zuvor nur mit dem Boot zu erreichen war. Wegen der anhaltenden Dürre durch den Klimawandel läuft er zwei Kilometer über Sand. Andere Fotos zeigen die persönlichen Geschichten von Sportler*innen, wie die des Bodybuilders Tamale Safalu, der bei einem Unfall ein Bein verloren hat und sich als erster behinderte Sportler in Uganda gegen andere Sportler*innen ohne Einschränkung behauptet.
Die Ausstellung zeigt auch umstrittene Bilder. So stammen die Fotos über die Proteste in Georgien von einem Fotografen, der für die russische staatlichen Nachrichtenagentur TASS arbeitet. In einer Stellungnahme neben den ausgestellten Fotos weist der Freundeskreis des Willy-Brandt-Hauses daraufhin, dass es sich bei TASS um einen Propagandakanal des autokratischen Systems Putins handelt.
Der World-Press-Photo-Award zeichne vor allem außergewöhnliche fotografische Leistungen aus. „Wir stellen das Urteil der Jury über die fotografische Qualität der Serie nicht in Frage“, so der Hinweis. „Jedoch sehen wir die Notwendigkeit, die politische und institutionelle Einbettung der Fotos zu berücksichtigen und die Rolle der Nachrichtenagentur TASS als Instrument der russischen Staatspropaganda anzusprechen.“ Der Freundeskreis kritisiert die fehlende Kontextualisierung der Serie von Seiten des Wettbewerbs, begrüßt aber, dass die Jury angekündigt habe, die Regeln für die Zukunft zu evaluieren.
Die Siegerfotos von World Press Photo 2025 sind von Freitag, 6. Juni, und bis Sonntag, 29. Juni 2025, in der dritten Etage des Willy-Brandt-Hauses, Stresemannstraße 28 in 10963 Berlin, zu sehen. Öffnungszeiten: Dienstag bis Sonntag, von 12 bis 18 Uhr, Eintritt frei.