Kultur

Foto-Ausstellung: World Press Photo Award zu Gast im Willy-Brandt-Haus

Die Bilder des Jahres 2021 machen Halt im Willy-Brandt-Haus: Die Austellung zum „World Press Photo Award“ wird im Atrium der SPD-Zentrale gezeigt. Im Mittelpunkt: Ein bedrückendes Foto einer kanadischen Fotografin.
von Benedikt Dittrich · 18. Mai 2022
World Press Photo 2022: Amber Bracken mit „Kamloops Residential School“ für die New York Times.
World Press Photo 2022: Amber Bracken mit „Kamloops Residential School“ für die New York Times.

Ein großes Holzkreuz steht im Mittelpunkt des Fotos, das Amber Bracken im vergangenen Jahr aufgenommen hat. Über dem Kreuz hängt ein helles, rotes Kleid. Weitere Kreuze säumen den Weg, der sich in der Tiefe des Bildes verliert. Der Himmel ist von dunklen Wolken verdeckt, doch auch ein Regenbogen ziert den Horizont, die Holzkreuze heben sich im Sonnenlicht von dem dunklen Hintergrund ab.

Menschen sucht man auf dem Bild von Bracken vergeblich – und doch erzählt das diesjährige Siegerfoto des „World Press Photo Awards“ die Geschichte von Menschen. Denn Kleider und Kreuze erinnern an Mädchen und Frauen. Menschen, die gestorben sind.

Zeugnis eines „kulturellen Völkermords“

Das Foto hat die 38-jährige Kanadierin Bracken in British Columbia aufgenommen. Im vergangenen Jahr wurden in der Provinz in Kanada Massengräber entdeckt. Die Kreuze stehen für die 215 unbekannten, ermordeten Opfer, die wohl in einer sogenannten „Residential School“ umerzogen werden sollten. Ihre indigene Identität sollte in den Schulen ausgelöscht werden – ein trauriges Zeugnis kolonialer Herrschaft und ein dunkles Kapitel in der Geschichte Kanadas. Die „Kamloops Residential School“, auf deren Gelände die Gräber entdeckt wurden, war noch bis 1969 geöffnet.

Es gab bereits in der Vergangenheit Berichte darüber dass kanadische Ureinwohner*innen in den oft katholisch oder anglikanisch geführten Schulen misshandelt, missbraucht, gequält und schlecht ernährt wurden – tausende starben. Auch Gerichte beschäftigten sich ab 1990 mit den Misshandlungen, die Kirchen und der kanadische Staat baten erst Jahre später um Entschuldigung bei ehemaligen Schüler*innen, ein Abschlussbericht sprach 2015 von „kulturellem Völkermord“.

„Man kann fast die Stille in diesem Foto hören, einen stillen Moment der weltweiten Aufmerksamkeit für die Geschichte der Kolonialisierung, nicht nur in Kanada, sondern auf der ganzen Welt“, heißt es in der Begründung der Jury, warum dieses Foto unter den rund 60.000 Einsendungen von rund 4.000 Fotograf*innen aus 130 Ländern zum besten des Jahres gekürt wurde. Erstmals haben in diesem Jahr regionale Jurys die besten Fotos ausgewählt, das soll ein besseres Gleichgewicht unter den verschiedenen Regionen auf der Welt zu gewährleisten. Aus der regionalen Auswahl wurde dann von der international besetzten Jury schließlich das Foto von Amber Bracken gekürt.

Ausstellung im Willy-Brandt-Haus

Der „World Press Photo Award“ ist die bedeutendste Auszeichnung für Fotograf*innen weltweit, jährlich werden besonders bedeutsame Fotos, Bild-Reportagen und kreative Formate ausgezeichnet. Eine Auswahl der prämierten Fotos sind ab dem kommenden Donnerstag in der SPD-Parteizentrale in Berlin zu sehen – der Freundeskreis des Willy-Brandt-Hauses konnte die Ausstellung erneut in das Atrium des Gebäudes holen.

Die Fotografien der Nominierten und Gewinner*innen sind ab Freitag, 20. Mai, im Willy-Brandt-Haus zu begutachten, eröffnet wird die Veranstaltung offiziell schon am Donnerstag, 19. Mai, ab 19 Uhr.

Der Eintritt ist frei, die Austellung kann jeweils von 12 bis 20 Uhr bis zum Sonntag, 12. Juni, besucht werden. Weitere Informationen auf der Seite des Freundeskreises.

Autor*in
Benedikt Dittrich

war von 2019 bis Oktober 2022 Redakteur des „vorwärts“.

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