Ausstellung „Nach Hitler“: Jede Generation hat ihre eigene Verantwortung
Vier Generationen, vier Zeitebenen und doch eine gemeinsame Verantwortung, damit das, was damals war, nicht wieder passiert. Die Ausstellung „Nach Hitler“ im Bonner „Haus der Geschichte“ mahnt und erinnert sehr eindrucksvoll an die Zeit des Nationalsozialismus – und das, was daraus folgte.
Haus der Geschichte
Die Ausstellung „Nach Hitler“ zeigt die Auseinandersetzung mit dem Nationalsozialismus aus der Perspektive von vier Generationen.
2025 jährt sich das Ende des Zweiten Weltkrieges zum 80. Mal. Dass die Erinnerung daran und die Auseinandersetzung mit den Schrecken des Nationalsozialismus kein alter Hut sind, unterstreichen in diesen Tagen geschichtsvergessene Äußerungen wie die der Vorsitzenden einer großen rechtsextremen Partei in Deutschland, Hitler sei Kommunist gewesen. Um zu verstehen, dass die Äußerung blanker Unsinn ist, hilft ein Blick ins Geschichtsbuch, ein Gespräch mit Zeitzeug*innen oder ein Besuch in der Ausstellung „Nach Hitler – die deutsche Auseinandersetzung mit dem Nationalsozialismus“, die noch bis Ende Januar 2026 im Bonner Haus der Geschichte zu sehen ist.
Auch in der DDR gab es Nazis
Die Ausstellung wird aus der Perspektive von vier Generationen erzählt, beginnend mit derjenigen der Täter*innen im Jahr 1945. Diejenigen, die während der Zeit des Nationalsozialismus und des Zweiten Weltkriegs erwachsen sind und oftmals angeblich von nichts wussten. Viele waren ehrlich schockiert, als sie erstmals die Bilder von Konzentrationslagern, Berge ermordeter Menschen sahen. Andere, frühere Täter, kamen schnell wieder in herausragende Positionen. Anders als die sozialistische Propaganda suggerierte, auch im Osten Deutschlands. So zeigt die Ausstellung, dass 35,4 Prozent der hauptamtlichen Stasi-Mitarbeiter ehemalige NSDAP-Mitglieder waren, außerdem mehr als ein Viertel der Professor*innen in der DDR.
Die zweite Generation, die Kinder der Erlebnisgeneration, prägt das gesellschaftliche Leben ab den 1960er-Jahren. Sie bricht mit gesellschaftlichen Traditionen und fordert eine Aufarbeitung der NS-Verbrechen aktiv ein. Zugleich sitzen zu dieser Zeit durch die NPD wieder Rechtsextreme in westdeutschen Landtagen, in München kommt es 1970 zu einem Brandanschlag auf die jüdische Gemeinde, während im hessischen Bad Arolsen noch 1979 SS-Ehemaligentreffen stattfinden. Der damalige CDU-Bundestagsabgeordnete Hans Wissebach, selbst ehemaliges SS-Mitglied, verteidigt das in einem Video, das in der Ausstellung gezeigt wird.
Von Dregger zu Gauland
Ende der 1990er-Jahre ist der Zweite Weltkrieg bereits mehr als ein halbes Jahrhundert vorbei. Man könnte also meinen, die Auseinandersetzung der Enkel-Generation mit den Schrecken des Nationalsozialismus könnte deutlich sachlicher ablaufen. Doch ein Blick auf die aufgeheizte Debatte rund um die Wehrmacht-Ausstellung offenbart, dass dem nicht so ist. Auch Jahrzehnte später versuchen Ewiggestrige, die Verbrechen der Wehrmacht zu beschönigen, darunter im Bundestag auch der CDU-Politiker Alfred Dregger, selbst früheres Mitglied der Wehrmacht sowie der NSDAP.
Von Dregger springt die Ausstellung direkt in die Gegenwart, zu Gauland und dessen Vogelschiss-Rede, zu Interviews mit Schüler*innen, die die AfD nicht als rechte Partei sehen, zu den Lehrer*innen Max Teske und Laura Nickel, die ihre brandenburgische Schule verlassen mussten, nachdem sie dort rechte Hetze öffentlich machten. Es schaudert einen, so vor Augen geführt zu bekommen, wie allgegenwärtig Rechtsextremismus in Deutschland 80 Jahre nach dem Zweiten Weltkrieg geworden ist.
Der eigenen Rolle bewusst werden
Zugleich macht die Ausstellung auch Mut, indem sie Aktionen gegen rechts darstellt und zum Schluss die Verantwortung jedes und jeder einzelnen in den Mittelpunkt rückt. Denn vor Verlassen der Ausstellungsräume offenbaren sich den Besucher*innen drei Aussagen. Primo Levi sagte im Jahr 1986: „Es ist geschehen, und folglich kann es wieder geschehen.“ Die Auschwitz-Überlebende Esther Bejarano sagte im Jahr ihres Todes 2021: „Wir erinnern, um zu verändern, um unsere Demokratie zu bewahren.“ Aus dem vergangenen Jahr stammt die Aussage der Holocaust-Überlebenden Eva Szepesi: „Ihr habt keine Schuld für das, was passiert ist. Aber ihr habt die Verantwortung für das, was jetzt passiert.“
Die Besucher*innen müssen sich für eine der drei Aussagen entscheiden und ihr zustimmen. Laut Live-Zählung tun das bereits mehr als 43.000 Menschen bei Bejaranos Aussage.
ist Redakteur des „vorwärts“. Er hat Politikwissenschaft studiert und twittert gelegentlich unter @JonasJjo