Kinotag „Augen auf“: Wie Filme für Rechtsextremismus sensibilisieren sollen
Packende Geschichten von früher als Warnung für die Generation von heute: Beim Kinotag „Augen auf“ am 27. Januar werden bundesweit aktuelle Filme über die Zeit des Nationalsozialismus gezeigt. Sie sollen gerade junge Menschen für die Gefahren des erstarkenden Rechtsextremismus sensibilisieren.
Fréderic Balter/Pandora Film
„In Liebe, Eure Hilde“: Das Drama über die Widerstandsgruppe „Rote Kapelle“ mahnt zur Wachsamkeit gegenüber Menschenfeinden.
Wer war noch mal dieser Hitler? Bald 80 Jahre nach dem Ende der Nazi-Herrschaft weisen viele junge Leute große Wissenslücken über diese Zeit auf. Auch, weil sie darüber in der Schule nur wenig oder gar nichts gelernt haben. Dennoch interessieren sie sich sehr für diesen Teil der Geschichte. Zu diesem Ergebnis kommt eine neue Jugendstudie aus der Reihe „Multidimensionaler Erinnerungsmonitor“ (MEMO).
Gespräche mit Filmschaffenden als Begleitung
Genau da setzt der Kinotag „Augen auf“ an. Spielfilme über die verheerendste Phase der deutschen Historie sollen nicht nur, aber gerade unter -Heranwachsenden Interesse bedienen oder wecken. Gezeigt werden sie am 27. Januar, dem Internationalen Tag des Gedenkens an die Opfer des Holocaust. In Berlin, Rostock und Frankfurt am Main sind spezielle Vorführungen für Schulen sowie allgemeine Publikumsveranstaltungen geplant. Um über die Hintergründe der Stoffe aufzuklären, werden die Vorführungen von Gesprächen mit Filmschaffenden begleitet.
„Wir wollen relativ neue Filme zeigen, die noch im Gespräch sind und umso mehr Lust auf einen Kinobesuch machen, zum Beispiel Andreas Dresens Drama „In Liebe, Eure Hilde“ über die Widerstandsgruppe „Rote Kapelle“, sagt Sonja Begalke. Sie ist Fachreferentin bei der Stiftung Erinnerung, Verantwortung und Zukunft. Diese veranstaltet den Kinotag und hat die erwähnte Jugendstudie gefördert.
Flucht: ein Thema damals wie heute
Ein weiterer roter Faden besteht darin, Geschichten junger Menschen zu präsentieren, die Schülerinnen und Schüler also in ihrer Lebenswelt abzuholen. „,In Liebe, Eure Hilde“ dreht sich um eine Liebesgeschichte unter jungen Aktivistinnen und Aktivisten, wie sie sich vielleicht auch heute ereignen könnte“, erklärt Begalke.
Hinzu kommt das Thema Flucht, das in Caroline Links Film „Als Hitler das rosa Kaninchen stahl“ (auch dieser Film läuft in Schulvorstellungen am Vormittag) und auch in „Transit“ von Christian Petzold im Mittelpunkt steht.
Besonders am Herzen liegt Begalke „Das kostbarste aller Güter“. Der bei der abendlichen Publikumspremiere gezeigte Animationsfilm appelliere sehr niedrigschwellig und emotional an die Humanität: „Es geht um die Frage: Wie kann es sein, dass Menschen im Nationalsozialismus kategorisiert, abgewertet und am Ende vernichtet wurden?“
Auch von Dresens Film erhofft sie sich die Wirkung einer Brücke zum Heute. „Dieser könnte junge Leute dazu bringen, sich zu fragen, warum sich Menschen seinerzeit dafür entschieden haben, sich gegen ein unmenschliches Regime zu stellen“, sagt Begalke. „Was bringt Einen oder Eine dazu, widerständig zu denken und zu sein oder ihr Leben zu riskieren oder andererseits ein menschenverachtendes System zu unterstützen? Da gibt es Bezüge zum Rechtsruck der Gegenwart. Wir hoffen, dass das Lernen über die Vergangenheit wachsames und widerständiges Verhalten im Heute begünstigt.“
Ein Signal gegen Björn Höcke und die AfD
Sollte man angesichts der besagten Wissenslücken nicht besser auf Fakten beruhende Dokumentarfilme zeigen? Begalke kontert: „Wir wollen bewusst keine Schulstunde veranstalten, sondern emotional berühren und so Interesse wecken. Und die Tür zu einem Erinnerungsraum öffnen, als Impuls, sich im Anschluss mit den Fakten zu beschäftigen.“
Gerade wegen des Erstarkens des Rechtsextremismus sieht die Fachreferentin großen Aufklärungsbedarf in Sachen Nationalsozialismus. „Abwehrende Haltungen gegenüber dem Gedenken an die NS-Zeit nehmen zu, man denke nur an die Forderung des Thüringer AfD-Chefs Björn Höcke nach einer erinnerungspolitischen 180-Grad-Wende“, sagt sie. „Das bereitet uns massive Sorgen.“
Die Abwertung ganzer Menschengruppen werde wieder salonfähig. „Mit dem Kinotag wollen wir die Erinnerungskultur insofern lebendiger gestalten, als wir deutlich machen, was das Vergangene mit der Gegenwart zu tun hat“, so Begalke. „Um auch diejenigen zu erreichen, die sich in ihrer Freizeit nicht für NS-Geschichte interessieren, wollen wir über aktuelle Spielfilme emotionale Zugänge schaffen und dadurch hoffentlich Empathie für Menschen stiften, die heute angefeindet werden.“
Mittels der Filme lasse sich zudem lernen, was es bedeutet, wenn die Demokratie bedroht ist oder sogar abgeschafft oder durch autoritäre oder postfaschistische Systeme ersetzt wird.
Im kommenden Jahr soll der Kinotag „Augen auf“ zu einer Kinowoche erweitert und das Programm auf weitere Städte ausgedehnt werden.
Informationen und Tickets für den Kinotag gibt es hier.