Kultur

Kinofilm „Moria Six“: Was aus den Geflüchteten auf Lesbos wurde

Wie leben die Menschen aus Moria heute? Der Dokumentarfilm „Moria Six“ begibt sich auf Spurensuche. Im Mittelpunkt stehen sechs Jugendliche, die wegen des Brandes in dem berüchtigten Lager hinter Gittern landeten.

von Nils Michaelis · 23. Mai 2025
Szene aus dem Dokumentarfilm "Moria Six"

Gestrandet im Ferienparadies: Hassan wurde nach dem Großbrand im griechischen Flüchtlingslager Moria inhaftiert.

Das Elend Geflüchteter an den Außengrenzen der EU hat einen Namen: Moria. Dieses Lager auf der griechischen Insel Lesbos wurde zum Symbol für menschenunwürdige Lebensbedingungen und Behördenversagen. Im September 2020 zerstörte ein Großbrand weite Teile von Europas größter Einrichtung für geflüchtete Menschen. Es war der dramatische Höhepunkt einer Reihe von Skandalen und Zwischenfällen. Die sozialdemokratische EU-Kommissarin Ylva Johansson versprach damals, dass es kein zweites Moria geben werde.  

Moria: Viele Missstände sind geblieben

Fast fünf Jahre später sind die Ereignisse in dem mittlerweile aufgelösten „Hotspot“ der EU für Zugewanderte nahezu vergessen. Mit ihrem Dokumentarfilm „Moria Six“ will die deutsche Filmemacherin das Thema wieder ins Bewusstsein rücken. Denn mag Moria auch Vergangenheit sein, so sind doch viele Missstände beim Umgang mit Frauen, Kindern und Männern, die es unter Lebensgefahr nach Europa geschafft haben, gerade in diesem Randbereich der EU geblieben. Überfüllung und mangelhafte medizinische Versorgung sind nur zwei von vielen Problemen.

Für den Brand in Moria wurden seinerzeit sechs Jugendliche zu Haftstrafen verurteilt. Mallmann nahm zu ihnen Kontakt auf, um ihre Geschichten zu erzählen, was auch den Titel ihres Films erklärt. Zu einem von ihnen entstand ein regelmäßiger Kontakt. Über Jahre unterhielt Mallmann einen Briefwechsel mit Hassan. 

Zitate daraus sind als Off-Text zu hören: Der Afghane berichtet über seinen Alltag im Gefängnis, seine Wünsche für die Zukunft und seine Familie. Es sind erschütternde Zeugnisse von Hoffnungslosigkeit. Mit der Hoffnung auf ein besseres Leben hatte er sein Land verlassen. Seine Worte lassen den Gedanken aufkommen, dass nicht nur Hassan, sondern auch Europa, zumal auf dem Feld der von Politikeri*innen  propagierten humanitären Werte, gescheitert ist.

Von der Brandkatastrophe zum Justizskandal

Hassan berichtet auch über den umstrittenen Prozess gegen ihn und die fünf Mitangeklagten. An dieser Stelle gelingt es der Erzählung recht gut, von Einzelschicksalen auf einen größeren Kontext zu schließen.

Eigentlich hätten die sechs Angeklagten aus Moria nach Jugendstrafrecht abgeurteilt werden müssen, doch es kam anders. Juristisch erhielten sie eine zweite Chance, das Berufungsverfahren erwies sich allerdings als zermürbender Langzeitmarathon. Darin zeigte sich ein weiterer Skandal. 

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Hassan und die anderen wurden währenddessen von einer Nichtregierungsorganisation unterstützt. Der Film präsentiert weitere Beispiele dafür, wie sich die griechische Zivilgesellschaft für Geflüchtete starkmacht. Derweil legen offizielle lokale Stellen oft die Hände in den Schoß und die konservative Regierung in Athen beschränkt sich weitgehend darauf, unablässig auf Verschärfungen in der Migrationspolitik zu dringen.

Der Film geht aber auch der Frage nach: Was ist von Moria geblieben? Und damit auch um die Frage, was aus dem Versprechen der für Migration zuständigen EU-Spitzenfrau geworden ist.

Der Geist von Moria

Mit der Kamera erkundete Mallmann die Überreste des Lagers und traf einen ehemaligen Bewohner, der den Behörden durch die Lappen gegangen ist und nun zwischen Olivenhainen auf Lesbos haust. Es geht aber auch darum, was über das abgebrannte Lager hinaus vom „Geist von Moria“ geblieben ist: Mallmann wollte wissen, wie es heute um die Unterbringung und Behandlung von Geflüchteten in der Ägäis steht. 

Immer wieder sind beklemmende Bilder vom Außenbereich einer festungsartigen Aufnahmeeinrichtung auf Samos zu sehen. Und man fragt sich, welche Dramen sich jenseits des haushohen Stacheldrahtes abspielen.

„Moria Six“ ist ein eher leiser Film über ein aufwühlendes und polarisierendes Thema. Je näher der zwischen Hoffnung und Resignation mäandernde Erzählfaden bei den Menschen bleibt, desto eindringlicher die Wirkung. An einigen Stellen zerfasert das Ganze allerdings und der auf Assoziation abzielende Ansatz, Motive eines Urlaubsidylls mit der harten Realität der Migration zu kontrastieren, geht nicht immer auf. 

Umso nachhaltiger sind die Einblicke in menschliche Dramen, selbst wenn sie nur angeschnitten werden und einige Fragen und Zusammenhänge offenbleiben.

„Moria Six“ (Deutschland 2024), Buch und Regie: Jennifer Mallmann, OmU, 82 Minuten.

Im Kino. Infos unter cineglobal.de

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