Filmtipp „April“: Nichts für schwache Nerven
Obwohl Abtreibungen in Georgien legal sind, gibt es gerade für Frauen in ländlichen Regionen kaum Zugang dazu. Der Spielfilm „April“ der Regisseurin Dea Kulumbegashvili gibt einen schonungslosen Einblick, was das für eine Ärztin und ihre Patientinnen bedeutet.
MUBI/Dea Kulumbegashvili
Im Film „April“ verschafft Protagonistin Nina (s. Bild) Frauen im ländlichen Georgien Zugang zu gynäkologischen Untersuchungen, Verhütungsmitteln, und auch Abtreibungen.
Georgien ist eines der Länder mit der höchsten Dichte an Ärzt*innen in der Bevölkerung weltweit. Auf 10.000 Einwohner*innen kommen hier laut Angaben der Weltgesundheitsorganisation (WHO) 56 Ärzt*innen. Zum Vergleich: In Deutschland sind es 45 Ärzt*innen je 10.000 Einwohner*innen.
In Dea Kulumbegashvilis Film „April“ ist die Protagonistin Nina, gespielt von Ia Sukhitashvili, eine dieser georgischen Ärzt*innen – eine Gynäkologin in einem kleinen Krankenhaus in der Provinz. Als bei einer von ihr betreuten Geburt ein Baby stirbt und eine Untersuchung der Vorkommnisse angeordnet wird, verdichten sich die Gerüchte rund um Ninas großes Geheimnis: Sie führt außerhalb ihrer Arbeitszeit heimlich Abtreibungen für schwangere Frauen im Umland durch und versorgt sie unter der Hand mit der Anti-Baby-Pille.
Georgien: Abtreibungen zwar legal, aber oft nicht verfügbar
Bereits in der ersten Viertelstunde von „April“ wird damit klar: Georgien mag zwar statistisch eine gute Versortung mit Ärzt*innen haben, auf dem Land und insbesondere für Frauen bleibt eine moderne medizinische Versorgung jedoch nahezu unerreichbar. Und Kulumbegashvili zeigt auch, welche Konsequenzen das haben kann.
Denn den gesamten Film über begleitet man Nina in die abgelegensten Gegenden zu Hausbesuchen, die wie aus der Zeit gefallen zu sein scheinen. So hat die Gynäkologin stets einen Arztkoffer bei sich, der mehr an einen Werkzeugkasten erinnert. Untersuchungen und Eingriffe werden manchmal sogar auf einem Küchentisch durchgeführt. Die Konstante bleibt in diesen Szenen die wortkarge, pragmatisch-stoische Art der Ärztin, mit der sie sich in ruhigen, langsamen Szenen den herausfordernden Verhältnissen ihrer Arbeit stellt.
Kinofilm „April“ ist nichts für schwache Nerven
Herausfordernd dürfte das Gezeigte auch für die Zuschauer*innen sein. „April“ ist definitiv nichts für schwache Nerven, denn egal ob Fehlgeburt, Abtreibung oder Kaiserschnitt – alle von Nina durchgeführten Behandlungen werden in Echtzeit gezeigt. Das sind meist blutige Angelegenheiten, die in fast brutaler Stille und frei von jeglicher musikalischer Untermalung die Zuschauer*innen schonungslos mit den ungeschönten Realitäten rund um Mutterschaft und Geburt konfrontieren, die sich doch erheblich von den üblichen romantisierenden Darstellungen unterscheiden.
Das macht es zwar streckenweise schwer, weiter hinzusehen, doch genau darum ging es auch der Regisseurin Dea Kulumbegashvili, die selbst während der Produktion des Films Mutter wurde, bei ihrem Film auch: Sie wollte mit den Bildern und Idealisierungen rund um Schwangerschaft brechen und auf der Leinwand Licht ins Dunkel der Stigmata bringen. Ihre Protagonistin Nina verkörpert dabei alles, was eine Frau nach den vorherrschenden Idealen im orthodox-christlich geprägten Georgien nicht sein sollte: kinderlos, ledig, allein ihrer Arbeit verschrieben.
Auch in Deutschland bleiben Abtreibungen rechtswidrig
Ab dem 1. August ist „April“ in Deutschland auf der Streaming-Plattform „MUBI“ zu sehen – und das ist gut so. Es ist ein brutaler, aber eben auch besonderer Film, mit dem Dea Kulumbegashvili zum Nachdenken anregt, auch über Georgien hinaus. Denn während in Deutschland Schwangerschaftsabbrüche zwar straffrei sind und damit nicht mehr heimlich auf Küchentischen durchgeführt werden müssen, bleiben sie weiterhin im Grundsatz rechtswidrig. Was passieren könnte, wenn diese Straffreiheit wieder in Frage gestellt werden würde, will man sich kaum ausmalen.
„April“ (Georgien, Frankreich 2024), Regie und Drehbuch: Dea Kulumbegashvili, 134 Minuten.
Im Stream auf www.mubi.com