Kultur

Film über Sep Ruf: Wie der Architekt das Gesicht der Bundesrepublik prägte

Er schuf nicht nur den Kanzlerbungalow in Bonn: Der Dokumentarfilm „Sep Ruf – Architektur der Moderne“ porträtiert einen einflussreichen Akteur des ästhetischen Neubeginns in der jungen Bundesrepublik Deutschland.

 

von Nils Michaelis · 4. Juli 2025
Helmut und Hannelore Schmidt vor dem Kanzlerbungalow in Bonn

Sommeridyll 1975: Bundeskanzler Helmut Schmidt und seine Frau Hannelore im Garten des Kanzlerbungalows in Bonn.

Was hatte Helmut Schmidt, was Gerhard Schröder nicht hatte? Die Antwort ist ganz einfach: einen privaten Wohnsitz im sogenannten Kanzlerbungalow in Bonn. Nicht etwa aus ästhetischen Gründen, denn Schröder hatte nach seinem Wahlsieg im Herbst 1998 auf einen Einzug verzichtet, weil der Umzug der Bundesregierung nach Berlin bevorstand. 

Ludwig Erhard feierte den Kanzlerbungalow, Konrad Adenauer schäumte

Wahr ist allerdings, dass sich an dem modernistischen Bau im Park des Palais Schaumburg nach der Übergabe im Jahr 1964 die Geister schieden. Hatte Bundeskanzler Ludwig Erhard das von ihm – noch in seiner Funktion als Wirtschaftsminister – in Auftrag gegebene Flachdach-Gebäude mit viel Glas als Symbol einer weltoffenen und modernen Gesinnung gelobt, fiel das Urteil seines Amtsvorgängers Konrad Adenauer ganz anders aus: „Ich weiß nicht, welcher Architekt den Bungalow gebaut hat, aber der verdient zehn Jahre.“

Dieser Architekt hieß Joseph „Sep“ Ruf. Sein Name ist außerhalb der Architektur-Szene kaum bekannt, doch viele seiner insgesamt mehr als 300 Projekte haben das Erscheinungsbild der jungen Bundesrepublik Deutschland entscheidend geprägt. Also eines Landes, das trotz restaurativer Tendenzen auch für einen Neuanfang stand, nicht zuletzt in Sachen Architektur und Kunst.

Ruf war ein zentraler Player in diesem Prozess. Repräsentativ dafür sind neben dem Kanzlerbungalow unter anderem der bundesdeutsche Pavillon auf der Weltausstellung in Brüssel von 1958 oder die Neue Maxburg, ein 1957 fertiggestellter Behördenkomplex in der Münchener Innenstadt. Etliche der von ihm entworfenen Bauten stehen unter Denkmalschutz.

Sep Ruf: „behutsamer“ Anhänger der Moderne

Der Film „Sep Ruf – Architektur der Moderne“ blickt zurück auf das Schaffen und die Zeit eines Gebäudeschöpfers, für den die Moderne kein Selbstzweck war. Dem 1908 in München geborenen Architekten und Designer ging es darum, menschenfreundliche Häuser zu bauen, die Transparenz ausstrahlen und Kommunikation unter den Leuten fördern, die dort leben oder arbeiten. 

Dank breiter Fensterfronten sind viele seiner Kreationen lichtdurchflutet, zugleich verleihen ihnen schlanke und filigrane Fassadenfronten etwas Leichtes und Schwebendes. Darüber hinaus sollten die Neubauten in einer sinnhaften Beziehung zur vorhandenen Bebauung stehen und auf die Eigenheiten des Standortes eingehen. Aus diesen Gründen wurde Ruf auch als „behutsamer“ Anhänger der Moderne bezeichnet, dem der Radikalismus und Brutalismus vieler anderer Architekt*innen der Nachkriegszeit fremd waren.

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Was damit gemeint ist, macht der Filmemacher Johann Betz anhand zahlreicher Bauvorhaben deutlich: angefangen bei ersten, von den Nazis als wesensfremd verpönten Flachdach-Wohnhäusern in den 1930er-Jahren bis hin zu repräsentativen Projekten späterer Jahrzehnte. Dabei widmet er sich auch den öffentlichen Debatten über bisweilen umstrittene Projekte.

Sep Rufs Neue Maxburg in München ähnelt einem Kaufhaus 

Besonders anschaulich wird all dies vor allem anhand der Neuen Maxburg. Die im Zweiten Weltkrieg weitgehend zerstörte Maxburg wurde durch einen verglasten Neubau ersetzt, dessen Front sich wiederum an dem erhalten gebliebenen Turm des Vorgängerbaus orientiert. Innen wirkt der Leichtigkeit ausstrahlende Bau eher wie ein Kaufhaus als ein Behördenbau, der zum Beispiel das Amtsgericht München beherbergt. 

Ruf wollte damit einen deutlichen Kontrast zu einem anderen öffentlichen Gebäude in unmittelbarer Nachbarschaft herstellen: dem wuchtigen, eher Autorität statt Transparenz ausstrahlenden und 1897 fertiggestellten Justizpalast. Dort wurden 1943 die Todesurteile gegen die Mitglieder der NS-Widerstandsgruppe Weiße Rose gesprochen.

Der Film geht sehr präzise auf architektonische Details der von Ruf entworfenen Gebäude ein und macht deren ästhetisches Wesen und ihre Wirkung sehr anschaulich. Das gilt auch für den Blick auf immer wieder aufflammende Konflikte zwischen konservativen und progressiven Architekturtrends.

Atmosphäre bleibt auf der Strecke

Dabei bleibt allerdings das atmosphärische Momentum auf der Strecke. Der Film hat mehr mit einem Ausstellungskatalog als mit einer pointierten oder gar packenden Erzählung gemein. Hinzu kommt, dass die schwer zu ertragende Easy-Listening-Musik auf Warteschleifen-Niveau, sogar mit Gesprächsausschnitten mit Architektur-Expert*innen unterlegt, die sterile Anmutung vieler Szenen verstärkt, anstatt diese aufzulockern.

Man erfährt viel über die Beschaffenheit von Gebäuden, wohingegen der Blick auf die Menschen, die eine Verbindung dazu haben, meist oberflächlich bleibt. Und auch die Persönlichkeit des 1982 verstorbenen Protagonisten wird nur am Rande berührt. Möglicherweise hat Betz, der sich als „Architekturfilmer“ bezeichnet, eher ein fachbezogenes als ein breites Publikum im Hinterkopf gehabt. Erkenntnisreich und lohnend ist dieser Film aber in beiden Fällen.

„Sep Ruf – Architektur der Moderne“ (Deutschland 2025), ein Film von Johann Betz, 90 Minuten.

Kinostart: 10. Juli. Weitere Infos unter www.alpenrepublik.eu

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