Kultur

25 Jahre Unicef-Foto des Jahres: Eine Botschaft für Frieden in Nahost

Seit vielen Jahren zeichnet Unicef Fotograf*innen aus, die die Lebensumstände von Kindern dokumentieren. Die Wahl von erstmals zwei Gewinnerinnen im Jubiläumsjahr des Wettbewerbs ist eine politische Botschaft.

von Lea Hensen · 12. März 2025
Die beiden erstplatzierten Werke zeigen das Leid von Kindern in Israel und Palästina.
© Avishag Shaar-Yashuv, Israel (l.); Samar Abu Elouf, Palästina (r.)

Die Bilder sind schonungslos. Sie zeigen einen Jungen ohne Arme oder ein Mädchen, das ein Auge verloren hat. Auf einem Foto ist der achtjährige Stav zu sehen, im Gesicht des Jungen steht das Trauma geschrieben: Traurig und fassungslos blickt Stav ins Leere, sein Ausdruck entfremdet, er passt nicht zu unserer Vorstellung von einem Kind. 

Der Junge hat den Angriff der Hamas am 7. Oktober 2023 auf sein Kibbuzim überlebt, seine Familie kam grausam ums Leben. Sein Porträt stammt von der israelischen Fotografin Avishag Shaar-Yashuv, die mit ihrer Arbeit eindringlich zeigt, was es bedeutet, wenn eine Kinderwelt an der Grausamkeit bricht. Das Foto von Shaar-Yashuv wurde als „Unicef-Foto des Jahres 2024“ prämiert – doch es teilt sich den Gewinnerplatz mit einem anderen Werk. Erstmals in der 25-jährigen Geschichte des internationalen Wettbewerbs des UN-Kinderhilfswerks hat die Jury zwei erste Plätze bestimmt. 

Erstmals zwei Gewinnerinnen

Die zweite Prämierte ist die palästinensische Fotografin Samar Abu Elouf. Ihr Bild zeigt das Geschwisterpaar Dareen (11) und Kinan (5), die als Einzige einen Bombenangriff Israels auf ihr Wohnhaus überlebt haben – ihre Eltern und übrigen Verwandten kamen dabei ums Leben. Dareen, in ein festliches Gewand gekleidet und mit einer großen Narbe auf der Stirn, hält auf dem Bild ihren kleinen Bruder im Arm. Das Geschwisterpaar wirkt würdevoll, trotz der wohl größten existentiellen Not. Die Jury habe sich nicht anmaßen wollen, eine Rangfolge des Leids aufzustellen, erklärte Unicef bei der Auszeichnung der Werke im Dezember 2024. Unabhängig von einer Schuldfrage würden die beiden Fotografinnen das Gleiche zeigen: Kinder, deren Seele gezeichnet ist, durch das Unheil, das Erwachsene zu verantworten haben.

Unicef zeichnet seit 25 Jahren Fotograf*innen aus, die in Einzelarbeiten oder Fotoserien die Lebensumstände von Kindern weltweit dokumentieren: im Krieg, in materieller oder seelischer Not, nach Naturkatastrophen. Die Gewinnerinnen des Unicef-„Foto des Jahres 2024“ wurden bereits im Dezember von Elke Büdenbender verkündet. Am Mittwoch feierte der Foto-Wettbewerb im Willy-Brandt-Haus sein Jubiläum. Dort sind noch bis Ende April alle Gewinnerbilder 2024 zu sehen.

Augen für die Lage der Kinder öffnen

„Das Leid der Kinder ist das Ergebnis des Fehlverhaltens von uns Erwachsenen, denen sie ausgeliefert sind“, sagte Dietmar Nietan, SPD-Schatzmeister und Vorsitzender des Freundeskreises Willy-Brandt-Haus, zur Begrüßung. Georg Graf Waldersee, Vorsitzender von Unicef Deutschland, ging in seiner Rede auf die Wirkungsmacht von Fotografie ein. „Hochwertige dokumentarische Fotografie kann Augen öffnen“, sagte er. „Den Arbeiten, die jährlich im Fotowettbewerb von Unicef prämiert werden, gelingt genau das: Sie öffnen Augen für die Lage der Kinder in unserer Welt.“ 

Waldersee erinnerte an die Worte von Martin Luther: „Wenn du ein Kind siehst, begegnest du Gott auf frischer Tat.“ Die Bilder zeigten, wie mit Kindern umgegangen werde – dadurch erzählten sie vom Zustand der Welt. Mit Blick auf Donald Trump, der weite Teile der US-Entwicklungshilfe streicht, betonte er: „Die Zyniker der Macht wollen mit ihrem brutalen Vorgehen anderen die Hoffnung zu nehmen. Aber die größte Gefahr für sie ist, wenn Menschen sagen: ,Jetzt erst recht‘.“

Martin Luther

„Wenn du ein Kind siehst, begegnest du Gott auf frischer Tat.“

Nach einer musikalischen Begleitung durch den palästinensisch-syrischen Pianisten Aeham Ahmad, der während des Bürgerkriegs in Syrien als „Pianist aus den Trümmern“ bekannt wurde, diskutierte Moderatorin Aline Abboud mit Entwicklungsministerin Svenja Schulze (SPD) und weiteren Gästen. Dabei ging es um die Stärke der Kinder, die die Fotos trotz der widrigen Lebensumstände zeigen. „Die Fotos zeigen nicht nur Leid“, sagte Waldersee, „sondern immer auch Stärke und Willenskraft und Hoffnung.“ 

Das konnten die beiden Fotografen Muhammed Muheisen und Hartmut Schwarzbach bestätigen. Ihre Werke wurden 2017 und 2019 als Unicef-Foto des Jahres ausgezeichnet. Muheisen porträtierte das fünfjährige syrische Flüchtlingsmädchen Zahra, Schwarzbach erhielt den Preis 2019 für ein Foto von Kindern auf den Philippinen, die in einer verschmutzten Bucht nach verwertbarem Müll suchen. Beide Fotografen unterhalten bis heute engen Kontakt zu den Kindern, denen Spendengelder dank ihrer Arbeit ein besseres Leben ermöglichten.

Fotos können Abschottung verhindern

Der Journalist Peter-Matthias Gede hat den Fotowettbewerb als Jurymitglied seit vielen Jahren begleitet. Die dokumentarische Arbeit sei gerade jetzt wichtig, sagte er, weil sich viele Menschen angesichts der vielen Krisen zunehmend ins Private zurückziehen würden. „Die Fotos verhindern, dass wir uns von der Welt abschotten.“ 

An diese Bedeutung von Fotografie appellierte auch Svenja Schulze. Das populistische Märchen von den von Deutschland finanzierten Radwegen in Peru habe gezeigt, welche Wirkung Medien haben können, sagte die SPD-Politikerin. Die Berichte über teure Entwicklungshilfe konnten nicht verifiziert werden, verursachten aber bei vielen Menschen große Empörung. Umso wichtiger sei der Unicefs-Wettbewerb, der tatsächliche Problemlagen der Welt dokumentiere. „Gerade jetzt ist es wichtig, sich für Unicef einzusetzen“, sagte Schulze. „Die Bilder berichten vom Leben der Kinder in den Krisengebieten dieser Welt. Sie decken Unrecht auf und werfen ein Licht auf die Kinder, deren Schicksale oft unerzählt bleiben. Mit ihren authentischen Reportagen wecken die Fotografinnen und Fotografen Verständnis und Solidarität – die wichtigsten Ressourcen, die wir haben, um die großen Herausforderungen unserer Zeit gemeinsam zu bestehen.“

Noch bis 27. April

Den zweiten Preis erhielt der französische Fotograf Pascal Maitre für seine Fotoreportage von Kindern mit der Viruserkrankung Mpox. Sein Bild zeigt einen siebenjährigen Jungen in einem Krankenhaus im Kongo, sein Gesicht ist mit lilafarbenen Pocken übersät. Der dritte Preis ging an den französische Fotografin Maylis Rolland. Ihr Bild zeigt ein neugeborenes Frühchen, das zum ersten Mal das Gesicht der Mutter berührt. Neben den ersten drei Preisen bestimmte die Jury auch sieben ehrenvolle Erwähnungen.

Die Werke sind noch bis zum 27. April 2025, jeweils von Dienstag bis Sonntag, 12 bis 18 Uhr, im Willy-Brandt-Haus, Stresemannstraße 28, zu sehen.

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