AfD-Fraktion: So umstritten sind die neuen Abgeordneten
Sie pflegen Kontakte in die rechtsextreme „Junge Alternative“, kommen aus dem Dunstkreis von Björn Höcke – und vertreten jetzt im Bundestag unser Land. Das sind die Neuen in den Reihen der AfD.
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Die AfD hat ihre Fraktion aufgestellt: 152 Abgeordnete werden im neuen Bundestag sitzen – gegenüber der noch laufenden Legislaturperiode hat sie ihre Zahl verdoppelt. Die beiden Fraktionsvorsitzenden Alice Weidel und Tino Chrupalla wurden in ihrem Amt bestätigt.
Recherchen des Bayerischen Rundfunks hatten bereits im vergangenen Jahr ergeben, dass die Abgeordneten der AfD-Fraktion mehr als hundert Personen beschäftigt haben sollen, die Bezüge zu Organisationen haben, die von Verfassungsschutzämtern als rechtsextrem eingestuft werden. Dem BR lagen dazu mehrere interne Namenslisten aus dem Bundestag vor.
Doch dabei bleibt es nicht. Unter den Abgeordneten im Bundestag stammen insgesamt 29 aus den Landesverbänden Sachsen, Sachsen-Anhalt und Thüringen, die vom Verfassungsschutz als rechtsextremistisch eingestuft werden. Und von den Abgeordneten, die neu in den Bundestag ziehen werden, sind zahlreiche bereits ins Visier des Staatsschutzes gekommen, weil sie in ihrer Vergangenheit Verbindungen in rechtsextreme Kreise pflegten. Dazu gehören der AfD-Jugendverband „Junge Alternative“, den der Verfassungsschutz als gesichert rechtsextrem einstuft und der nun von der AfD aufgelöst wird.
Zahlreiche Abgeordnete der neuen Bundestagsfraktion wurden schon 2021 in einem Gutachten des Verfassungsschutzes erwähnt – unter ihnen auch die unten stehenden Namen. Das Portal „Netzpolitik" hat das Dokument hier in voller Länge veröffentlicht. Das Gutachten stellte damals die Beweise zusammen, mit denen die Behörde die AfD als rechtsextremen Verdachtsfall eingestuft hat.
Sieben Beispiele.
Maximilian Krah
Der bisherige AfD-Europaabgeordnete Maximilian Krah gehört zu den Fällen der Partei, die sogar intern als Problem gelten. Krah war im vergangenen Jahr Spitzenkandidat der AfD für die Europawahl – bis er im Mai gegenüber der italienischen Zeitung „Repubblica“ verharmlosende Aussagen zur SS machte. „Ich werde nie sagen, dass jeder, der eine SS-Uniform trug, automatisch ein Verbrecher war“, sagte Krah damals. In Folge suspendierte die Parteispitze Krah vom Wahlkampf, und die AfD flog aus der damaligen Rechtsaußen-Fraktion „Identität und Demokratie“ im EU-Parlament. Als die AfD dann nach der Wahl eine eigene Fraktion in Brüssel gründete, blieb Krah dort fraktionsloser Abgeordneter.
Außerdem geriet der gelernte Jurist wegen des Vorwurfs dubioser Finanzbeziehungen nach Russland in die Schlagzeilen. Ein diesbezügliches Fehlverhalten bestreitet Krah. Einer seiner Mitarbeiter wurde wegen Verdachts der Spionage für China laut übereinstimmenden Medienberichten festgenommen.
Aussagen von Krah lassen auf sein Weltbild schließen: So vertritt er etwa die These, ein Volk müsse kulturell homogen sein. „Die kulturelle Homogenität – nicht eine totale, sondern eine grundsätzliche – schafft die langfristige Basis für die Ausbildung einer Identifikation mit dem Staat und eines gemeinsamen politischen Willens“, schrieb er in einem Beitrag für die neurechten Zeitschrift „Suzession“ in 2019. Das alles scheint nun wie vergessen, vor der konstituierenden Sitzung der AfD-Fraktion ließen sich Krah und Weidel gemeinsam fotografieren. Krah gewann bei der Bundestagswahl den sächsischen Wahlkreis Chemnitzer Umland-Erzgebirgskreis II mit 44,2 Prozent der Stimmen.

Matthias Helferich
Matthias Helferich hat 2021 parteiintern für einen Eklat gesorgt. Der stellvertretende nordrhein-westfälische AfD-Landesvorsitzende wurde damals in den Bundestag gewählt, verzichtete dann aber auf eine Mitgliedschaft in der AfD-Fraktion, als von ihm getätigte Aussagen aus einem internen Chat ans Licht kamen. Darin soll sich Helferich als das „freundliche Gesicht des NS“ und als „demokratischen Freisler“ bezeichnet haben – in Anspielung auf den NS-Richter Roland Freisler, der maßgeblich an der Organisation des Holocausts beteiligt war. Der Bericht des Verfassungsschutzes von 2021 weist ihm enge Verbindungen zur rechtsextremen „Jungen Alternativen“ und zum rechtsextremen Verleger Götz Kubitschek nach und zitiert ihn unter anderem mit der Aussage: „Wir Bürger müssen entscheiden, ob Deutschland zum multi-kulturellen Schlachthaus verkommt oder unsere Heimat bleibt.“
Helferich wurde über die Landesliste Nordrhein-Westfalen in den Bundestag gewählt und am Montag von der Fraktion aufgenommen. Sein eigener Landesverband will ihn aus der Partei schmeißen, weil er es als „politische Zielsetzung“ deklariert habe, Deutsche mit Migrationshintergrund „unter Anwendung staatlicher Zwangsmittel“ ins Ausland zu bringen – so steht es übereinstimmenden Berichten zufolge in dem Antrag zum Parteiausschlussverfahren, das noch läuft. Das erinnert an die „Remigrations“-Pläne, die Anfang 2024 von der Redaktion „Correctiv“ aufgedeckt wurden.

Udo Hemmelgarn
Udo Hemmelgarn saß bereits von 2017 bis 2021 im Bundestag. Im Oktober 2019 spricht Hemmelgarn bei einem Bürgerdialog in Soest von einer bewussten Auflösungsstrategie der deutschen Bevölkerung – ein typisch neurechtes Narrativ. „Sie werden sich fragen, warum wird legale und sogar illegale Migration dann bewusst gefördert?“, fragt Hemmelgarn in seiner Rede, und fährt fort: „Sinn und Zweck ist die starke Reduzierung der eigenen Bevölkerung an der Gesamtbevölkerung und die Zerstörung des kulturellen Zusammengehörigkeitsgefühls.“ Auch weist ihm der Bericht des Verfassungsschutzes in den sozialen Medien dutzende Kontakte und Interaktionen mit dem rechtsextremen „Flügel“ und zu Akteuren der Neuen Rechten nach, unter anderem zum Rechtsextremisten und Pegida-Aktivisten Michael Stürzenberger, ehemals Bundesvorsitzender der 2016 aufgelösten Partei „Die Freiheit".
2020 fiel Hemmelgarn auf, als er und zwei weitere AfD-Kollegen übereinstimmenden Medienberichten zufolge eine Gruppe rechter Aktivist*innen in eine Abstimmung zur Corona-Maßnahmen im Bundestag einschleusten. Dort bedrängten und beschimpften sie andere Abgeordnete. Die AfD-Fraktion entzog den Parlamentariern daraufhin temporär das Rederecht. Hemmelgarn wurde jetzt über die Landesliste Nordrhein-Westfalen in den Bundestag gewählt.
Dario Seifert
Der 31-jährige Dario Seifert war zuletzt AfD-Fraktionschef in der Stralsunder Bürgerschaft und Mitglied im Landesvorstand der rechtsextremen „Jungen Alternative“ in Mecklenburg-Vorpommern. Übereinstimmenden Medienberichten zufolge war er in seinen Jugendjahren Mitglied der Jungen Nationaldemokraten, der Jugendorganisation der damaligen NPD. Im Gespräch mit dem „Nordkurier“ bezeichnete er seine Mitgliedschaft später als „passiv“. Seiner Meinung nach müsste man „jedem Menschen einen politischen Entwicklungsprozess“ zugestehen, sagt er da.
Der Verfassungsschutz-Bericht 2021 verweist auf einen Instagram-Beitrag Seiferts vom 13. Februar 2018 zur Bombardierung Dresdens. Darin habe Seifert von bis zu 250.000 Todesopfern gesprochen und geschrieben: „Entgegen offizieller Behauptungen, diente die Bombardierung nicht der Zerstörung kriegswichtiger Industrie, sondern primär der Auslöschung der deutschen Zivilbevölkerung.“ Die Verfassungsschützer*innen erinnern daran, dass die wissenschaftlich gesicherte Zahl der Todesopfer in Dresden bei 25.000 liegt. Die um ein Zehnfaches höher liegende Angabe von Helferich ginge auf NS-Propaganda zurück. Im Vorwurf, die Alliierten hätten bei dem Angriff die deutsche Zivilbevölkerung auslöschen wollen, sieht der Verfassungsschutz eine Relativierung der NS-Verbrechen.
Auch gegen Seifert lief bereits ein Parteiausschlussverfahren, das übereinstimmenden Medienberichten zufolge allerdings nicht mit einem Ausschluss endete, aber mit einer Sperre für interne Führungsämter. Nun hat er mit 37,3 Prozent der Erststimmen das Direktmandat im Wahlkreis Vorpommern-Rügen – Vorpommern Greifswald I gewonnen – das war einst der Wahlkreis von Angela Merkel.

Höcke-Vertraute: Stefan Möller und Torben Braga
Der Thüringer AfD-Chef Björn Höcke gilt als einer der einflussreichsten AfD-Politiker in Deutschland. Um ihn herum formierte sich der völkisch-nationalistische Parteiflügel, den der Verfassungsschutz 2020 als gesichert rechtsextremistisch einstufte. Daraufhin löste ihn Höcke formal auf. Der Thüringer AfD-Chef gilt selbst als gesichert rechtsextrem und wird vom Verfassungsschutz überwacht. 2019 urteilte ein Gericht, dass er als „Faschist" bezeichnet werden darf.
Mit Stefan Möller zieht nun Höckes Kollege, der zweite Sprecher des rechtsextremen Thüringer Landesverbands, in den Bundestag. Außerdem hat Torben Braga ein Mandat bekommen – er ist stellvertretender Sprecher des Landesverbandes Thüringen und parlamentarischer Geschäftsführer der AfD-Fraktion im Thüringer Landtag. Der 33-Jährige war ehemals Sprecher der Deutschen Burschenschaft und Mitglied in der Marburger Burschenschaft Germania – so steht es in den „Burschenschaftlichen Blättern". Die Marburger Burschenschaft Germania wird derzeit vom hessischen Verfassungsschutz beobachtet und als gesichert rechtsextrem eingestuft.
Birgit Bessin
Unter den wenigen Frauen der AfD-Fraktion ist die brandenburgische Landtagsabgeordnete und stellvertretende Vorsitzende des AfD-Landesverbandes Birgit Bessin. Einem Urteil des Verwaltungsgerichts Köln ist zu entnehmen, dass Bessin mit anderen Parteimitgliedern die „Erfurter Resolution“ unterschrieb, das Gründungsdokument des rechtsextremen „Flügels“. Auch der Verfassungsschutz-Bericht führt Bessin als „Flügel“-Anhängerin auf und bezeichnet sie als eine Unterstützerin des rechtsextremistischen Vereins „Zukunft Heimat“, der sich gegen Geflüchtete und andere Ausländer richtet. Der Verein wird von Verfassungsschutz beobachtet.
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