Start am Freitag: Wie sich Paris auf die olympischen Spiele vorbereitet
Freitagabend werden in Paris die olympischen Spiele mit einem nie gekannten Spektakel eröffnet. Nicht im Stadion, der Einmarsch der Nationen wird auf Booten auf der Seine vor 600.000 Menschen zwischen Notre Dame und Eiffelturm zelebriert. Mit viel Aufwand wurde auch ein Versprechen erfüllt.
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Volleyball unterm Eiffelturm: Die olympischen Spiele finden überall in Paris statt.
Stadt und Land haben sich fest vorgenommen, Paris 2024 zu Spielen der Superlative zu machen. Festhalten muss man dazu, dass Paris die Austragung der 33. Olympischen Sommerspiele vor allem mit dem Versprechen gewonnen hat, ein besonders nachhaltiger Austragungsort zu werden. Mehr noch, die Spiele sollten einer positiven und grünen Stadtentwicklung auf die Sprünge helfen, die Lebensbedingungen vieler Menschen verbessern. Ob das gelingen könnte, war lange unklar.
Es wird keine Bauruinen geben
Paris versprach, ohne neue „Protzbauten“ auszukommen, insbesondere ohne Neubauten von Stadien, weil alle notwendigen Wettkampfstätten ebenso wie Hotels längst ausreichend vorhanden seien. Das Versprechen wurde eingehalten. Eine einzige komplett neue Arena wurde in der Banlieue St. Denis, unweit des olympischen Dorfes errichtet. Alle anderen Stadien wurden lediglich auf den neuesten technischen Stand gebracht, oder wie Schloss Versailles für die Reiterspiele, das Grand Palais für die Fechter*innen und der Invalidendom für Bogenschütz*innen noch etwas mehr aufpoliert.
Das wird, wie auch Beach-Volleyball vor dem Eiffelturm, ikonografische Bilder in die ganze Welt senden und den Ruf von Paris als schönste Stadt der Welt festigen. Wichtiger: Anders als etwa in Rio oder Athen werden ganz sicher keine zukünftigen Bauruinen produziert. Es wird nach den Spielen keine Leerstände geben. Die Sportstätten werden gebraucht und genutzt, der Nachweis ist in der Praxis längst geführt. Es wurde also kein Geld in den Sand gesetzt.
Obdachlose wurden abtransportiert
Schon gar nicht mit dem olympischen Dorf im „sozialen Brennpunkt“ zwischen Port de la Chapelle und St. Denis. Die Appartements werden nach der Erstnutzung durch die Sportler*innen zu Eigentumswohnungen, das Gros in gesetzlich festgeschriebener sozialer Bindung. Ob es sich mit dem Dorf um einen „großen architektonischen Wurf“ handelt, sei dahingestellt, aber es gibt Flaniermeilen und eine direkte Verkehrsanbindung mit Metro und Tram; es gibt kleine Plätze, Raum für Kindergärten, Schulen und Einkaufszentren. Das ist in jedem Fall um Klassen besser als die ghettoartigen Hochhäuser sonst in den Vorstädten der Banlieues.
Anders die Situation von Geflüchteten und Obdachlosen. Hat der Staat Frankreich schon bislang so gut wie nichts an Hilfe für diese Menschen geleistet, wurden ihre Zeltdörfer auf den Randstreifen der Autobahnen und unter vielen Brücken jetzt im Vorfeld der Jeux Olympiques (JO) rigoros geräumt. Ihr Anblick soll die schönen Bilder nicht stören. Dass das alle bisherigen Olympiastädte ähnlich gehandhabt haben, macht es nicht besser. Zur Wahrheit gehört: Die Menschen wurden lediglich wegtransportiert. Sie werden zurückkommen, weil eben ansonsten nichts für sie getan wurde.
Bäume ersetzen Parkplätze
Paris will Fahrradstadt werden. Rund 100.000 Bäume wurden neu gepflanzt, mehr als 70.000 oberirdische Parkplätze dagegen abgeschafft. Autos sollen aus der chronisch verstopften Innenstadt verdrängt werden. Dafür wurden eine neue Ringbahn der Tram fertiggestellt und eingeweiht, Metrolinien verlängert und in ihrer Taktzahl weiter verbessert.
Schon in der Pandemie verwandelte die sozialistische Bürgermeisterin Hidalgo die rechte Fahrspur vieler Boulevards über Nacht in Bus- und Radspuren, die Rue de Rivoli wurde komplett zum Radweg. Der Trend wird mit den Spielen noch mal verstärkt. Die Bewertung der Pariser*innen fällt unterschiedlich aus. Viele Bewohner*innen des Zentrums atmen buchstäblich auf. Für alle, die von außerhalb ins Zentrum müssen, wird es nicht einfacher.
Die Hotelpreise fallen wieder
Derzeit verlassen die Pariser*innen zu Zigtausenden ihre Stadt. Weder wegen deftig gestiegener Preise noch wegen der teils heftigen Einschränkungen der Verkehrswege – viele Innenstadtstraßen sind aus Sicherheitsgründen gesperrt und nur für Anwohner*innen mit einem speziellen QR-Code auf dem Telefon überhaupt passierbar – nein, die Schulferien haben Anfang des Monats begonnen, und die Menschen verlassen, wie immer so schnell es geht die Stadt, um in den Süden, den Urlaub, die Wärme zu kommen. In diesem Jahr noch schneller als ohnehin üblich, sicher auch wegen der Spiele, vor allem aber, weil der Sommer bislang seinen Namen kaum verdient hat. Und in dreieinhalb Stunden ist man im TGV-Schnellzug bequem am Mittelmeer, ob in Bandol oder Beziers.
Die Hotelpreise, die im Vorfeld mit 600 Prozent Olympia-Aufschlag versehen worden waren, sind wieder gefallen. Die Nachfrage war ob der Mondpreise drastisch rückläufig. Auch die Vorstellung vieler Einwohner*innen, das eigene 3-Zimmer-Appartement von 65 Quadratmetern während der Spiele zu Tagessätzen von 1.500 Euro und mehr vermieten zu können, hat sich meist als Illusion erwiesen.
Gekommen sind stattdessen zigtausend begeisterte freiwillige Helfer*innen. Die bezahlen nicht nur ihre Tickets selbst, sondern ebenso Unterbringung und Logis. Und trotzdem sind sie fröhlich, ja enthusiastisch und sorgen seit Beginn der Woche für gute Stimmung in den Bars und Bistros. Das ist auch nötig, denn die Wirt*innen klagen. Das ist prinzipiell so, aber die vielen Absperrungen machen es tatsächlich oft schwer, das eigene Stammlokal zu erreichen. Und wer will schon als Einheimischer mit Stadtplan suchen, welcher Weg frei oder gesperrt ist.
In der Seine darf wieder geschwommen werden
Bleibt das letzte große Versprechen. Nachdem das Baden in der Seine 100 Jahre lang aufgrund der Gesundheitsgefährdung strengstens verboten war, soll der Fluss nun wieder Badegewässer werden. Zuerst für Triathlet*innen und Schwimmer*innen, nach den Spielen aber für alle Pariserinnen und Pariser.
Ein Großteil der Baukosten musste in den Fluss oder besser seine Reinigung investiert werden. Bislang waren die Kläranlagen, so überhaupt vorhanden, spätestens bei Hochwasser hoffnungslos überfordert, und in vielen (Vor-)Orten östlich der Hauptstadt ging mehr als die Hälfte des Abwassers völlig ungeklärt in Seine und Marne.
Noch sind nicht alle Arbeiten endgültig abgeschlossen, aber die Wasserqualität ist doch so erheblich verbessert, dass schwimmen gefahrlos möglich ist, in den kommenden zwei Wochen für die Sportler*innen, danach für die Bürger*innen von Paris. „Es ist nicht mehr dieselbe Stadt wie zuvor, wenn man hier im Fluss wieder schwimmen kann“, hat Bürgermeisterin Hidalgo zu Recht erklärt, und: „Das ist den olympischen und paralympischen Spielen zu verdanken.“