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SPD warnt bei NATO-Ausgaben: Es geht nicht um Prozentzahlen

Kurz vor der USA-Reise von Kanzler Merz kritisiert die SPD das „Rumjonglieren mit Zahlen“ bei den Verteidigungzielen der NATO. SPD-Experte Falko Droßmann sagt im Interview, worauf es stattdessen ankommt und wann über die Wehrpflicht entschieden werden soll.

von Lars Haferkamp · 3. Juni 2025
Falko Droßmann, verteidigungspolitischer Sprecher der SPD-Bundestagsfraktion, stellt im „vorwärts“-Interview klar: „Krieg darf kein Mittel der Politik sein. Deshalb ist es so wichtig, dass Putin mit seinem Angriffskrieg keinen Erfolg hat.“

Falko Droßmann, verteidigungspolitischer Sprecher der SPD-Bundestagsfraktion, stellt im „vorwärts“-Interview klar: „Krieg darf kein Mittel der Politik sein. Deshalb ist es so wichtig, dass Putin mit seinem Angriffskrieg keinen Erfolg hat.“

Außenminister Johann Wadephul (CDU) hat – ohne Absprache mit der SPD – angekündigt, Deutschland werde künftig für die Verteidigung eine Summe in Höhe von fünf Prozent seines Bruttoinlandsproduktes ausgeben. Was haben Sie da gedacht?

Ich habe gedacht, warum? Warum muss er das jetzt unabgesprochen machen? Wir als SPD haben deutlich gesagt, dass wir nicht mehr nach Kassenlage, sondern nach Fähigkeiten investieren werden. Vielleicht hat Herr Wadephul seine Äußerung als politisches Signal an Donald Trump gebraucht. Er hat aber jetzt auch mitbekommen, dass er so etwas innerhalb der Regierung absprechen muss.

Der Vorfall wirft kein gutes Licht auf den Umgang der Union mit der SPD, oder?

Ich würde das nicht überbewerten. Die Regierung war zu diesem Zeitpunkt erst eine Woche im Amt. Ich bin sicher, das rüttelt sich zurecht.

Falko
Droßmann

Entscheidend sind die Fähigkeiten der Bundeswehr, nicht irgendwelche Prozentzahlen.

Das Ausgabenziel der NATO liegt bei zwei Prozent. In der Diskussion sind 3,5 bis fünf Prozent. Was gilt denn nun?

Es gibt keine verbindlichen Ziele, es gibt eine Empfehlung von aktuell zwei Prozent. Die SPD hat bei diesem Rumjonglieren mit Zahlen nie mitgemacht, weil es nichts bringt. Wir wollen unsere Streitkräfte fit machen, damit sie unser Land und unser Bündnis verteidigen können. Entscheidend sind die Fähigkeiten der Bundeswehr, nicht irgendwelche Prozentzahlen.

Es gibt Zweifel, dass Deutschland sich auf die USA unter Donald Trump verlassen kann. Könnte das Angebot Emmanuel Macrons einer deutschen Teilhabe an der atomaren Abschreckung Frankreichs eine Alternative sein?

Nein. Erstens ist die Anzahl der französischen Atomraketen viel zu klein, zweitens hätte Deutschland gar keine Trägersysteme für diese. Das ist politisch ein gutes Signal von Macron, weniger militärisch. Auch deshalb halten wir an der Teilhabe an der atomaren Abschreckung der USA fest.

Die atomare Abschreckung für Deutschland würde also ohne die USA nicht funktionieren?

Aus meiner Sicht ist das keine Option, weder mit den Franzosen noch mit den Briten.

Im Koalitionsvertrag haben sich SPD und Union „zunächst“ auf einen freiwilligen Wehrdienst verständigt. Nun klingen aber immer mehr Verteidigungspolitiker*innen so, als werde es wohl doch auf eine Rückkehr zur Wehrpflicht hinaus laufen.

Wir brauchen mehr Soldat*innen. Jetzt warten wir auf den Gesetzentwurf der Bundesregierung für den freiwilligen Wehrdienst. Dabei geht es auch darum, den Dienst bei der Bundeswehr deutlich attraktiver als bisher zu machen. Dann wird zu prüfen sein, wie viele Menschen wir so erreichen. Und dann entscheiden wir, ob das reicht oder nicht.

Bis wann soll die Entscheidung fallen, ob es beim freiwilligen Wehrdienst bleibt oder die Wehrpflicht zurückkommt?

Im Juni legt die NATO fest, welche Fähigkeiten die Streitkräfte jedes Landes haben sollen. Dann wissen wir, wie viele Soldat*innen Deutschland für welche Ziele und mit welcher Ausbildung genau braucht. Das ist der Maßstab für unsere Entscheidung.

Und wann soll die fallen?

In dieser Legislaturperiode, also in den nächsten vier Jahren.

Falko
Droßmann

Die ganze Taurus-Debatte geht an den militärischen Notwendigkeiten vorbei.

Zentral für die Bundesregierung, wie bereits für die Regierung Scholz, ist die Unterstützung der Ukraine gegen den russischen Angriffskrieg. Wir wird es hier weitergehen?

Deutschland wird weiter eng an der Seite der Ukraine stehen – so lange es nötig ist. Krieg darf kein Mittel der Politik sein. Deshalb ist es so wichtig, dass Putin mit seinem Angriffskrieg keinen Erfolg hat.

Im Bundestagswahlkampf sagte Friedrich Merz, er werde der Ukraine deutsche Taurus-Raketen liefern. Nun sagt er: Es gebe keine Reichweitenbeschränkung mehr für deutsche Raketen. Seit wann ist das so? Und ist es mit der SPD abgesprochen?

Es gibt keine Änderung der deutschen Position im Vergleich zur Regierung Scholz. Und deshalb gab es auch nichts abzusprechen.

Was heißt das für die Lieferung von Taurus-Raketen?

Die ganze Taurus-Debatte geht an den militärischen Notwendigkeiten vorbei. Die Ukraine braucht Artillerie, Raketenabwehrsysteme. Die paar Handvoll Taurus, die wir haben, würden militärisch nichts verändern, sie wären allenfalls ein politisches Zeichen.

Sie werden also nicht geliefert?

Über Waffenexporte entscheidet die Bundesregierung, nicht der Bundestag. Ich habe keine Hinweise, dass es beim Thema Taurus Änderungen zur bisherigen Linie geben wird.

Gerade wurde die deutsche Brigade in Litauen in Dienst gestellt. Welches Signal soll davon ausgehen?

Das klare Signal: Die NATO steht fest zusammen. Wir verteidigen uns gemeinsam – gegen jeden Angriff. Für die Sicherheit des Baltikums ist es ein enorm wichtiges Signal. Wir zeigen damit: Die Sicherheit Deutschlands ist von der des Baltikums nicht zu trennen und deshalb wird sie auch in Litauen verteidigt. Dieses Signal, da bin ich sicher, wirkt auch im Kreml – sehr viel mehr als jede Taurus-Debatte.

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