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Koalitionsvertrag: Das planen SPD und Union in der Verteidigungspolitik

Die SPD hat in der Verteidigungspolitik zentrale Punkte durchgesetzt: die Finanzierung außerhalb der Schuldenbremse, die Freiwilligkeit beim Wehrdienst. Auffällig ist: Nur beim Thema Ukraine gelang ihr das nicht.

von Lars Haferkamp · 15. April 2025
„Für den Fall, dass ich Minister bleibe, haben wir Pläne in der Schublade.“  – Bundesverteidigungsminister Boris Pistorius bereitet ein 100-Tage-Programm vor.

„Für den Fall, dass ich Minister bleibe, haben wir Pläne in der Schublade.“  – Bundesverteidigungsminister Boris Pistorius bereitet ein 100-Tage-Programm vor.

Die „dickste Kuh“ war eigentlich schon in den Sondierungsgesprächen vom Eis: SPD und Union einigten sich hier, die Ausgaben für die Verteidigung von der Schuldenbremse auszunehmen. Das gilt für alle Ausgaben, die ein Prozent des Bruttoinlandsprodukts (BIP) übersteigen. Es gilt nicht nur für Ausgaben für die Bundeswehr, sondern auch für den Zivil- und Bevölkerungsschutz, die Cybersicherheit, die zusätzliche militärische Unterstützung für die Ukraine und die Nachrichtendienste. Entsprechend hatten SPD, Union und Grüne das Grundgesetz geändert.

Dass in der Verteidigungspolitik aber nicht nur um Geld geht, sondern auch im Personal, wurde dann in den Koalitionsverhandlungen sehr schnell klar. Besonders beim Thema Wehrpflicht. Während die SPD das Modell von Verteidigungsminister Boris Pistorius, das auf Freiwilligkeit setzt, erhalten wollte, forderten CDU und CSU die Rückkehr zu klassischen Wehrpflicht. Und scheiterten damit.

SPD setzt sich durch: Wehrdienst bleibt freiwillig

Im Koalitionsvertrag heißt es nämlich auf Seite 130: „Wir schaffen einen neuen attraktiven Wehrdienst, der zunächst auf Freiwilligkeit basiert.“ Das bedeutet, es wird keine Wiederaufnahme der allgemeinen Wehrpflicht geben. Was mit „zunächst“ gemeint ist, wird nicht weiter ausgeführt. „Wir orientieren uns am schwedischen Wehrdienstmodell“, heißt es an anderer Stelle im Vertrag. Dieses Modell setzt ebenfalls auf Freiwilligkeit. 

Die SPD hat sich damit weitgehend durchgesetzt: Sie wollte nach ihrem Regierungsprogramm zur Bundestagswahl 2025 „die Einführung eines neuen, flexiblen Wehrdienstes“. Für sie war dabei klar: „Der neue Wehrdienst soll auf Freiwilligkeit basieren.“ Genauso steht es nun im Koalitionsvertrag. Der Wehrdienst sollte sich darüber hinaus am Bedarf der Bundeswehr orientieren. Deshalb wollte die SPD „zügig die Grundlagen für eine Wehrerfassung“ schaffen. Auch das steht nun genauso im Koalitionsvertrag.

Verteidigung als „überragendes öffentliches Interesse“

In ihrem Regierungsprogramm sprach die SPD sich „zukünftig für eine nachhaltige Verteidigungsfinanzierung von mindestens zwei Prozent des BIP“ aus, das entspricht der Vereinbarung der NATO-Partner. Im Koalitionsvertrag wird keine konkrete Zahl mehr genannt. Hier heißt es: „Die Ausgaben für unsere Verteidigung müssen bis zum Ende der Legislaturperiode deutlich und stringent steigen.“

Damit dies in der Praxis auch schnell und reibungslos funktioniert sind laut Koalitionsvertrag neue Gesetze geplant. Noch im ersten Halbjahr der Regierungsarbeit soll ein „Planungs- und Beschaffungsbeschleunigungsgesetz“ für die Bundeswehr beschlossen werden. Darüber hinaus steht ein „Bundeswehrinfrastrukturbeschleunigungsgesetz“ an, das Ausnahmen im Bau-, Umwelt- und Vergaberecht sowie beim Schutz und der Widmung militärischer Flächen vorsieht. Die Verteidigung soll als „überragendes öffentliches Interesse“ gesetzlich festgeschrieben werden. Die Koalition will sie gegenüber anderen staatlichen Aufgaben „priorisieren“.

Vertrag übernimmt weitere SPD-Positionen

Für die SPD ist die NATO „ein tragender Pfeiler der transatlantischen Partnerschaft und für die europäische Sicherheit unverzichtbar“. Diese Formulierung aus dem Regierungsprogramm findet sich genau so im Koalitionsvertrag wieder. Die Skepsis der SPD – „Gleichzeitig müssen wir damit rechnen, dass Washington nicht mehr die Hauptlast für den Schutz Europas tragen wird“ – dagegen nicht.

Dass „Deutschland als zentrale Drehscheibe“ der NATO „weiter ausgebaut“ wurde aus dem SPD-Programm eins zu eins in den Vertrag übernommen. Auch die von der SPD als vorrangig bezeichnete Unterstützung der Bundeswehr-Brigade in Litauen, der im Koalitionsvertrag „Priorität“ eingeräumt wird.

Kein Wort zur Unterstützung der Ukraine

Auffällig ist: Im SPD-Regierungsprogramm finden sich zahlreiche Aussagen unter der Überschrift „Wir unterstützen die Ukraine“, in einer Länge 30 Zeilen. Dazu findet sich im Koalitionsvertrag in den vier Seiten des Kapitels Verteidigungspolitik allerdings kein Wort. Ebenso wenig zur Forderung der SPD in ihrem Regierungsprogramm nach neuen Ansätzen „glaubwürdiger Rüstungskontrolle und Abrüstungsinitiativen“.

Wie ist nun der Koalitionsvertrag zur Verteidigung zu bewerten? Minister Boris Pistorius zeigt sich „zufrieden mit dem Ergebnis“. Im Interview mit dem „Spiegel“ betont er, der Koalitionsvertrag sei für die Bundeswehr ein „Paradigmenwechsel“. Sie erhalte nun die notwendige Planungssicherheit für Finanzen und Personal. 

Pistorius plant 100-Tage-Programm

Und wie geht nun konkret weiter? „Für den Fall, dass ich Minister bleibe, haben wir Pläne in der Schublade“, sagt Pistorius. „Wir arbeiten an einem 100-Tage-Programm.“ Dazu gehörten etwa die gesetzlichen Regelungen für den neuen Wehrdienst. „Wir sind vorbereitet, das kann ich Ihnen versichern.“


Aktuelle Entwicklungen zur Bundestagswahl und den Koalitionsverhandlungen gibt es zum Nachlesen in unserem Newsticker.

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