Inland

Merz will Lieferkettengesetz abschaffen: Warum SPD und DGB widersprechen

Bundeskanzler Friedrich Merz möchte das europäische Lieferkettengesetz abschaffen. Gegenwind kommt nicht nur von Vizekanzler Lars Klingbeil. DGB-Chefin Yasmin Fahimi warnt vor einem Einknicken gegenüber dem aggressiven Kurs der USA.

von Vera Rosigkeit · 14. Mai 2025
Aufschrift Lieferkettengesetz auf europäischer Flagge

Die europäische Richtlinie für Sorgfaltspflichten entlang der Lieferketten wurde im April 2024 vom EU-Parlament beschlossen

Vor dem Hintergrund einer anhaltenden Wachstumsschwäche soll die Wirtschaft in Deutschland starkgemacht werden. Unklar sind die Wege dorthin. Das sorgt für Streit in der Koalition. In diesem Fall geht es um die Sorgfaltspflichten von Unternehmen entlang ihrer Lieferketten. Während CDU-Bundeskanzler Friedrich Merz am vergangenen Freitag in Brüssel die EU-Kommission aufforderte, die europäische Lieferkettenrichtlinie abzuschaffen, sprach sich SPD-Vizekanzler Lars Klingbeil Anfang der Woche für deren Erhalt aus. 

„Wir werden in Deutschland das nationale Gesetz aufheben. Ich erwarte von der Europäischen Union, dass sie diesen Schritt nachvollzieht und diese Richtlinie wirklich aufhebt“, sagte Merz bei einer Pressekonferenz mit EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen. Klingbeil reagierte am Montag bei seinem Antrittsbesuch in Brüssel auf den Vorstoß von Merz. Mit Blick auf die EU-Richtlinie zum Schutz von Menschenrechten berief sich der Bundesfinanzminister und SPD-Chef auf die Vereinbarungen im Koalitionsvertrag.

Lieferkettengesetz: Merz gegen Koalitionsvertrag

Darin wurde geregelt, das nationale Lieferkettensorgfaltspflichtengesetz (LkSG) abzuschaffen und die internationale Unternehmensverantwortung künftig über die europäische Lieferkettenrichtlinie (CSDDD) abzusichern – „bürokratiearm und vollzugsfreundlich“, heißt es dazu. Das europäische Lieferkettengesetz soll demnach künftig das deutsche ersetzen. 

Vor diesem Hintergrund stellte Klingbeil klar: „Diesen Weg werden wir auch gehen, aber wir suchen auch nach Möglichkeiten, dass es für die Unternehmen praktikabel ist.“ Auch Dirk Wiese, Erster Parlamentarischer Geschäftsführer der SPD-Bundestagsfraktion, verwies am Mittwoch auf die „klare Verabredung im Koalitionsvertrag“, wonach die Bundesregierung das europäische Lieferkettengesetz „einfacher, handhabbarer und bürokratieärmer machen“ wolle.

Was bedeutet das konkret? Die Kritik an der EU-Lieferkettenrichtlinie, die größere Unternehmen dazu verpflichtet, innerhalb ihrer Produktionskette auf ein Verbot von Zwangs- oder Kinderarbeit und die Einhaltung von Umweltstandards zu achten, ist alt. Immer wieder monierten Wirtschaftsverbände und führende Politker aus Union und FDP, dieses Gesetz würde durch ein Zuviel an Bürokratie die Wettbewerbsfähigkeit Europas mindern. 

Und das mit Erfolg. Der Start für die Umsetzung der Richtlinie, die erst im April 2024 beschlossen wurde und zunächst ab dem Jahr 2027 für Firmen mit mehr als 5.000 Beschäftigten gelten sollte, will die EU-Kommission nun auf 2028 verschieben. Auch soll es weitere Vereinfachungen für Unternehmen geben, auch hinsichtlich der Berichtspflichten, um Bürokratie abzubauen.

EU-Kommission erteilt Merz eine Absage 

Die EU-Kommission wies die Forderung vor Merz zurück. Sie stellte klar, dass es bei der Überarbeitung der Richtlinie um Bürokratieabbau gehe und nicht darum, die Lieferkettensorgfaltspflicht abzuschaffen. 

René Repasi, Sprecher der Europa-SPD, wunderte sich hingegen über den Vorstoß von Merz. Deutschland könne zwar in der EU seine Wünsche vortragen, aber Forderungen in der Europapolitik zu stellen, sei nicht sehr hilfreich, erklärte er am Montag vor Journalist*innen in Berlin. Vom neuen Bundeskanzler erhofft sich Repasi künftig mehr „Fingerspitzengefühl“. 

DGB warnt vor aggressiver Big-Tech-Oligarchie

Auf einer Veranstaltung des Instituts für Makroökonomie und Konjunkturforschung stellte DGB-Chefin Yasmin Fahimi am Dienstag für die Gewerkschaften klar, dass man jederzeit über Berichtspflichten reden könne. Aber sie warnte: Das Lieferkettensorgfaltspflichtengesetz in dem Sinne kaputtzureden, dass Entbürokratisierung wichtiger sei als Menschenrechte, halte sie für Unsinn. Es mache auch ökonomisch keinen Sinn. „Wir können nicht so tun, als ob wir mehr Resilienz in die Lieferketten bekommen, wenn es uns egal ist, was in den Lieferketten passiert.“

Mit Verweis auf den konfrontativen Kurs des US-Präsidenten Donald Trump erklärte sie zudem, dass dieser nicht nur einen Handelskonflikt anzettele, sondern auch auf die europäische Souveränität abziele. Ihrer Meinung nach müsse Europa an bestimmten Prinzipien und Werten festhalten, ein Einschränken von sozialen Rechten und Standards sei deshalb grundsätzlich ein falscher Weg: „Es wäre ein Einknicken gegenüber dieser aggressiven Big-Tech-Oligarchie-Politik aus den USA.“

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Vera Rosigkeit

hat Politikwissenschaft und Philosophie in Berlin studiert und ist Redakteurin beim vorwärts.

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