Inland

Was hinter dem Streit um das Lieferkettengesetz steckt

Die Wirtschaft fordert Bürpkratieabbau. Bundeskanzler Olaf Scholz will sie deshalb beim Lieferkettengesetz entlasten. Unklar ist, wie. Denn neben dem deutschen Gesetz existiert noch eine EU-Richtlinie, die spätestens 2026 in nationales Recht umgesetzt werden muss.

von Vera Rosigkeit · 23. Oktober 2024
Lieferkettengesetz

Die EU-Richtlinie zum Lieferkettengesetz ist noch nicht in deutsches Recht umgesetzt. 

Es war Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne), der bereits im Juni seinen Plan öffentlich machte, das deutsche Lieferkettengesetz zu reformieren oder für zwei Jahre auszusetzen. Damit kam er einer Forderung von Wirtschaftsverbänden nach, die angesichts der Berichtspflichten vor zu viel Bürokratie und Wettbewerbsnachteilen warnten. 

Am Dienstag legte Bundeskanzler Olaf Scholz beim Deutschen Arbeitgebertag nun nach. Er wolle Unternehmen noch in diesem Jahr beim nationalen Lieferkettengesetz entlasten, so Scholz. Wie genau, blieb jedoch unklar. Fakt derzeit ist:

Lieferkettengesetz in Deutschland und der EU

Das Lieferkettensorgfaltspflichtengesetz ist in Deutschland seit Januar 2023 in Kraft. Es verpflichtet Unternehmen, innerhalb der Produktionskette auf Menschenrechte und Umwelt zu achten. Seit 2024 gilt es für Unternehmen im Inland mit mindestens 1.000 Beschäftigten. 

Auf europäischer Ebene wurde die EU-Lieferkettenrichtlinie (Corporate Sustainability Due Diligence Directive) im April 2024 vom EU-Parlament beschlossen. Um den Unternehmen mehr Zeit für die Anpassung zu geben, sieht die EU-Richtlinie eine schrittweise Umsetzung vor. Ab 2027 soll es zunächst für Firmen mit mehr als 5.000 Beschäftigten und mehr als 1,5 Milliarden Euro Umsatz weltweit gelten, ab 2028 mit mehr als 4.000 Mitarbeitenden und 900 Millionen Umsatz. Ab 2029 sollen dann Unternehmen ab 1.000 Beschäftigten und einem Umsatz von mindestens 450 Millionen Euro in die Pflicht genommen werden.

Zwei Jahre Zeit für Umsetzung

Nach Inkrafttreten des Gesetzes im Mai dieses Jahres haben die EU-Mitgliedstaaten nun zwei Jahre Zeit, den Beschluss in nationales Recht umsetzen. Das wird bis Juni 2026 der Fall sein. In Deutschland könnte dies durch die Anpassung des bereits bestehenden Lieferkettensorgfaltspflichtengesetzes geschehen. Somit steht eine Reform ohnehin an. Offen bleibt nun, ob es, wie die Aussage von Olaf Scholz vermuten lässt, entsprechend den Vorgaben der EU-Richtlinie reformiert wird oder, dem Vorschlag Robert Habecks folgend, sogar ganz ausgesetzt wird, bis die EU-Richtlinie umgesetzt ist. 

Diesem Vorschlag hatte die SPD-Bundestagsfraktion aber bereits im Juni eine deutliche Absage erteilt. Deren Fraktionschef Rolf Mützenich erinnerte in einer Stellungnahme der SPD-Bundestagsfraktion auf der Plattform X daran, dass die SPD jahrelang an diesem Gesetz gearbeitet habe. Es sei gewohnte Praxis, nationale Regelungen an EU-Recht anzupassen, stellte er klar und bekräftigte: „Die SPD-Fraktion wird sich nicht an einer pauschalen Aussetzung des deutschen Lieferkettengesetzes beteiligen.“

Wie unterscheiden sich EU- und deutsches Lieferkettengesetz?

Derzeit sind von der deutschen Gesetzgebung deutlich mehr Unternehmen betroffen als in der EU-Richtlinie vorgesehen. Hier wird die Firmengröße von 1.000 Beschäftigten erst ab 2029 greifen. Andererseits sieht die EU-Variante zusätzlich zu den Vorgaben des deutschen Gesetzes vor, dass Unternehmen einen Klimaplan zum Erreichen des 1,5-Grad-Ziels erstellen müssen. Und: Auch wenn beide Gesetze Sanktionen in Form von Geldbußen bei Verstößen gegen die Sorgfaltspflichten beinhalten, unterscheiden sie sich deutlich bei der Haftbarkeit. So ist im deutschen Gesetz ausgeschlossen, dass Unternehmen für Sorgfaltspflichtverletzungen haftbar sind. Die EU-Variante lässt dies zu, zum Beispiel könnten Betroffene gegen Unternehmen Schadensersatzansprüche stellen.

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Vera Rosigkeit

hat Politikwissenschaft und Philosophie in Berlin studiert und ist Redakteurin beim vorwärts.

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