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EU-Lieferkettengesetz: Worauf sich das Europaparlament geeinigt hat

Das Europaparlament hat für ein Lieferkettengesetz gestimmt. Es soll Unternehmen künftig für Verstöße gegen Menschenrechte oder Umweltstandards haftbar machen. Trotzdem stehen jetzt noch weitere Beratungen dazu an.
von Jonas Jordan · 1. Juni 2023
Näherinnen in Ägypten verarbeiten Bio-Baumwolle.
Näherinnen in Ägypten verarbeiten Bio-Baumwolle.

Zehn Jahre ist das Rana-Plaza-Unglück inzwischen her. Damals stürzte das Dach einer Textilfabrik in Bangladesch ein. 1.135 Menschen wurden getötet, 2.438 weitere verletzt. Das Europaparlament gedachte in dieser Woche der Katastrophe und stimmte für ein Lieferkettengesetz mit strengeren Regeln für Unternehmen. Mit diesen soll ein ähnliches Unglück künftig verhindert werden. Denn in der Fabrik in Bangladesch hatten auch viele europäische Firmen Textilien für den heimischen Markt produzieren lassen.

Wenn es nach dem Willen der EU-Parlamentarier*innen geht, sollen Unternehmen künftig für die Bekämpfung von Kinderarbeit, Ausbeutung und Umweltverschmutzung entlang ihrer weltweiten Lieferketten verantwortlich sein. Unternehmen werden aufgefordert, negative Auswirkungen in diesen Bereichen zu ermitteln und erforderlichenfalls zu verhindern, zu beenden oder abzumildern. 

Kinderarbeit, Ausbeutung und Umweltverschmutzung verhindern

Außerdem müssen sie die Auswirkungen ihrer Partner*innen in der Wertschöpfungskette auf die Menschenrechte und die Umwelt bewerten, und zwar nicht nur bei den Zulieferer*innen, sondern auch im Zusammenhang mit dem Verkauf, dem Vertrieb, dem Transport, der Lagerung und der Abfallbewirtschaftung und anderen Bereichen.

Diese Regelungen sollen für in der EU ansässige Unternehmen, unabhängig von ihrer Branche, einschließlich Finanzdienstleistungen, mit mehr als 250 Beschäftigten gelten. Ihr weltweiter Jahresumsatz muss gleichzeitig mehr als 40 Millionen Euro betragen, sodass viele kleine und mittelständische Unternehmen davon ausgenommen sind.

Sanktionen drohen

Unternehmen, die die Vorschriften nicht einhalten, sind schadenersatzpflichtig und können von den nationalen Aufsichtsbehörden mit Sanktionen belegt werden. Dazu gehören Maßnahmen wie die namentliche Anprangerung („Naming and Shaming“), die Rücknahme der Waren eines Unternehmens vom Markt oder Geldstrafen in Höhe von mindestens fünf Prozent des weltweiten Nettoumsatzes. Nicht-EU-Unternehmen, die sich nicht an die Regeln halten, werden von der öffentlichen Auftragsvergabe in der EU ausgeschlossen.

„Das ist etwas, was mich nach drei Jahren intensiver Debatte mit sehr großer Freude erfüllt“, kommentierte der SPD-Europaabgeordnete und rechtspolitische Sprecher der Europa-SPD, Tiemo Wölken, das Votum im Parlament. „Wer hier wirtschaften möchte, muss Verantwortung übernehmen, dass Menschenrechte entlang seiner gesamten Lieferkette geachtet werden“, machte der SPD-Politiker deutlich.

SPD-Abgeordneter Wölken: „Es ist ein sehr guter Tag heute“

Dies sei aus seiner Sicht ein zentraler Baustein für eine neue Art des Wirtschaftens in Europa. „Ich bin daher fest davon überzeugt, dass es der richtige Weg hier ist“, sagte Wölken bei einem Online-Pressegespräch am Donnerstagmittag und fügte an: „Es ist ein sehr guter Tag heute, weil er Planungssicherheit schafft.“ Die sozialdemokratische Fraktion im Europaparlament sei „sehr stolz auf dieses Ergebnis“.

Anders sah es bei den Konservativen aus. Denn zahlreiche Abgeordnete der CDU/CSU stimmten gegen die neuen Regelungen für Lieferketten und schlossen sich damit der Kritik von Unternehmensverbänden an. Entsprechend lavierte Axel Voss als zuständiger CDU-Berichterstatter während des Pressegespräches mit Wölken, der ihm bescheinigte „wie ein Löwe“ dafür gekämpft zu haben.

Trilog kann beginnen

Die EU-Kommission hatte das Gesetz im vergangenen Februar vorgeschlagen. Die 27 Mitgliedstaaten einigten sich im Dezember auf eine Position, die den Vorschlag der Kommission etwas abschwächen würde. Nachdem nun auch das Parlament seine Position abgestimmt hat, kann der sogenannte Trilog starten, also die abschließende Beratung zwischen Kommission, Rat und Parlament.

Autor*in
Jonas Jordan
Jonas Jordan

ist Redakteur des „vorwärts“. Er hat Politikwissenschaft studiert und twittert gelegentlich unter @JonasJjo

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