Inland

Klimaschutz im Koalitionsvertrag: „Potenzial, aber auch Gefahren“

Zu wenig, zu schwach: Die Kritik an den Klimavorhaben im Koalitionsvertrag ist groß. Für den Vorsitzenden des Deutschen Naturschutzrings (DNR), Kai Niebert, bietet er aber gute Möglichkeiten, mehr Umwelt-, Natur- und Klimaschutz umzusetzen. Dafür müsse allerdings eines erfüllt sein.

von Kai Doering · 27. April 2025
Sieht Licht und Schatten im Koalitionsvertrag von SPD und Union: Kai Niebert, Präsident des Deutschen Naturschutzrings

Sieht Licht und Schatten im Koalitionsvertrag von SPD und Union: Kai Niebert, Präsident des Deutschen Naturschutzrings

Sie sind nicht nur Präsident des Deutschen Naturschutzrings, sondern auch SPD-Mitglied. Haben Sie schon ihre Stimme beim Mitgliedervotum über den Koalitionsvertrag abgegeben?

Ja, das habe ich direkt nach meiner Rückkehr aus dem Osterurlaub gemacht. Und ich habe für den Koalitionsvertrag mit der Union gestimmt. Und zwar aus drei Gründen: Erstens ist das Investitionspaket eine starke Chance für Deutschland – das richtig zu investieren braucht einen progressiven Teil in der Koalition. Zweitens liest man besonders in den Kapiteln zur Klimapolitik das Ringen der Verhandler*innen zwischen Konservativ und Progressiv – hier braucht es eine kraftvolle sozialdemokratische Stimme in der Koalition, um auch den Umwelt- und Klimaschutz fürs 21. Jahrhundert fit zu machen. Drittens würden von einem Scheitern dieser Koalition die Falschen profitieren .

Umweltverbände üben zum Teil scharfe Kritik am Koalitionsvertrag, vor allem, was den Klimaschutz angeht. Wie sehen Sie das?

Natürlich habe auch ich mir den Vertrag besonders aus dem umwelt-, klima- und naturschutzpolitischen Sichtwinkel angesehen und ich verstehe die Sorgen. Von der Novelle des Heizungsgesetzes über CCS an Gaskraftwerken bis zum Monitoring des Ausbaus der Erneuerbaren Energien liegen durchaus echte Fallstricke im Vertrag. Auf der anderen Seite können mit dem Natürlichen Klimaschutz, dem Ausbau der Elektromobilität oder dem Naturflächenbedarfsgesetz wirklich große Würfe gelingen. Kurz: Mit diesem Koalitionsvertrag liegen viele richtige Werkzeuge auf dem Tisch. Jetzt kommt es darauf an, ob die Werkzeuge genutzt werden, um mit dem richtigen Plan einen wirksamen Klimaschutz  mit Zukunft zu bauen. Dafür braucht es ein starkes Umwelt- und Klimaministerium, und es braucht eine SPD-Bundestagsfraktion, die die Dinge in die richtige Richtung lenkt. Wenn das gelingt, dann kann in dieser Legislatur durchaus guter ein guter Umwelt-, Natur- und Klimaschutz umgesetzt werden.

Ein Kritikpunkt lautet dennoch, dass mit diesem Koalitionsvertrag die Klimaziele nicht eingehalten werden können. Stimmen Sie dem zu?

Vollkommen: Dieser Koalitionsvertrag ist keiner, der das 1,5-Grad-Ziel ermöglicht. Das muss man ganz klar sagen. Zur Wahrheit gehört aber auch, dass auch schon die Ampel keinen 1,5 Grad Vertrag geschmiedet hatte – und dies wohl auch nicht möglich ist, ohne die Gesellschaft zu zerreißen. Wenn es die Regierung aber gut angeht, kann Deutschland mit diesem Koalitionsvertag unter der 2-Grad-Marke bleiben. Mein Eindruck ist, dass die SPD der Union in einigen Punkten entgegengekommen ist, die rhetorisch groß daherkommen, die im Detail aber nicht viel ändern, etwa wenn man sich die Möglichkeit ansieht, CO2-Ausstoß über den Erwerb von Zertifikaten auszugleichen oder bei der Frage der Beteiligungsrechte. Die Union hat hier rhetorisch ihre Skalps bekommen. Nun kommt es aber auf die Umsetzung an: Wird hier materiell Beteiligung und Klimaschutz geschreddert oder nicht. Und das wird ein Ritt auf der Rasierklinge werden.

Inwiefern?

Dieser Koalitionsvertrag bietet eine Menge Interpretationsspielraum: Nehmen wir die Abschaffung des Heizungsgesetzes: Das kann entweder eine sinnvolle Novelle werden oder die Bürger mit durch steigende CO2-Preise explodierende Nebenkosten bei der Miete alleine lassen. Und letzteres können sich weder SPD noch Union leisten. Doch um genau diese Ambivalenzen in die Richtung zu drehen, dass am Ende besserer und vor allem sozialer Umwelt- und Klimaschutz stehen, braucht es ein starkes Standing im Kabinett und in der Fraktion. Deshalb sehe ich das Potenzial, das dieser Vertrag, aber auch die Gefahren.

Worauf kommt es also an in den kommenden vier Jahren?

Eigentlich in erster Linie, die guten Rahmenbedingungen mit Leben zu füllen. Vieles wurde bereits erfolgreich aufgespurt, sowohl auf europäischer als auch auf nationaler Ebene. Und mit dem 500-Milliarden-Investitionspaket hat die künftige Regierung auch das nötige Geld, um Deutschland durch Innovation und gute Weichenstellungen umwelt- und klimapolitisch voranzubringen. Wenn die SPD geschickt agiert, kann sie wirklich etwas für den Umwelt- und Naturschutz rausholen. Ganz persönlich bin ich auch stolz, dass es gelungen ist, das Naturflächenbedarfsgesetz  im Koalitionsvertrag zu verankern.

Worum geht es da?

Nun, diese Idee haben wir erstmals vor zwei Jahren an Olaf Scholuz herangetragen. Die Idee dieses Gesetzes ist, gemeinsam mit den Ländern verbindliche Korridore für den Naturschutz in Deutschland schaffen, in denen Arten in der Klimakrise wandern können, wo wir ein kohärentes System an Naturschutz haben. Um das zu bewerkstelligen, vereinfachen wir die Eingriffsregelung an der anderen Stelle, damit die Maßnahmen, die für den Ausgleich von Eingriffen – egal ob das jetzt ein neues Windrad ist, ein Fahrradweg oder eine Chipfabrik – künftig stärker in diese Korridore gelenkt werden sollen. Und um das gut Umzusetzen, brauchen wir eine sozialdemokratische Umweltpolitik, die mit den Ländern, mit den Naturschützer:innen und mit den Landwirt:innen die grüne Infrastruktur gestaltet. 

Viele sind enttäuscht, weil im Koalitionsvertrag kein Klimageld steht, das für sozialen Ausgleich beim Klimaschutz sorgen könnte. Sie auch?

Ich war langer ein Verfechter des Klimagelds, denke aber inzwischen, dass es auch andere Wege gibt, für Ausgleich zu sorgen, die sogar besser sind. Das Klimageld ist ja im Grunde eine Wette darauf, dass die Akzeptanz für Klimapolitik steigt, wenn man den Leuten Geld zurückgibt. Empirisch zeigt sich da aber kein eindeutiges Bild. Von daher wäre es eine ziemlich unsichere Wette, jetzt viel Geld in ein Klimageld zu investieren und zu hoffen, dass dadurch mehr Akzeptanz für Klimaschutz erzeugt wird. Wenn man diejenigen, die wirklich von sozialen Härten betroffen sind durch den Emissionshandel und eine CO2-Bepreisung im Verkehr und beim Heizen, helfen will, kann man das auch über eine Reform des Wohngeldes machen oder im Verkehrsbereich über ein Mobilitätsgeld nachdenken.

Das Umweltministerium wird in den kommenden vier Jahren wieder von der SPD geführt. Was erwarten Sie von Ihrer Partei?

Erstmal ist es gut, im Umweltministerium wieder die umwelt- und klimapolitische Schaltzentrale dieser Regierung zu haben. In der Ampel war das Thema ja auf vier Ministerien aufgeteilt, mit viel Koordinationsbedarf. Aber genau deswegen braucht es jetzt auch ein stark besetztes Umweltministerium, das auch mit Kompetenz besetzt ist. Daneben muss es aber auch gelingen, die Klimafrage zu einem Thema des Kanzlers zu machen. Über meine Arbeit in den verschiedenen Kommissionen auf Bundesebene habe ich schon den Eindruck bekommen, dass der Umwelt- und Klimaschutz ein Thema ist, für das sich auch Konservative gewinnen lassen. Man muss allerdings eine andere Sprache sprechen als mit Grünen oder mit Naturschützern. Zum anderen sehe ich die riesige Chance, dass wir eine sozialdemokratische Umweltpolitik entwickeln, mit der die Partei glaubwürdig unsere Lebensgrundlagen und unseren Wohlstand schützen kann.

Autor*in
Kai Doering
Kai Doering

ist stellvertretender Chefredakteur des vorwärts. Er betreut den Bereich Parteileben und twittert unter @kai_doering.

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