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EU-Asylrecht aussetzen: Warum der Plan der Niederlande wohl eher scheitert

Die rechte Regierung der Niederlande will Teile des EU-Asylrechts außer Kraft setzen. Dafür müsste sie erst eine große Hürde überwinden. 

von Christian Rath · 19. September 2024
Asylsuchende kommen in Utrecht an.

Asylsuchende kommen in Utrecht an.

Die Niederlande wollen sich nicht mehr an der EU-Asylpolitik beteiligen, das EU-Asylrecht soll nicht mehr in den Niederlanden gelten. Einen entsprechenden Brief hat die Den Haager Asylministerin Marjolein Faber jetzt an die EU-Kommission geschrieben. Faber gehört der Partei PVV des Rechtsextremisten Geert Wilders an, die bei der vergangenen Wahl im November 2023 stärkste Fraktion wurde. 

Das EU-Asylrecht sieht seit 2013 verbindliche Mindeststandards für die Asylanerkennung, das Asylverfahren und die Versorgung der Asylsuchenden vor. Neben politisch Verfolgten erhalten auch Bürgerkriegsflüchtlinge Schutz. Nach langjährigen Verhandlungen wurde im Mai 2024 eine Reform des Gemeinsamen Europäische Asylsystem (GEAS) beschlossen, die aber weiterhin eine individuelle Prüfung aller Asylanträge vorsieht. 

Auch Dänemark hat einen Sonderstatus

Davon will sich die neue niederländische Regierung in Den Haag frei machen. Sie strebt für die Niederlande einen Status an wie Dänemark. Dort gilt das EU-Asylrecht tatsächlich nicht. Diesen Sonderstatus erhielt Dänemark, nachdem 1993 eine Volksabstimmung zum Maastrichter Vertrag der EU gescheitert war. Alle EU-Staaten mussten damals diesem dänischen Sonderstatus zustimmen. In einem zweiten Referendum stimmte die dänische Bevölkerung dann der EU-Reform zu und machte damit den Weg frei für die Einführung des Euro. 

Auch einem niederländischen Sonderstatus müssten alle EU-Staaten zustimmen. Dazu müssten die EU-Verträge geändert oder zumindest ein vertragsähnliches Protokoll beschlossen werden. Dass die anderen EU-Staaten dem niederländischen Antrag entsprechen, ist aber unwahrscheinlich, zumal dann auch bald andere EU-Staaten dem niederländischen Beispiel folgen würden. Ungarns Ministerpräsident Victor Orbán kündigte bereits eine entsprechende Initiative an. Bis auf weiteres müssen die Niederlande also das EU-Asylrecht weiter anwenden. 

Merz ging noch einen Schritt weiter

So gesehen ist der niederländische Schritt weniger radikal als der Plan von CDU-Chef Friedrich Merz zur Zurückweisung aller Asylsuchenden an der Grenze. Merz wollte das EU-Recht unter Berufung auf eine Notlage gemäß Artikel 72 EU-Arbeitsvertrag sofort nicht mehr anwenden. Eine solche Notlagen-Ausnahme muss nicht von den anderen EU-Staaten genehmigt werden. Sie würde aber vom Europäischen Gerichtshof beanstandet, wenn gar keine Notlage besteht (zum Beispiel weil in Deutschland die Zahl der Asylanträge derzeit zurückgeht und nicht steigt). 

Allerdings beruft sich auch die niederländische Regierung auf eine Notlage. Dort geht es allerdings (soweit bisher bekannt) vor allem um Ausnahmen vom niederländischen Recht; die Regierung will in Asylfragen ohne das Parlament agieren. Wenn dann aber auch Maßnahmen beschlossen werden, die gegen EU-Recht verstoßen, müsste auch hier der Europäische Gerichtshof eingeschaltet werden.

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Christian Rath

ist rechtspolitischer Korrespondent.

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