Inland

Scholz an Merz: „Es gibt Grenzen, die darf man nicht überschreiten“

In seiner Regierungserklärung hat Bundeskanzler Olaf Scholz Oppositionsführer Friedrich Merz vorgeworfen, rechtswidrige Vorschläge in der Migrationspolitik zu machen. Scholz warnte zudem vor einer Regierung aus CDU/CSU und AfD nach der Bundestagswahl.

von Kai Doering · 29. Januar 2025
Bundeskanzler Olaf Scholz bei seiner Regierungserklärung: „Über geltendes Recht hinaus darf man nicht gehen.“

Bundeskanzler Olaf Scholz bei seiner Regierungserklärung: „Über geltendes Recht hinaus darf man nicht gehen.“

Über diesen Tag dürfte noch lange gesprochen werden im politischen Berlin und darüber hinaus. Mittags hatte der Bundestag mit einer Feierstunde an die Opfer des Nationalsozialismus erinnert. Anlass war der Holocaust-Gedenktag am vergangenen Montag. „Gehen wir nicht zurück, in eine dunkle Zeit. Wir wissen es besser, machen wir es besser!“ Dieser Appell von Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier hallte nach als die Abgeordneten um 14 Uhr wieder zusammentraten, um über die Morde von Aschaffenburg und die politische Konsequenzen daraus zu diskutieren.

Die Ankündigung von CDU-Chef Friedrich Merz, zwei Entschließungsanträge und einen Gesetzentwurf einzubringen und dabei in Kauf zu nehmen, dass diese mit den Stimmen der AfD beschlossen werden könnten, hatte bereits in den Tagen zuvor für heftige Debatten gesorgt. Sie hoffe auf eine „ehrliche, schonungslose und respektvolle“ Bundestagsdebatte sagte Parlamentspräsidentin Bärbel Bas bei der Sitzungseröffnung, bevor sie Bundeskanzler Olaf Scholz das Wort für seine Regierungserklärung erteilte. Ihr Appell kam nicht bei allen an.

Scholz kritisiert „Vollzugsdefizit“ bei Tat von Aschaffenburg

Die Morde von Aschaffenburg seien ein „abscheuliches, monströses Verbrechen“, betonte Scholz zu Beginn seiner Rede. Der Täter sei wieder jemand gewesen, „der unseren Schutz missbraucht hat“. Er verstehe jeden, der darüber empört sei und er sei es selbst auch, so Scholz. Ursache sei wie bereits in früheren Fällen ein „Vollzugsdefizit. Denn alle vier Straftaten – in Mannheim, in Solingen, in Magdeburg und in Aschaffenburg – hätten mit den bestehenden und von uns verschärften Gesetzen verhindert werden können“.

Es sei deshalb „irritierend“, dass die bayerische Landesregierung versuche, sich aus der Verantwortung zu ziehen. Der afghanischstämmige Täter von Aschaffenburg war ausreisepflichtig. Auch das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (Bamf) hätte schneller handeln müssen, so Scholz. Dass das nicht erfolgt sei, sei „nicht akzeptabel“. Er erwarte deshalb, „dass die Gesetze überall konsequent angewandt werden“. Nur dann gebe es auch Akzeptanz für die gewollte Migration von Fachkräften.

„Über geltendes Recht hinaus darf man nicht gehen.“

Die Bundesregierung habe in den vergangenen Monaten viel getan, um die ungewollte Migration zu begrenzen. Im vergangenen Jahr ging die Anzahl der Asylanträge um 30 Prozent zurück. Zugleich nahm die Zahl der Zurückweisungen an der Grenze deutlich zu. „Wir sind mit den Maßnahmen hart an die Grenze von Verfassung und europäischen Gesetzen gegangen“, betonte Scholz. „Aber über geltendes Recht hinaus darf man nicht gehen.“

Genau das aber plane CDU-Chef Merz mit seinen europa- und grundgesetzwidrigen Vorschlägen. „Das größte Land der EU würde offen EU-Recht brechen, so wie das bislang nur Viktor Orbán in Ungarn wagt“, sagte Scholz. Auch die Signalwirkung für andere Staaten sei fatal. „So etwas hätte kein deutscher Bundeskanzler je getan: Konrad Adenauer nicht, Willy Brandt und Helmut Schmidt nicht, Helmut Kohl nicht und auch Angela Merkel nicht“, zählt Scholz auch die CDU-Kanzler auf. Deutschlands Rolle in Europa müsse eine andere sein. Zudem würden die Gerichte die Gesetze „schon nach wenigen Tagen“ kassieren.

„Es ist nicht gleichgütig, ob man mit den extremen Rechten zusammenarbeitet.“

„Es gibt Grenzen, die darf man als Staatsmann nicht überschreiten“, hielt Scholz Merz entgegen. Dazu gehöre auch die Zusammenarbeit mit der AfD. „Sie haben gesagt, es sei Ihnen gleichgültig, wer Ihren rechtswidrigen Vorschlägen zustimmt“, sagte Scholz. „Aber es ist nicht gleichgütig, ob man mit den extremen Rechten zusammenarbeitet. Nicht in Deutschland.“ Mit seinem Verhalten haben Merz „einen Grundkonsens unserer Republik im Affekt aufgekündigt“.

Für die bevorstehende Bundestagswahl lasse das Schlimmes erahnen. „Wer sagt, mir ist gleichgültig, wer für meine Anträge stimmt, der sagt am Ende auch, mir ist gleichgültig, wer für mich stimmt“, so Scholz. Bei der Bundestagswahl dürfe es deshalb keine Mehrheit für CDU/CSU und AfD geben. „Sonst droht uns eine schwarz-blaue Regierung in Deutschland.“

Klingbeil: „Sie begehen einen historischen Fehler.“

Bei Friedrich Merz stieß der Bundeskanzler mit seinen Worten jedoch auf taube Ohren. „Eine richtige Entscheidung wird nicht dadurch falsch, dass die Falschen zustimmen“, sagte der Oppositionsführer. Wer seinen Vorschlägen nicht zustimme, dokumentiere damit, dass er „ein Ende des Zustroms“ nicht wolle. Wenn die AfD den Anträgen zu einer Mehrheit verhelfe, sei das so.

„Sie begehen einen historischen Fehler“, warnte in der Debatte SPD-Chef Lars Klingbeil. Die Menschen wünschten sich, dass die demokratischen Parteien gemeinsam Lösungen fänden. „Es ist Ihre bewusste Entscheidung, die demokratische Mitte zu spalten.“ Klingbeil sprach von einer „tektonischen Verschiebung“ im Bundestag. „Sie persönlich tragen die Verantwortung dafür.“ Auch Wirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) appellierte an Merz: „Wenn Sie in dieser wichtigen Frage mit der AfD abstimmen, in welchen Frage wollen Sie es dann nicht mehr tun?“

Merz und seine Fraktion erschienen jedoch ungerührt. Am Ende wurde einer ihrer Anträge abgelehnt, der andere angenommen – mit den Stimmen von CDU/CSU, FDP, AfD und BSW sowie denen einiger fraktionsloser Abgeordneter.

Autor*in
Kai Doering
Kai Doering

ist stellvertretender Chefredakteur des vorwärts. Er betreut den Bereich Parteileben und twittert unter @kai_doering.

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