Was die Hochstufung der AfD als „rechtsextremistisch“ konkret bedeutet
Die AfD kann gegen ihre neue Bewertung als rechtextremistisch durch den Verfassungsschutz klagen. Das Verfahren könnte – bis zur letzten Instanz – einige Jahre dauern. Bisher hatte die AfD vor den Gerichten keinen Erfolg.
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Neue Einstufung durch den Verfassungsschutz: Die Bewertung der AfD als „gesichert rechtsextremistisch“ könnte politisch die Brandmauer (Fotomontage) zu dieser Rechtsaußen-Partei stärken.
Das Bundesamt für Verfassungsschutz hat die AfD-Bundespartei jetzt erstmals als „gesichert rechtsextremistische Bestrebung“ eingestuft. Diese Einstufung ist noch nicht rechtskräftig und hat zunächst vor allem politische Wirkungen.
Die AfD-Bundespartei kann gegen die Einstufung als extremistische Bestrebung klagen und wird dies voraussichtlich tun. Zunächst kann die AfD ein Eilverfahren anstrengen, dann das Hauptsacheverfahren. Bis zur Rechtskraft kann das einige Jahre dauern. In erster Instanz ist das Verwaltungsgericht (VG) Köln zuständig, weil das Bundesamt für Verfassungsschutz seinen Sitz in Köln hat. Über eine Berufung entscheidet dann das Oberverwaltungsgericht (OVG) Münster und über eine Revision das Bundesverwaltungsgericht in Leipzig. Ob die Einstufung des Verfassungsschutzes berechtigt ist, wird dabei umfassend geprüft.
Einstufung stärkt politisch die „Brandmauer“ zur AfD
Politische Wirkung kann die Verfassungsschutz-Einstufung aber natürlich heute schon erzeugen. Sie dürfte die von CDU-Politiker Jens Spahn angestoßene Debatte um eine Normalisierung des parlamentarischen Umgangs mit der AfD erschweren und die Stimmen für das Aufrechterhalten einer „Brandmauer“ zur AfD stärken.
Bei der anstehenden Wahl von Ausschussvorsitzenden im Bundestag kommt es rechtlich nicht auf die Einschätzung des Verfassungsschutzes an. Die demokratisch legitimierten Abgeordneten können hier frei entscheiden, wen sie wählen und wen sie nicht wählen wollen. Das hat das Bundesverfassungsgericht im September 2024 entschieden. Die AfD hat keinen rechtlichen Anspruch auf Ausschussvorsitze und einen Vizepräsidenten im Bundestag.
Aufklärung und Warnung für die Wähler
Die Einstufung durch den Verfassungsschutz soll in der öffentlichen Diskussion auch als Aufklärung und Warnung für die Wähler dienen. Dies ist bisher allerdings gescheitert. Die Wahl- und Umfrage-Ergebnisse der AfD sind trotz der Einschätzungen des Verfassungsschutzes ungebremst weitergestiegen. Derzeit ist die AfD im Bund mit 26 Prozent bei Umfragen die stärkste Partei vor der CDU mit 25 Prozent.
In der AfD-Wählerschaft verfing eher die Argumentation der Partei, dass der Verfassungsschutz, der aktuell noch Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD) untersteht, vor allem ein Instrument der etablierten Parteien ist. Dies wurde verstärkt als der bisherige Präsident des Bundesamts, Thomas Haldenwang, bei der vorgezogenen Bundestagswahl (erfolglos) für die CDU kandidierte. Sein Amt ruhte allerdings ab Ankündigung der Kandidatur.
AfD-Funktionä*innen droht Entfernung aus öffentlichem Dienst
Wenn die Einstufung der AfD als extremistische Partei in einigen Jahren rechtskräftig bestätigt sein sollte, so kann dies vor allem Auswirkungen auf AfD-Aktivisten haben. AfD-Mitglieder dürften Probleme bei der Einstellung in den öffentlichen Dienst bekommen, da hier das Gebot der Verfassungstreue gilt, wobei es hier auch auf den Einzelfall ankommt. AfD-Funktionäre müssen dann sogar mit Entfernung aus dem öffentlichen Dienst rechnen. Hiergegen können sie allerdings bei den Verwaltungsgerichten klagen.
Das Bundesamt für Verfassungsschutz begründete seine Einstufung der AfD vor allem mit dem „ethnisch-abstammungsmäßigen Volksbegriff“ der Partei. Gemeint ist, dass die AfD eingebürgerte Deutsche mit Migrationsgeschichte aus muslimisch geprägten Ländern nicht als gleichwertige Angehörige des durch die Partei ethnisch definierten deutschen Volkes akzeptiert. Dies verstoße gegen die Menschenwürde der Betroffenen und verletze damit die freiheitlich-demokratische Grundordnung.
Hass und Hetze gegen Minderheiten
Vorgeworfen wird der AfD aber auch, dass sie generell gegen Ausländer, Muslime und andere Minderheiten hetzt und diese verächtlich macht. So agitierten führende Funktionäre der AfD gegen Migranten und Flüchtlinge, etwa indem sie diese als „Messer-Migranten“ bezeichnen oder ihnen eine ethnokulturell bedingte Neigung zur Gewalt unterstellen. Auffällig ist, dass in der Erklärung des Verfassungsschutzes keine „demokratiefeindlichen Bestrebungen“ der Partei erwähnt werden.
Natürlich wird nun auch der Ruf nach einem AfD-Verbot befeuert. Schließlich sind die Maßstäbe für eine Einstufung als „gesichert extremistische“ Partei und für ein Parteiverbot ganz ähnlich. Allerdings entscheidet über ein Parteiverbot das Bundesverfassungsgericht. Und es ist dabei weder an die Einstufung des Verfassungsschutzes gebunden noch an die gerichtlichen Feststellungen der Verwaltungsgerichte. Solange eine Partei wie die AfD nicht offen für die Abschaffung von Demokratie, Rechtsstaat und Menschenwürde eintritt und dies nur puzzleartig aus Äußerungen von Funktionären geschlossen wird, ist ein Verbotsverfahren langwierig und hat einen unsicheren Ausgang.
Bundesverfassungsgericht entscheidet über Parteiverbot
Ein Verbotsantrag kann nur von den drei Organen Bundestag, Bundesregierung und Bundesrat gestellt werden. Ob ein Antrag gestellt wird, ist eine politische Ermessensentscheidung. Hierbei kann auch die Überlegung einfließen, ob es die Demokratie stärkt, wenn die etablierte Politik einen Antrag auf Verbot der stärksten Oppositionspartei stellt. Vor Einreichung eines Verbotsantrags müssten auch alle staatlichen Spitzel in der AfD abgeschaltet werden, um ein faires Verfahren zu gewährleisten.
Rechtlich möglich wäre auch ein Antrag der drei Organe, der AfD nur die staatliche Parteifinanzierung zu streichen. Auch darüber würde das Bundesverfassungsgericht entscheiden. Der Maßstab wäre der gleiche wie bei einem Parteiverbot. Das Verfahren wäre also gleich aufwendig und langwierig.
Prozesse laufen noch
Bisher waren nur die drei AfD-Landesverbände in Thüringen, Sachsen und Sachsen-Anhalt von den jeweiligen Verfassungsschutz-Landesämtern als gesichert rechtsextremistisch eingestuft worden. In Thüringen verzichtete die AfD auf eine Klage, in den beiden anderen Ländern laufen die Prozesse noch.
Im Bund wurde die AfD vom Bundesamt für Verfassungsschutz 2021 als Verdachtsfall eingestuft. Seit das VG Köln dies 2022 bestätigte, darf diese Einstufung im Verfassungsschutzbericht veröffentlicht werden. Seitdem ist auch die nachrichtendienstliche Überwachung der Partei, unter anderem mit Spitzeln, möglich. Das Oberverwaltungsgericht Münster bestätigte im Mai 2024 die Einstufung als Verdachtsfall. Das Urteil ist aber noch nicht rechtskräftig. Nachdem das OVG keine Revision zuließ, hat die AfD-Bundespartei Nichtzulassungsbeschwerde erhoben, über die das Bundesverwaltungsgericht wohl noch in diesem Jahr entscheiden wird.