Saskia Esken: „Die Digitalpolitik hat einen festen Platz in der SPD bekommen“
Seit diesem Dienstag nutzt Meta Nutzer*innendaten, um seine KI zu trainieren. Saskia Esken kritisiert das deutlich – und zieht im Interview eine digitalpolitische Bilanz ihrer Zeit als SPD-Vorsitzende.
IMAGO/IPON
SPD-Vorsitzende Saskia Esken: Die Politik ist oft der Nachzügler.
Mit der neuen Bundesregierung hat Deutschland erstmals ein eigenständiges Digitalministerium. Verankert ist auch ein echtes „überragendes öffentliches Interesse“ für den Netzausbau. Geht Deutschland nun den Schritt ins digitale Jahrhundert?
Den Schritt ins digitale Jahrhundert sind die Menschen in Deutschland schon längst gegangen. Die Politik ist bei solchen Entwicklungen oft der Nachzügler. Wir müssen jetzt vor allem dafür sorgen, dass wir diesen Übergang mit den Menschen zusammen vollziehen. Wie gestaltet sich die Arbeitswelt von morgen? Wie vermitteln wir digitale Kompetenzen und wie gestalten wir die Zukunft der Künstlichen Intelligenz? Die digitale Transformation ist und bleibt ein Querschnittsthema, dass alle Politikfelder betrifft. Insbesondere der Schutz vor Hass und Hetze im Internet muss gestärkt werden, das ist mir ein großes Anliegen. Das digitale Gewaltschutzgesetz soll künftig einen Beitrag dazu leisten.
Saskia
Esken
Meta will Probleme lösen, an denen es selbst einen wesentlichen Anteil hat.
Für Aufsehen sorgen gerade die sozialen Netzwerke. Facebook und Instagram wollen künftig mit Nutzerdaten ihre KI trainieren. Wie bewerten Sie das?
Die Verwendung der Nutzerdaten zum Training von KI-Sprachmodellen ist eine Grauzone. Die Gerichte haben das berechtigte Interesse von Meta zur Nutzung der Daten zwar bestätigt, man kann der Nutzung der persönlichen Daten aber ebenso berechtigt aktiv widersprechen. Ich habe das getan. Meta will mit Daten Geld verdienen und wir Nutzer sind Teil dieses Geschäftsmodelles in einem geschlossenen System. Facebook und Instagram sollen zu Unterhaltungsmaschinen werden, die Menschen mit KI-generierten Inhalten und KI-generierter Werbung berieseln. Chatbots, die zunehmend soziale und emotionale Bedürfnisse erfüllen, zu Freunden für einsame Menschen werden oder die Aufgaben von Therapeutinnen übernehmen. Meta will damit Probleme lösen, an denen es selbst einen wesentlichen Anteil hat.
Es gab immer wieder Bestrebungen, eine europäische Konkurrenz zu den zumeist amerikanischen Netzwerken aufzubauen. Ist das realistisch?
Realistisch ist eine europäische Konkurrenz nur dann, wenn sie klare Alleinstellungsmerkmale bietet wie etwa Datenschutz, Transparenz und eine Moderation. Wenn sie strategisch und finanziell entschlossen unterstützt wird und nicht versucht, Bestehendes zu „kopieren“, sondern neue Nutzungsmuster adressiert. Ohne diese Voraussetzungen bleibt eine Alternative unwahrscheinlich. Ein möglicher Weg könnte darin liegen, die Dominanz bestehender Netzwerke durch Regulierung – zum Beispiel den Digital Services Act – zu begrenzen und offene, europäische Alternativen gezielt zu fördern.
Saskia
Esken
Wir brauchen mehr Tempo bei der Verwaltungsdigitalisierung, verbindliche Regeln für KI und eine echte europäische digitale Souveränität.
Auf dem Parteitag im Juni werden Sie nicht wieder als SPD-Vorsitzende kandidieren. Wie fällt Ihre digitalpolitische Bilanz aus?
Die vergangenen sechs Jahre waren eine Zeit tiefgreifender technologischer Umbrüche – vom digitalen Lernen in der Pandemie bis hin zur rasanten Entwicklung Künstlicher Intelligenz. Und die SPD hat sich seit ihrem Beschluss „DigitalLeben“ weiterentwickelt. Die Digitalpolitik hat mit dem digital:hub einen festen Platz in der Partei bekommen. Ein Ort an dem Digitalpolitik diskutiert wird und der sich mit der digitalpolitischen Community innerhalb und außerhalb der Partei vernetzt hat. Ich bin stolz darauf, dass ich in dieser Phase als Parteivorsitzende der SPD konsequent für eine sozial gerechte und demokratisch gestaltete Digitalpolitik eingetreten bin.
Was bedeutet das konkret?
Wir haben wichtige Schritte unternommen: Mit dem Digitalpakt Schule haben wir das Fundament für bessere digitale Bildung gelegt – auch wenn wir bei der Umsetzung schneller und verbindlicher hätten sein müssen.
In der Bundesregierung konnten wir zentrale Vorhaben wie das Onlinezugangsgesetz, den Digital Services Act und die Stärkung digitaler Grundrechte vorantreiben. Als SPD haben wir uns immer dafür eingesetzt, dass Digitalisierung nicht allein den Konzernen überlassen wird, sondern den Menschen dient – in ihrer Selbstbestimmung, in der Arbeitswelt und im Alltag.
Gleichzeitig ist mir bewusst: Es bleibt viel zu tun. Wir brauchen mehr Tempo bei der Verwaltungsdigitalisierung, verbindliche Regeln für KI und eine echte europäische digitale Souveränität. Dafür werde ich mich weiterhin engagieren – auch ohne Parteivorsitz.
Die Fragen wurden schriftlich gestellt.
Netzpolitischer Abend der SPD am 27. Mai
Im Rahmen der re:publica lädt die SPD am 27. Mai zu einem Netzpolitischen Abend ins Willy-Brandt-Haus ein. Die SPD-Vorsitzende Saskia Esken diskutiert gemeinsam mit Björn Staschen, Mitinitiator des Projekts „SaveSocial“, Heike Raab, Staatssekretärin in der Staatskanzlei Rheinland-Pfalz und Bevollmächtigte beim Bund und für Europa und Medien sowie Stefan Pforte, Geschäftsführer der Somtxt UG, über die neue Generation sozialer Netzwerke. Beginn ist um 18 Uhr.
Dirk Bleicker | vorwärts
ist stellvertretender Chefredakteur des vorwärts. Er betreut den Bereich Parteileben und twittert unter @kai_doering.