Inland

Studie: Wie Hass im Internet die Demokratie bedroht

Hass im Netz verändert Debatten – sowohl online als auch offline. Eine neue Studie des „Kompetenznetzwerks gegen Hass im Netz“ zeigt deutlich: Es besteht dringender Handlungsbedarf, denn die Folgen für die Demokratie sind bereits jetzt gravierend.

von Finn Lyko · 13. Februar 2024
Hass im Internet wirkt sich auch auf die reale Welt aus – und gefährdet die Demokratie.

Hass im Internet wirkt sich auch auf die reale Welt aus – und gefährdet die Demokratie.

Die von Beleidigungen, Belästigung und Bedrohungen geprägte Debattenkultur im Internet hinterlässt seit geraumer Zeit Spuren in der Gesellschaft, die weit über den digitalen Raum hinausgehen. Was in den vergangenen Jahren bereits an vielen Stellen beobachtet werden konnte, wurde nun in einer neuen Studie des „Kompetenznetzwerks gegen Hass im Netz“ übergreifend bestätigt. Am Dienstag wurde sie in Berlin vorgestellt.

Die repräsentative Befragung beleuchtet die Auswirkungen von Hass im Netz auf den demokratischen Diskurs - mit teils alarmierenden Ergebnissen. Im Rahmen der Studie wurden mehr als 3.000 Internetnutzer*innen ab einem Alter von 16 Jahren dazu befragt, inwiefern sie Hass im Netz wahrnehmen, ob sie selbst davon betroffen sind, welche Folgen das für sie hat und wie sie mit Hass im Netz umgehen. Außerdem wurden die Teilnehmer*innen der Studie dazu aufgefordert, verschiedene politische Forderungen zum Umgang mit Hass im Netz zu bewerten. 

Schwindende Vielfalt in öffentlichen Debattenräumen

Nach Angaben der Studie ziehen sich Menschen, die von Hass im Netz betroffen sind, oftmals nicht nur aus Debatten im digitalen Raum zurück – auch im Offline-Alltag beteiligen sie sich nach negativen Erfahrungen seltener an Diskussionen. So entstehe auch in der öffentlichen Wahrnehmung ein folgenschweres Ungleichgewicht, kritisieren die Autor*innen der Studie: Hass werde immer präsenter und lauter, während die Stimmen der Betroffenen immer leiser und weniger würden.

Was für die betroffenen Einzelpersonen bereits Folgen wie psychische Beschwerden oder Probleme mit dem Selbstbild haben kann, wirkt sich auch auf öffentliche Debattenräume aus. Denn diese verlieren so an Vielfalt, werden einseitiger und somit auch weniger demokratisch. Ein Phänomen, das beispielsweise bereits auf kommunaler Ebene sehr konkrete politische Auswirkungen hat: Aus einer Befragung der Heinrich-Böll-Stiftung aus dem Jahr 2022 geht hervor, dass etwa ein Drittel der befragten Kommunalpolitiker*innen wegen Bedrohungen ihr Verhalten verändert haben, knapp fünf Prozent zogen sich sogar aus der Politik zurück.

Nicht alle gleichermaßen betroffen

Die Ergebnisse der aktuellen Studie zeigen zudem: Hass im Netz kann alle treffen – doch es sind nicht alle gleichermaßen betroffen: jüngere Menschen stärker als ältere, davon wiederum Frauen, Menschen mit Migrationshintergrund und Menschen mit homo- oder bisexueller Orientierung besonders häufig. Gruppen, die bereits außerhalb des Internets marginalisiert sind, werden also auch besonders häufig aus digitalen Räumen gedrängt, was sie wiederum in der Gesellschaft weiter marginalisiert.

Nicht nur die Sorge vor den Auswirkungen, auch die Sorge vor einer Normalisierung solcher Dynamiken nimmt unter Expert*innen zu. Insbesondere mit Blick auf die Medienkompetenz gebe des die Gefahr, dass eine ganze Generation, nämlich die, die mit Hass im Netz in seiner heutigen Form aufwachse, diesen als Normalität empfinde, gibt das Kompetenznetzwerk zu bedenken. Es bestehe ein dringender Handlungsbedarf, der über die überaus notwendige Stärkung von Medienkompetenz hinausgehe.

Medienkompetenz allein ist nicht genug

Eine Mehrheit der Befragten befürwortet solche weiteren Maßnahmen gegen Hass im Netz, etwa, dass Internetkonzerne stärker in die Pflicht genommen und bestehende Gesetze im Internet konsequenter durchgesetzt werden. Ansätze könnten hier das geplante Demokratiefördergesetz, aber auch der ab 17. Februar in Deutschland geltende „Digital Services Act“ der Europäischen Union sein.

Ansätze sie diese seien wichtig, ist das Kompetenznetzwerk überzeugt. Denn Desinformationskampagnen und Hass im Internet wollten durch das „Stummschalten“ vielfältiger Perspektiven gezielt die Demokratie schwächen. Insbesondere in einem Wahljahr wie 2024 sei es also umso dringender, Maßnahmen zur Prävention von Hass im Netz, zur Regulierung der Plattformen und zum Schutz von Betroffenen zu ergreifen.

Autor*in
FL
Finn Lyko

ist Volontärin in der vorwärts-Redaktion.

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4 Kommentare

Gespeichert von max freitag (nicht überprüft) am Mi., 14.02.2024 - 06:50

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Dreck technisch aufzuspüren, zu löschen und den PC des Absenders in Quarantäne zu setzen, im Wiederholungsfall mittels Staatstrojaner ganz stillzulegen. Wir dürfen so etwas nicht auf die leichte Schulter nehmen, sondern mit aller Härte bekämpfen.

Gespeichert von Martin Holzer (nicht überprüft) am Mi., 14.02.2024 - 11:48

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Wie sieht es eigentlich aus mit Parolen wie "Ganz Berlin hasst die AfD", die auf den "Demonstrationen gegen rechts" skandiert wurden? Es das auch verurteilenswerter Hass?

Gespeichert von Helmut Gelhardt (nicht überprüft) am Mi., 14.02.2024 - 13:45

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Die gesamte Politik hat hier jedenfalls in den letzten ca. 15 Jahren die Entwicklung dieses Hass- und Entwürdigungsphänomens buchstäblich verschlafen. Sei es aus Desinteresse, aus falsch interpretierter Meinungsfreit, aus falsch verstandener und absolut übersteigerter Profitmaximierungsfreiheit?! Diese Politik hat dazu geführt und führt noch dazu, dass u.a. Massen von Kindern und Jugendlichen zu seelisch Schwerstkranken wurden und werden. Das ist absolut unverantwortbar und unverzeihlich. Als 70-jähriger und nicht IT-Kundiger verfüge ich nicht über die Kenntnisse darüber, wie man diesen absolut unerträglichen Mist vollständig stummschalten kann. Im Ergebnis stimme ich hier dem letzten Satz des Kommentars von Max Freitag vom 14.02.2024 6:50 h zu. Wenn die Politik weiter schläft und ordnungspolitisch n i c h t strikt eingreift, werden wir geistiger Vergiftung, seelischer Verkrüppelung, körperlicher Zerrüttung, der Verelendung bis Zerstörung der Demokratie gewaltigsten Ausmaßes anheim fallen.

Gespeichert von Tom Kaperborg (nicht überprüft) am Mo., 19.02.2024 - 21:45

Antwort auf von Helmut Gelhardt (nicht überprüft)

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Ich moechte hiwer auch auf Hr. Freitag mit antworten, auf den Sie sich hier auch beziehen. Also Loeschen, Blockieren, mittels Staatstrojaner ausschalten sind ja nun eher diktatorische Massnahmen und entmuendigend. Ich gebe Ihnen recht, dass die sich entwickelte Internetkultur - eigentlich lediglich eine Kommunikationskultur - aufgrund der damit einhergehenden narzisstischen Tendenz der Teilnehmenden, zusehends aus dem Ruder laeuft. Leider ist es dann muehevoll und anstrengend zu korrigieren. Renate Kuehnast hat es uns vorgemacht. Staatstrojaner sind eher zur Ueberwachung von tatsaechlichen Kriminellen, also auch Verfassungsfeinden, da. KI kann so einiges, aber nicht unbedingt zuverlaessig, so koennte "...gestern Bomben Stimmung, Mords's Granate aufgetan" bereits ausgefiltert werdden, obwohl ich nur die Party meinte. KI ist auch nur eine Maschine, klar mit erstaunlichen Moeglichkeiten und mit "manueller" Pruefung der Selektionsergebnisse zur Vorauswahl hilfreich. Das Eingreifen in die sogenannten "Blasen", die ja nur in sich abgeschlossene Informationsraeume sind, sollte durch kontraere von aussen eingestreute Beitraege erfolgen. Denn bleibt aber dort lieber unter sich - eben eine sich selbst verstaerkende Blase ohne Einfluss von Aussen, vervielfaeltigen sich die teils unwahren und verachtenden Beitraege der Blasenmitglieder. MAGA-Trump ist das beste Beispiel dafuer. Ein Informationsmonopol ist halt mit einem offenen Internet nicht zu machen, der Gegenentwurf waere China: Eine kritische BEmerkung und Sie bekommen Besuch; Push-Nachrichten (also ungewollte Infos poppen auf) mit Inhalten wie "Krieg den USA" usw. Ist alles Tatsache. Es hilft nix: Man muss sich auch hier mit jedem einzelnen auseinandersetzten. Wie waere es mit einem Internetfuehrerschein fuer die Menschen im Land? Medienbildung zur Selbstanalyse der angebotenen Des-/Informationen ist die Loesung, genau so wie ich vor 45 Jahren im Gymnasium den Umgang mit Werbung erlernte. Gruesse, T.K., Wirtschaftsinformatiker u. seit 40 Jahren IT-ler.