Keine Experimente! Warum wir ein eigenständiges Digitalministerium brauchen
Deutschland braucht endlich ein eigenständiges Digitalministerium. Wie dieses in der künftigen Bundesregierung aussehen könnte, skizzieren die SPD-Digitalpolitiker Jens Zimmermann und Johannes Schätzl. Ein Vorbild gibt es bereits.
IMAGO / Shotshop
Wie gestalten wir ein Digitalministerium, das wirklich schnell, schlagkräftig und effizient arbeiten kann?
Es ist in aller Munde: das Digitalministerium. Heilsbringer, Utopie oder gleich zum Scheitern verurteilt, je nach Perspektive. Es ist ein Querschnittsthema und deshalb solle es querschnittsmäßig in allen Ministerien bleiben, tönen die einen.
Die anderen fordern: keine weiteren Experimente nach einer missglückten Koordinierung im Kanzleramt und der neuen Teilzuständigkeit im Bundesministerium für Digitales und Verkehr. Und dann gibt es da noch die Verfechter*innen der grundsätzlichen Staatsreform. Eine komplette Transformation der Verwaltung bräuchten wir, eine ganz neue Mentalität, agiles Arbeiten, neue Prozesse, ein „greenfield“. Alles neu, alles schön. Bling bling.
Wir wollen ein klassisches Ministerium
Die eigentliche Frage in diesem Diskussions-Wirrwarr: Wie gestalten wir ein Digitalministerium, das wirklich schnell, schlagkräftig und effizient arbeiten kann? Auch wir plädieren für ein Ende der Experimente in der Digitalpolitik. Genau deshalb wollen wir ein klassisches Ministerium. Ein Ministerium mit eigenem Haushalt, mit klaren Zuständigkeiten und einem fachlichen kompetenten Führungsstab. Denn in der Verwaltungs- und Organisationslogik der Bundesregierung und am Kabinettstisch braucht es einen zuständigen Minister oder Ministerin, die für ihre Themen kämpfen kann.
Wir wollen ein Ende der geteilten Themenkoordinierung zwischen zwei oder mehr Ministerien. Wir wollen ein Ende der Verteilungskämpfe. Niemanden darf es wundern, wenn eine Innenministerin entscheidet, dass eine Tariferhöhung der Polizei notwendig ist und deshalb Geld für die Verwaltungsdigitalisierung fehlt. Das ist ein Fehler im Konstrukt, den es aufzulösen gilt. Wir wollen endlich die Kompetenz und Leidenschaft der zuständigen Beamten und Beamtinnen für die digitalpolitischen Themen bündeln, die derzeit zu oft ein Nischen-Dasein in ihren Häusern fristen.
Es scheitert nicht am Geld
Ein Ja zu einem klassischen Digitalministerium ist eine Antwort auf die Frage, welche Bedeutung Digitalisierung für unsere Gesellschaft hat. Längst umfasst das Thema alle gesellschaftlichen Bereiche, von der digitalen Infrastruktur, zur Verwaltungsdigitalisierung bis zur Datenpolitik und der Plattformregulierung. Diese Themen müssen gemeinsam koordiniert werden.
Auf 16 Milliarden Euro schätzt eine Studie von Agora Digital einen Digitalhaushalt. Eine mächtige Summe, ein Wumms. Eine Zahl, die deutlich macht: Es scheitert nicht am Geld, sondern an Koordinierung und strategischer Prioritätensetzung.
Wir wollen genau diese Themen in einem Ministerium zusammenführen. Mit einer Devise: Tempo! Was der Aufbau eines neuen Ministeriums bedeuten kann, haben wir in dieser Legislatur am Bauministerium gesehen. Deshalb wollen wir eine Zentralabteilung aus einem existierenden Ministerium lösen und als Grundlage nutzen.
Auch eine bereits genutzte Liegenschaft mit entsprechendem Personal soll an das Digitalministerium übergeben werden. Wir bauen Abteilungen nicht neu auf, sondern übernehmen sie direkt aus BMI, BMDV, BMWK und Co. Wir arbeiten mit dem, was bereits da ist, um ab Tag eins der neuen Legislatur arbeitsfähig zu sein. Denn die Digitalisierung kann sich eine erneute Verschleppung nicht leisten.
Digitalpolitik gehört eigenständig an den Kabinettstisch
Das bedeutet: Unabdingbar sind die Zusammenführung der digitalen Infrastrukturthemen sowie der Verwaltungsdigitalisierung, der nationalen und internationalen Digitalpolitik, inklusive der Plattformregulierung, aber auch die Datenpolitik und digitale Innovation.
Aus Koalitionsverhandlungen muss ein klarer Organisationserlass hervorgehen, der auch die nachgeordneten Behörden berücksichtigt. Insbesondere die Bundesnetzagentur muss als digitale Regulierungsbehörde gestärkt werden. Strukturen, wie der GovTechCampus, das Dateninstitut, ZenDis, die Sovereign Tech Agency und weitere müssen aus einer Hand strategisch einbezogen werden.
Heißt das, dass andere Ministerien das Thema Digitalisierung aufgeben können? Nein. Aber Digitalpolitik gehört endlich eigenständig an den Kabinettstisch. Mit einem Minister oder einer Ministerin, die für die Themen brennt – und die sich nicht parallel noch um unsere Wirtschaft, die innere Sicherheit oder Verkehrspolitik kümmern muss.
ist stellvertretender digitalpolitischer Sprecher der SPD-Bundestagsfraktion.