Inland

Minderheitsregierung: Wie SPD und CDU in Sachsen ohne Mehrheit regieren wollen

Es wäre eine Premiere: SPD und CDU haben Gespräche über die Bildung einer Minderheitsregierung in Sachsen aufgenommen. Um künftig Mehrheiten im Landtag zu erreichen, setzen beide Parteien auf ein ungewöhnliches Verfahren.

von Nils Michaelis · 15. November 2024
Henning Homann und Michael Kretschmer

Henning Homann, Co-Vorsitzender der SPD in Sachsen, und CDU-Ministerpräsident Michael Kretschmer am Freitag bei der Pressekonferenz im Sächsischen Landtag.

Die Spitzen von SPD und CDU haben damit begonnen, ein in Sachsen bislang unerprobtes politisches Modell auf den Weg zu bringen: eine Minderheitsregierung. Am Donnerstag hatte der SPD-Landesvorstand dafür grünes Licht gegeben.

Das künftige Kabinett unter Führung von Ministerpräsident Michael Kretschmer (CDU) wird vor der Herausforderung stehen, andere Parteien mit ins Boot zu holen, um Gesetze durchs Parlament zu bringen. Um dies zu erleichtern, bringen die möglichen Koalitionspartner ein sogenanntes Konsultationsverfahren ins Spiel. 

Damit ist gemeint, dass Union und SPD noch vor dem eigentlichen Gesetzgebungsverfahren Einschätzungen bei den Oppositionsparteien zu einzelnen Vorhaben einholen. So sollen zu einem frühestmöglichen Zeitpunkt Mehrheiten angebahnt werden. Kretschmer verglich das Vorgehen mit einer Anhörung. Details müssen noch geklärt werden.

SPD und CDU: Auch weiterhin keine Zusammenarbeit mit der AfD

Sachsens Co-SPD-Landesvorsitzender Henning Homann und Kretschmer machten am Freitag bei einer Pressekonferenz klar, dass entsprechende Anfragen an sämtliche im Landtag vertretenen Parteien gerichtet werden. Sie erklärten aber auch, wo die Grenzen des Verfahrens liegen. „Es wird auch künftig keinerlei Zusammenarbeit mit der AfD geben“, betonte Homann. Im Rahmen des Konsultationsverfahrens werde die AfD keinerlei politischen Einfluss gewinnen.

Will heißen: Die in Sachsen vom Verfassungsschutz als gesichert rechtsextrem eingestufte Partei beziehungsweise ihre Landtagsfraktion soll nicht als Mehrheitsbeschafferin dienen. Wohl aber soll sie dazu gebracht werden, in Sachfragen Farbe zu bekennen. Auch, um der von der AfD gepflegten Selbstdarstellung als ausgegrenzte politische Kraft den Wind aus den Segeln zu nehmen. „Ich mache mir allerdings keine großen Hoffnungen, dass von der AfD etwas Konstruktives kommt“, schob Homann hinterher. 

Und weiter: „Wir beteiligen alle Abgeordneten im Konsultationsverfahren. Alle können ihre Anmerkungen zurückmelden. Aber am Ende bringen die Regierung und die Koalitionsfraktionen nur Gesetze und Anträge ein, die eine demokratische Mehrheit haben.“

„Sachsen braucht eine handlungsfähige Regierung“, begründete Homann den Entschluss seiner Partei, ein schwarz-rotes Minderheitsbündnis zu schmieden. Eben diese Handlungsfähigkeit soll das Konsultationsverfahren herstellen. Homann verbindet damit auch die Hoffnung auf eine andere politische Kultur, bei der die Sache im Mittelpunkt steht. 

Wirtschaft und innere Sicherheit als Arbeitsschwerpunkte

Die konkrete Ausgestaltung eines Koalitionsvertrages zwischen CDU und SPD zeichnet sich bislang nicht ab. Als Schwerpunkte nannte Homann unter anderem die Belebung der Wirtschaft und die innere Sicherheit. „Wir wollen das Leben der Menschen auf vielen Gebieten erleichtern“, so der SPD-Chef. Im Landtagswahlkampf hatte die SPD beispielsweise für die Stärkung des Gesundheitssystems und von Schulen geworben. Details sollen Arbeitsgruppen in den kommenden Wochen klären. 

Sachsen hatte bereits zwischen 2004 und 2009 sowie zwischen 2014 und 2019 eine  Landesregierung aus CDU und SPD. Damals verfügten beiden allerdings gemeinsam über eine Mehrheit im Landtag. Bei der Landtagswahl im September hatte die Koalition von CDU, SPD und Grünen ihre Mehrheit verloren. Im Anschluss daran sondierten CDU und SPD ein Bündnis mit dem BSW, doch die Gespräche scheiterten. Weil beide Parteien eine Kooperation mit der AfD ausschließen und die CDU obendrein nicht mit der Linken zusammenarbeiten will, ist die Neuauflage von Schwarz-Rot die einzige realistische Machtoption im Freistaat.

Weitere interessante Rubriken entdecken

Noch keine Kommentare
Schreibe einen Kommentar

Eingeschränktes HTML

  • Erlaubte HTML-Tags: <a href hreflang> <em> <strong> <cite> <blockquote cite> <code> <ul type> <ol start type> <li> <dl> <dt> <dd> <h2 id> <h3 id> <h4 id> <h5 id> <h6 id>
  • Zeilenumbrüche und Absätze werden automatisch erzeugt.
  • Website- und E-Mail-Adressen werden automatisch in Links umgewandelt.