Unions-Gesetz mit AfD-Stimmen: Das steht am Freitag auf dem Spiel
Nach dem Tabubruch am Mittwoch könnte am Freitag erstmals ein Gesetz mit Stimmen von Rechtsextremen auf den Weg gebracht werden. Worum geht es?
IMAGO / Bihlmayerfotografie
Die Union will den Familiennachzug für eine Gruppe Schutzberechtigter stoppen.
So denkwürdig er auch ist – Merz' Tabubruch von Mittwoch hat zumindest rechtlich keine Auswirkungen. Die Forderung nach dauerhaften Grenzkontrollen bleibt ein populistischer Appell. Anders verhält es sich am Freitag, wenn die Union ein rechtswidriges Gesetz zur Abstimmung stellt. Das Gesetz für die Begrenzung des Zustroms an Migrant*innen hat mit den Stimmen der AfD gute Chancen. Wird es beschlossen, hätten im Bundestag zum ersten Mal nach 1945 Rechtsextreme ein Gesetz auf den Weg gebracht.
Worum geht es und was sind die Bedenken?
Das sogenannte Zustrombegrenzungsgesetz, vollständiger Titel: „Entwurf eines Gesetzes zur Begrenzung des illegalen Zustroms von Drittstaatsangehörigen nach Deutschland“, will zum einen die Begrenzung der Migration im Aufenthaltsgesetz festschreiben lassen. Es fordert, dass Menschen mit eingeschränktem Schutzstatus keine Familienangehörigen mehr nachholen können. Eingeschränkten Schutzstatus haben zum Beispiel viele Syrer*innen, seit 2018 ist ihr Familiennachzug auf tausend Personen pro Monat beschränkt.
Mit dem Stopp des Familiennachzugs würde das Gesetz unter anderem Artikel 6 des Grundgesetzes verletzen, der den Schutz von Ehe und Familie vorgibt. Auch die Europäische Menschenrechtskonvention garantiert das Recht auf Achtung der Familie und würde dadurch verletzt werden.
Mit dem Unions-Gesetz soll auch die Bundespolizei deutlich mehr Spielraum bekommen, um Ausreisepflichtige eigenständig festnehmen zu können oder Gewahrsam anzuordnen. Das würde die Gewaltteilung zwischen Polizei und Staatsanwaltschaft aufweichen: Polizist*innen können in Deutschland keine Haftanträge stellen, dazu haben nur Staatsanwält*innen das Recht. Zudem melden einige Länder wie Berlin und Brandenburg, dass sie gar nicht genügend Plätze für Abschiebegewahrsam hätten.
Auch die Gewerkschaft der Polizei (GdP) hat das Gesetzesvorhaben kritisiert. Die Bundespolizei könne die neuen Befugnisse gar nicht umsetzen, weil gar nicht genügend Kapazitäten zur Verfügung ständen, erklärte Andreas Roßkopf, Vorsitzender der GdP, dem „RedaktionsNetzwerk Deutschland“. „Wenn wir zusätzlich die Haft und Gewahrsam von aufgegriffenen Personen ohne gültige Dokumente beantragen sollen, würden wir als Bundespolizei an unsere Grenzen kommen.“ Es bräuchte mehr Liegenschaften für die Unterbringungen und mehr Personal für die Festnahmen.
Handelt es sich um einen neuen Gesetzesentwurf?
Nein, der Entwurf wurde im Bundestag bereits im September 2024 diskutiert, als Reaktion auf den tödlichen Anschlag in Solingen, bei dem ein mutmaßlicher Islamist drei Menschen tötete und acht weitere verletzte. Die Fraktionen der damaligen Ampel-Koalition legten damals das Sicherheitspaket vor – ein Teil davon wurde später beschlossen. Das Ampel-Gesetz „zur Verbesserung der inneren Sicherheit und des Asylsystems“ sieht vor, dass Straftäter*innen ihren Schutzstatus verlieren. Gleiches gilt für Geflüchtete, die ohne Gründe – wie eine schwere Krankheit oder der Tod eines Verwandten – in ihre Heimat reisen. Auch das Waffenrecht wurde verschärft.
Ein zweiter Teil des Sicherheitspakets aber wurde im Bundesrat blockiert – und zwar von den Union-geführten Ländern. Dabei ging es genau darin um mehr Befugnisse der Sicherheitsbehörden, also Forderungen, die die Union jetzt in ihren Anträgen stellt. Das „Zustrombegrenzungsgesetz“ wiederum fiel damals im Innenausschuss durch. Das Gremium empfahl der Bundesregierung, den Unionsantrag abzulehnen, er wäre damit Geschichte gewesen. Doch dann platzte die Ampel…
Rolf
Mützenich
„Er wird das, was gestern passiert ist, noch viel stärker öffnen.“
Bekommt das Gesetz eine Mehrheit?
Das ist sehr wahrscheinlich. Die AfD will wieder zustimmen. Auch die FDP will zustimmen und hat ihre Meinung offenbar geändert – im November hatte sie nämlich noch gegen das Gesetz gestimmt. Nun bekam der Unions-Antrag am Mittwoch eine denkbar knappe Mehrheit von drei Stimmen. Allerdings hatte sich das Bündnis Sahra Wagenknecht (BSW) enthalten. Das ist am Freitag anders, denn dann wollen auch die zehn BSW-Abgeordneten für das Gesetz stimmen. Gemeinsam könnten CDU/CSU, FDP, AfD und BSW also das Gesetz beschließen. Sollten einige Abgeordnete dieser Parteien nicht abstimmen oder sich enthalten, käme es auf die neun Fraktionslosen an. Sechs von ihnen stimmten am Mittwoch für den umstrittenen Antrag.
Wird das Gesetz angenommen, müsste es auch noch den Bundesrat passieren. Dort ist eine Mehrheit nach derzeitigem Stand fraglich, aber nicht unmöglich. Mit Daniel Günther (CDU) und Kai Wegner (CDU) haben jedenfalls Länderchefs aus den eigenen Reihen der Konservativen angekündigt, nicht für das Gesetz zu stimmen.
Sollte das Gesetz Bundestag und Bundesrat passieren, muss es die Regierung umsetzen. Am Ende wäre noch ein weiterer Präzedenzfall geschaffen: Noch nie zuvor hat eine Oppositionspartei gegen den Willen der Regierung ein Gesetz durchgesetzt.
Was sagt die SPD?
Nach der Abstimmung am Mittwoch forderte CDU-Chef Merz die Fraktionen von Grünen und SPD auf, am Freitag für das Gesetz zu stimmen. Der Unions-Kanzlerkandidat versucht es so darzustellen, dass er auf die Mehrheit mit AfD-Stimmen nur angewiesen ist, weil SPD und Grüne sich verweigern.
Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) kritisierte das scharf. „Ich sage ausdrücklich: An diesem Gesetz hätte er gerne verhandeln können, er hat die Verhandlungen nicht geführt, und er führt sie auch jetzt nicht“, sagte er am Mittwochabend in der ARD-Sendung Maischberger über CDU-Chef Friedrich Merz. „Er schlägt vor, dass man zustimmen kann und es gibt darüber etwas zu bereden.“
Rolf Mützenich, SPD-Fraktionschef, hatte Merz noch am Mittwoch im Bundestag dazu aufgerufen, nicht erneut eine Mehrheit mit der AfD zu suchen. „Verzichten Sie auf diesen Gesetzentwurf morgen“, sagte Mützenich im „Deutschlandfunk“ am Donnertag an Merz gerichtet. „Er wird das, was gestern passiert ist, noch viel stärker öffnen.“