Inland

Gesundheit, Pflege, Rente: Wo sich SPD und Union im Wahlprogramm unterscheiden

Kranken- und Pflegekassen werden teurer, um die gesetzliche Rente tobt ein Streit. Wie sicher ist die soziale Sicherung in Deutschland? Und was planen SPD und CDU/CSU für ihre Zukunft?

von Vera Rosigkeit · 21. Januar 2025
Krankenhaus

Die SPD plant mit einem Finanzausgleich zwischen gesetzlichen und privaten Krankenkassen, die privaten Versicherungen mehr als bisher an Ausgaben zu beteiligen

Die Beiträge zur Kranken- und Pflegeversicherung sind gerade erst gestiegen, schon drohen neue Finanzierungslücken. Auch das gesetzlich garantierte Rentenniveau von 48 Prozent ist nur bis Juli dieses Jahres gesichert. Die Union wirbt laut Wahlprogramm mit mehr netto vom brutto, will die Ausgaben aller Sozialabgaben, die seit Januar 2025 bei 41,9 Prozent liegen, auf 40 Prozent des Bruttolohns begrenzen.

Ob dies zu einer Verschlechterung der Leistungen führt, lässt sich nur erahnen, denn Vorschläge, wie sich ein teurer werdendes System finanzieren lässt, finden sich bei der Union kaum. Bereits im vergangenen Jahr erklärte die Vorstandsvorsitzende des AOK-Bundesverbandes Carola Reimann, dass mit einer Rückkehr zur 40-Prozent-Grenze „insgeheim die Forderung nach Leistungskürzungen für Versicherte und Patienten in der gesetzlichen Krankenversicherung“ einhergehe.

Krankenversicherung

SPD: Die SPD plant das beitragsfinanzierte Umlagesystem zu stärken. Dazu soll der Finanzausgleich zwischen gesetzlichen und privaten Krankenkassen gerechter ausgestaltet werden, indem die privaten Versicherungen sich mehr als bisher an Ausgaben beteiligen. Zum Beispiel beim Vorhalten des Versorgungsangebots. Das betrifft Kosten, die anfallen, um eine Leistung jederzeit in Anspruch nehmen zu können. Diese Kosten werden bislang umfassend von den gesetzlich Versicherten übernommen. Das soll sich ändern. 

Ziel ist ein solidarisches System einer Bürgerversicherung, das allen Menschen gleichen Zugang zu Gesundheitsleistungen ermöglicht. Weiterhin plant die SPD versicherungsfremde Aufgaben im Gesundheitswesen ausreichend aus Steuermitteln zu finanzieren. Dazu gehören z.B. familienpolitische Leistungen, Teile der Palliativversorgung oder Kosten für den Aufbau von Telematikinfrastruktur. Darüber hinaus fordert die SPD eine Reihe von Reformen im Gesundheitswesen.

CDU/CSU: Die Union steht zur „Dualität von gesetzlicher und privater Krankenversicherung“, will aber einen Mentalitätswandel in der Gesundheitspolitik herbeiführen: Miteinander und nicht gegeneinander sei das Gebot der Stunde, heißt es im Wahlprogramm. Inwieweit ein Mentalitätswechsel dazu beitragen kann, steigende Kosten zu begrenzen, wird nicht erläutert. Um die Finanzen der gesetzlichen Krankenversicherung zukunftsfest aufzustellen, wird mehr „Effizienz beim Einsatz von Beitragsgeldern“ angestrebt. Dafür wird eine aus früheren Zeiten bekannte Forderung der Union wieder aufgewärmt: Sie will den Wettbewerb der gesetzlichen Krankenkassen untereinander stärken. 

Aktuell beträgt der allgemeine Beitragssatz 14,6 Prozent (Beschäftigte und Arbeitgeber*innen zahlen jeweils die Hälfte von 7,3 Prozent). Hinzu kommt der Zusatzbeitrag, der seit dem Januar 2025 von den Krankenkassen angehoben wird. Er liegt durchschnittlich bei 2,5 Prozent und wird ebenfalls zur Hälfte von Beschäftigten und Arbeitgeber*innen finanziert.

Pflegeversicherung

SPD: Um die Zukunftsfähigkeit des solidarisch finanzierten Pflegesystems nachhaltig zu sichern, will die SPD auch Steuermittel einsetzen. Zugleich will sie das Nebeneinander von gesetzlicher und privater Pflegeversicherung beenden. Die SPD kündigt als ersten Schritt an, die privaten Pflegeversicherungen in den Risikostrukturausgleich zwischen allen Pflegekassen und damit in eine faire und leistungsgerechte Finanzierung einzubeziehen. 

Ziel ist ein gemeinsames, solidarisch finanziertes Pflegesystem, das allen Menschen eine sichere Versorgung bietet, stabile Beiträge gewährleistet und vor finanzieller Überforderung im Pflegefall schützt. 

CDU/CSU: Die Union spricht im Wahlprogramm von einer klaren Finanzierungsstruktur und setzt auf einen Finanzierungsmix aus gesetzlicher Pflegeversicherung, der betrieblichen Mitfinanzierung, Steuermitteln sowie einer eigenverantwortlichen Vorsorge. Hinzu kommen „bezahlbare“ Pflegezusatzversicherungen, die die „Finanzierungslücke in der Pflege schließen“ sollen. Ob es sich hierbei um privat zu zahlende Zusatzversicherungen handelt, bleibt unklar. In diesem Falle wäre die Ersparnis bei einer möglichen Deckelung bei 40-Prozent in den Sozialversicherungen für Beschäftigte hinfällig, käme aber Arbeitgeber*innen trotzdem zugute. Ein umfassendes Konzept für eine stabile pflegerische Versorgung will die Union allerdings erst erarbeiten.

Aktuell beträgt der Beitragssatz in der Pflegeversicherung 3,6 Prozent. Familien mit mehr als einem Kind unter 25 Jahren zahlen reduzierte Beiträge. Kinderlose Beschäftigte ab 23 Jahren zahlen einen Zuschlag von 0,6 Prozentpunkten hinzu. Der Arbeitgeberanteil liegt bei 1,8 Prozent.

Arbeitslosenversicherung

SPD: Die SPD will mehr Leistungen innerhalb der Arbeitslosenversicherung. Wer sich beispielsweise während einer Phase der Arbeitslosigkeit weiterqualifiziert, soll die Zeit nicht auf die Bezugsdauer des Arbeitslosengeldes angerechnet bekommen. Dadurch verlängert sich der Anspruch auf Unterstützung. Gleichzeitig soll mithilfe guter Regelungen für Kurzarbeit im Zusammenspiel mit Qualifizierung Arbeitslosigkeit vermieden werden. Ziel der SPD bleibt ein Recht auf Weiterbildung und beruflichen Neustart in allen Lebensphasen. Um berufliche Orientierung für junge Menschen zu fördern, soll auch die Arbeit der Jugendberufsagenturen weiter gestärkt werden.

Für diejenigen, die nach Erreichen des Rentenalters noch weiterarbeiten wollen, soll der Arbeitgeber*innenbeitrag zur Arbeitslosenversicherung (und auch der Rentenversicherung) an die Beschäftigten ausgezahlt werden. 

CDU/CSU: Laut Union soll sich die Arbeitslosenversicherung auf ihre Kernaufgaben begrenzen, die sie neben dem Arbeitslosen- und Kurzarbeitergeld in der Beratung, Förderung und Vermittlung von Arbeitslosen sieht. 

Aktuell beträgt der Beitragssatz zur Arbeitslosenversicherung 2,6 Prozent (Beschäftigte und Arbeitgeber*innen zahlen jeweils die Hälfte von 1,3 Prozent)

Rentenversicherung

SPD: Die SPD hält weiterhin an ihrem Plan fest, das Niveau der gesetzlichen Rentenversicherung dauerhaft bei mindestens 48 Prozent zu sichern. Das geltende Gesetz zur Stabilisierung des Rentenniveaus läuft allerdings zum 1. Juli 2025 aus. Schätzungen gehen aktuell davon aus, dass das Rentenniveau ab 2027 unter 48 Prozent und bis 2045 auf 44,9 Prozent sinken wird. Das käme einer Rentenkürzung im Verhältnis zur Lohnentwicklung gleich. 

Klar und deutlich hat sich die SPD bereits zur Entwicklung der Beitragssätze geäußert: Bei der Vorstellung zum Gesetzentwurf des Rentenpakets II, dass im vergangenen Jahr nicht mehr verabschiedet wurde, erklärte Bundesarbeitsminister Hubertus Heil, dass eine Sicherung des Rentenniveaus langfristig zu einer Erhöhung des Beitragssatzes führen werde. Schätzungen gehen davon aus, dass die Beiträge ab 2028 auf 20 Prozent steigen, ab 2035 vermutlich auf 22,3 Prozent.

Ein Anheben des Rentenalters lehnt die SPD ab. Ein Renteneintritt nach 45 Beitragsjahren soll auch künftig ohne Abschläge zwei Jahre früher möglich sein. Die SPD plant langfristig, alle Erwerbstätigen in die Solidarität der gesetzlichen Rentenversicherung einzubeziehen. 

CDU/CSU: Auch die Union will das Rentenniveau sichern, in welcher Höhe sie das tun will, bleibt allerdings unklar. Aus ihrem Wahlprogramm geht lediglich hervor, dass für Menschen, die 45 Jahre Vollzeit gearbeitet haben, die gesetzliche Rente oberhalb der Grundsicherung im Alter liegen muss. Darüber hinaus verspricht die Union ein durch wirtschaftliches Wachstum garantiertes stabiles Rentenniveau und weiterhin steigende Renten. Damit wird das Einkommen im Alter an die wirtschaftliche Entwicklung geknüpft. Gleichzeitig will die Union auch die Beitragssätze stabil halten. Wie sie das schaffen will, diesen Widerspruch aufzulösen, erklärt sie nicht.

Laut Grundsatzprogramm will die CDU die Regelaltersgrenze an die Lebenserwartung koppeln, laut Wahlprogramm will sie an der bestehenden Regelung zum gesetzlichen Renteneintrittsalter festhalten. Die Regelung für besonders langjährig Versicherte (45 Beitragsjahre) scheint hingegen keine Perspektive zu haben.

Der Beitragssatz zur Rentenversicherung liegt seit 2018 konstant bei 18,6 Prozent. (Arbeitnehmer*innen und Arbeitgeber*innen zahlen jeweils die Hälfte von 9,3 Prozent)

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Vera Rosigkeit

hat Politikwissenschaft und Philosophie in Berlin studiert und ist Redakteurin beim vorwärts.

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