Inland

Blick ins Wahlprogramm: Diese Reformen will die SPD für die Gesundheitspolitik

Die SPD fordert eine Reihe von Reformen im Gesundheitswesen – von einer Termingarantie in Arztpraxen bis zu strengeren Auflagen für gesundheitsschädliche Produkte. Was sagen Krankenkasse und Ärztekämmer dazu?

von Finn Lyko · 8. Januar 2025
Eine Reformspritze für das deutsche Gesundheitswesen: Die SPD legte mit ihrem Wahlprogramm umfangreiche Vorschläge dafür vor.

Eine Reformspritze für das deutsche Gesundheitswesen: Die SPD legte mit ihrem Wahlprogramm umfangreiche Vorschläge dafür vor.

Noch sind es rund sieben Wochen bis zur Bundestagswahl, aber der Wahlkampf ist längst eröffnet. Vor dem Hintergrund gerade erst gestiegener Zusatzbeiträge zur gesetzlichen Krankenversicherung und der lange diskutierten Krankenhausreform, die zum Jahreswechsel in Kraft getreten ist, geht es dabei auch um gesundheitspolitische Themen. 

Denn das Gesundheitswesen hat mit erheblichen Herausforderungen zu kämpfen. Der demografische Wandel, die steigenden Kosten, die Digitalisierung: Für all das werden Lösungen gesucht. In ihrem Wahlprogramm erläutert die SPD, wie diese Probleme auf sozialdemokratische Art angegangen werden könnten. „Wir kämpfen für ein Gesundheitssystem, das gerecht ist – für alle, überall im Land“, heißt es dort.

Fokus auf Strukturreformen und Digitalisierung

Konkret geht es den Sozialdemokrat*innen dabei auch um die Begrenzung der finanziellen Belastungen und um eine Termingarantie in Arztpraxen für gesetzlich Versicherte. Auch fordern sie gleiche Wartezeiten und Behandlungsmöglichkeiten für gesetzlich und privat versicherte Patient*innen. Denn, so heißt es im Wahlprogramm: „Versicherte dürfen nicht durch ihre Wahl der Krankenkasse benachteiligt werden“. Außerdem sollen sich die privaten Krankenkassen künftig finanziell am Risikostrukturausgleich beteiligen, der verhindern soll, dass Versicherte unterschiedlicher Altersklassen oder mit unterschiedlichen Erkrankungen unterschiedliche Beiträge zahlen müssen. 

Doch nicht nur die Wahl der Krankenkasse, auch der Wohnort kann aktuell entscheidend über die Qualität der medizinischen Versorgung sein – daher müsse die Versorgungssicherheit insbesondere im ländlichen Raum durch regionale Versorgungsnetze weiter gestärkt werden, heißt es im Wahlprogramm. Dazu gehöre unter anderem eine enge Zusammenarbeit von Praxen, Krankenhäusern und anderen Versorgungseinrichtungen – gegebenenfalls auch unter Einsatz von Telemedizin, die dafür aber verbessert werden müsse, so die SPD.

Auch in anderen Bereichen des Gesundheitswesens wolle die Partei laut Wahlprogramm die Digitalisierung vorantreiben, so beispielsweise durch den Einsatz von künstlicher Intelligenz in der Diagnostik und Dokumentation. Außerdem solle die elektronische Patientenakte (ePA) zu einem „persönlichen Gesundheitsberater“ weiterentwickelt werden und aus den Daten der Akte individuelle Tipps zur Gesundheitsförderung ableiten. Die ePA soll ab Mitte Januar dieses Jahres schrittweise bundesweit eingesetzt werden und alle Patientendaten, die an verschiedenen Orten wie Praxen und Krankenhäusern gesammelt wurden, digital zusammentragen. Zuletzt war sie jedoch wegen erheblicher Sicherheitslücken in die Schlagzeilen geraten.

Kosten sparen durch Prävention

Ein weiterer zentraler Punkt seien Prävention und Früherkennung, heißt es im Wahlprogramm der Sozialdemokrat*innen, denn auch auf diesem Wege können manche Erkrankungen und Kosten vermieden werden. Dafür fordert die SPD unter anderem einen weiteren Ausbau der betrieblichen Gesundheitsförderung und die Einrichtung niedrigschwelliger, teils digitaler, Beratungsangebote für psychische Erkrankungen.

Außerdem will sie den Konsum gesundheitsschädlicher Produkte wie Energy-Drinks, Alkohol oder E-Zigaretten künftig mehr regulieren und durch Werbebeschränkungen und Altersgrenzen stärker einschränken. Hersteller sollen eine Abgabe bezahlen, wenn ihre Getränke besonders viel Zucker enthalten.

Bundesärztekammer fordert Maßnahmen gegen Personalmangel

Ärzten und Krankenkassen reichen diese Vorhaben allerdings nicht weit genug. In den Forderungen der Bundesärztekammer an die zukünftige Bundesregierung spielen zwar Prävention und die Finanzierung des Gesundheitswesens ebenfalls eine Rolle, jedoch daneben auch noch weitere Themen, wie der Personalmangel.

Klaus Reinhardt, seit 2019 Präsident der Bundesärztekammer, sieht das größte Potenzial in den Ärzt*innen im Ruhestand und in einer besseren Koordination der Versorgung. Würde man durch Teilzeitanstellung oder steuerrechtliche Sonderregelungen Anreize für ältere Ärzt*innen schaffen, wieder aus dem Ruhestand zurückzukehren oder länger weiterzuarbeiten, könnte das einen erheblichen Unterschied machen, sagte Reinhardt am Dienstag auf einer Pressekonferenz in Berlin.

Weitere personelle Ressourcen ließen sich auch durch eine bessere Steuerung der Patient*innen gewinnen, erklärte er weiter. Dadurch, dass viele Patient*innen mehrere Ärzt*innen konsultieren, gebe es ein „ungeordnetes Nebeneinander“ in der Versorgung. Im Schnitt komme auf jeden Patienten und jede Patientin 1,5 Hausärzt*innen. Reinhardt schlägt deswegen vor, die Menschen zu verpflichten, sich jeweils auf einen Arzt oder eine Ärztin festzulegen.

AOK-Bundesverband sieht „riesigen Reformbedarf“

Am Donnerstag ging auch der AOK-Bundesverband mit seinen Forderungen an die nächste Bundesregierung vor die Presse. Die Vorstandsvorsitzende Carola Reimann forderte eine Priorisierung der gesundheitspolitischen Themen, denn der AOK-Bundesverband sehe einen „riesigen Reformbedarf“. Das deutsche Gesundheitswesen müsse in vielen Bereichen effizienter und regionaler gestaltet werden.

Jens Martin Hoyer, stellvertretender Vorsitzender des Bundesverbands, nahm auf die Steigerungen der Krankenkassen-Zusatzbeiträge Bezug. Diese seien „historisch kolossal“ – und das, obwohl die Ampel-Parteien die Finanzen der gesetzlichen Krankenversicherungen laut Koalitionsvertrag eigentlich stabilisieren wollten.

Insgesamt viele Gemeinsamkeiten

Auch wenn AOK-Bundesverband, Bundesärztekammer und die SPD verschiedene gesundheitspolitische Aspekte priorisieren, haben sie einige Ziele gemeinsam. In allen Forderungen spiegelt sich zum Beispiel der Wunsch nach mehr Effizienz und Anpassung an die jeweiligen Regionen wider. Was davon nach der Bundestagswahl in welcher Form umgesetzt werden kann, wird wohl das Wahlergebnis entscheiden.

Autor*in
FL
Finn Lyko

ist Volontärin in der vorwärts-Redaktion.

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