Generaldebatte vor der Bundestagswahl: Kanzler Scholz im Wahlkampfmodus
Die Generaldebatte im Bundestag am Dienstag stand im Zeichen des Wahlkampfs. Bundeskanzler Olaf Scholz attackierte seinen Herausforderer Friedrich Merz. Und machte zugleich deutlich, was bei der Bundestagswahl am 23. Februar auf dem Spiel steht.
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Bundeskanzler Olaf Scholz am 11. Februar im Deutschen Bundestag.
Dass der Bundestag zum Ende der Legislaturperiode eine Generaldebatte über die Lage in Deutschland führt, ist längst Tradition. Bei der letzten Sitzung des Bundestages vor der Wahl am 23. Februar kommt es auch an diesem Dienstag zu dem erwarteten Schlagabtausch zwischen Regierung und Opposition.
Die Sorge um die Demokratie schwingt mit
Und doch ist diesmal noch etwas anderes zu spüren, nämlich die Sorge um die Demokratie und über den erstarkenden Rechtsextremismus in Deutschland. Bundestagspräsidentin Bärbel Bas ruft Bürger*innen und Politiker*innen dazu auf, im Engagement für die Demokratie nicht nachzulassen. Und ermahnt „die Politik“, Lösungen für die gegenwärtigen Herausforderungen zu finden.
Welche Lösungsansätze Bundeskanzler Olaf Scholz verfolgt, macht er in seiner Rede zu Beginn der dreieinhalb Stunden langen Debatte deutlich. Zugleich unterstreicht er, was seinen Kurs von dem von Unions-Kanzlerkandidat Friedrich Merz unterscheidet.
Scholz erinnert daran, dass die frühere Ampel-Koalition unter dem Eindruck vieler Krisen gestartet sei, allen voran Russlands Angriffskrieg gegen die Ukraine und die damit verbundenen Verwerfungen für Sicherheit und Wirtschaft.
Olaf Scholz: „Der Wind kommt von vorn“
Aber auch drei Jahre später, angesichts einer aggressiveren Außen- und Handelspolitik der USA unter Donald Trump, komme „der Wind von vorn“. Scholz verspricht den Menschen im Land: „Wir kommen da gemeinsam durch, wenn wir jetzt nicht falsch abbiegen.“ Voraussetzung dafür sei eine starke Mitte in Deutschland, basierend auf Vernunft und Besonnenheit. Dafür gibt es lautstarken Applaus der Fraktionen von SPD und Grünen.
„Führungsstärke, Nervenstärke, klarer Kurs – darauf kommt es in so schweren Zeiten an“, fährt Scholz fort. „Nicht Wankelmut und Sprücheklopfen.“ Der Kanzler blickt dabei in Richtung der CDU/CSU-Fraktion. Und richtet sich dabei ganz besonders an den Fraktionsvorsitzenden Friedrich Merz. Wie schon im ersten TV-Duell am 9. Februar geht Scholz ihn immer wieder direkt und persönlich an. Und stellt vor allem immer wieder Merz' Glaubwürdigkeit infrage, hält ihm Wankelmut vor.
Beispiele dafür liefert der Kanzler reichlich. Zum Beispiel das Lavieren des CDU-Chefs im Hinblick auf die Lieferung von Taurus-Marschflugkörpern an die Ukraine. Zuerst sei er dagegen gewesen und später dafür, habe Russland sogar mit dem Einsatz der Waffe gedroht. Daraus folgert Scholz: „Wer in Fragen von Krieg und Frieden so kopflos daherredet, wer so orientierungslos ist, der sollte keine Verantwortung tragen für Deutschlands Sicherheit.“
Warum Friedrich Merz nicht zu trauen ist
Ein unverantwortliches Vorgehen wirft Scholz dem Kanzlerkandidaten der Union auch in Hinblick auf Europa vor. Mit seiner Forderung nach einer Abschottung der deutschen Grenzen und einer Absage an europäisches Recht gefährde Merz die Solidarität unter den EU-Staaten, so der Kanzler. Im Gegensatz dazu wolle die Sozialdemokratie Recht und Ordnung in der Migrationspolitik durchsetzen, ohne die Menschenwürde zu verletzen und ohne den Zusammenhalt in Europa zu gefährden.
Auch kritisiert Scholz Merz, der Aufsichtsratsmitglied mehrerer Unternehmen ist, in Sachen Wirtschaftspolitik: So habe sich Merz skeptisch gegenüber einer klimafreundlichen Stahlproduktion in Deutschland geäußert. „Wissen Sie eigentlich, was so eine Bemerkung anrichtet?“, fragt er den Oppositionsführer. Und schiebt hinterher: „Wer so leichtfertig daherredet, der gefährdet Arbeitsplätze in Deutschland. Der setzt Wohlstand aufs Spiel.“
Anfangs bemüht sich Merz noch um einen gleichmütigen Eindruck und putzt scheinbar gelangweilt seine Brille. Doch mit jeder weiteren Attacke seitens des Kanzlers werden Merz und die Unionsfraktion dünnhäutiger, wovon auch die vielen Zwischenrufe zeugen.
Die 100-Milliarden-Lücke der Union
Anders als Merz und weitere Redner von Union und FDP später behaupten, zeigt Scholz auch an diesem Tag einen sehr klaren Blick auf die Herausforderungen des Landes. Der Kanzler verweist auf seine Pläne, um die Konjunktur zu beleben: etwa auf den Made-in-Germany-Bonus für Unternehmen, wenn diese in Deutschland investieren. Oder auf die steuerliche Entlastung von Menschen mit kleinen und mittleren Einkommen und der damit verbundenen Stärkung der Kaufkraft. Und auf den Deutschlandfonds, um mehr Investitionen der öffentlichen Hand zu ermöglichen.
Demgegenüber setzten Merz und die Union allein auf Steuersenkungen, erklärten aber nicht, wie die damit verbundene 100-Milliarden-Lücke geschlossen werden soll.
Scholz zeigt sich an diesem Tag voll im Wahlkampfmodus. Und macht zugleich klar, was wirklich gemeint ist, wenn von einer Richtungsentscheidung am 23. Februar die Rede ist.
Scholz wendet sich an die Mehrheit im Land
Die „ganz große Mehrheit“ der Bevölkerung wünsche sich politische Lösungen aus der Mitte und für die Mitte im Land, sagt der Kanzler mit Blick auf den wachsenden Zuspruch für die AfD. Und wirft Merz, der vor zwei Wochen gemeinsam mit der in Teilen rechtsextremen Partei einen Antrag für eine Verschärfung der Migrationspolitik im Bundestag durchgesetzt hat, erneut einen Tabubruch vor.
Dem setzt Scholz mit Blick auf die besagte Mehrheit im Land ein klares Bekenntnis entgegen: „Diesen Bürgerinnen und Bürgern, von denen viele verunsichert sind, gebe ich eine ganz klare Zusicherung: Mit mir als Bundeskanzler und mit meiner Partei bleibt Deutschlands Mitte stark.“
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