Inland

Gas, Atomkraft, Verbrenner: Drei Fehleinschätzungen von Friedrich Merz

Friedrich Merz präsentiert sich oft als Politiker mit einer klaren Meinung und festen Überzeugungen. Ein Blick zurück zeigt jedoch, dass er damit schon häufiger danebenlag.

von Kai Doering · 13. Februar 2025
Liegt mit seiner Überzeugung öfter mal daneben: CDU-Kanzlerkandidat Friedrich Merz

Liegt mit seiner Überzeugung öfter mal daneben: CDU-Kanzlerkandidat Friedrich Merz

„Wir werden nächste Woche in den Deutschen Bundestag Anträge einbringen, die ausschließlich unserer Überzeugung entsprechen.“ Mit diesen starken Worten kündigte Friedrich Merz Ende Januar seinen Tabubruch an, auch auf die Zustimmung der AfD zu setzen. Am Ende kam es nur bei einem Antrag zu einer gemeinsamen Mehrheit mit der in Teilen rechtsextremen Partei. Bei einem Gesetzentwurf verweigerten Teile seiner eigenen Fraktion Merz die Gefolgschaft.

In seiner politischen Karriere hat Friedrich Merz schon viele Dinge mit großer Überzeugung vertreten. Im Rückblick lag er mit seiner Einschätzung aber häufig deutlich daneben.

Fehlannahme 1: Gaslieferungen aus Russland sofort stoppen

Gut zwei Wochen nach Russlands Angriff auf die Ukraine im Frühjahr 2022 forderte Friedrich Merz einen sofortigen Stopp aller Gaslieferungen durch die Pipeline „Nordstream 1“. Dies würde „eine neue Qualität der Sanktionen bedeuten“, nannte der CDU-Vorsitzende als Begründung. Zum damaligen Zeitpunkt flossen jährlich mehr als 50 Milliarden Kubikmeter Gas durch die Pipeline nach Deutschland – knapp zwei Drittel des deutschen Gasverbrauchs. Friedrich Merz war überzeugt: Einschränkungen bei der Gasversorgung müsse man in Kauf nehmen. „Wir sind der Meinung, dass wir das akzeptieren müssen angesichts der Lage, die dort (in der Ukraine, Anm.d.Red.) entstanden ist", sagte er.

Die Bundesregierung unter Führung von Olaf Scholz entschied damals anders. Die Gasspeicher waren leer. Der Wirtschaft wollte man keine Drosselung der Produktion zumuten, genauso wenig den Privatverbraucher*innen eine kalte Wohnung. Als Russland dann in den folgenden Monaten von sich aus die Gasimporte zurückfuhr, reagierte die Regierung mit einer Ausweitung von Flüssiggasimporten, zum Beispiel aus den USA. So konnte mithilfe von Gaseinsparungen die Produktion am Laufen gehalten werden. Niemand musste in seiner Wohnung frieren. Eine „Gaspreisbremse“ sorgte ab 2023 dafür, dass die Preise für die Verbraucher*innen nicht durch die Decke gingen.

Als Russland die Gaslieferung durch „Nordstream 1“ im August 2022 von sich aus einstellte, hatte die Bundesregierung bereits ausreichend Möglichkeiten gefunden, Gas aus anderen Ländern zu beziehen. Zurzeit bezieht die Bundesregierung überhaupt kein Gas mehr aus Russland.

Fehlannahme 2: Atomkraft ist eine Zukunftstechnologie

Es vergeht kaum eine Gelegenheit, bei der Friedrich Merz nicht die Atomenergie preist. Die Abschaltung der bis dato letzten drei aktiven Atomkraftwerke in Deutschland im April 2023 bezeichnet er gern als „Irrsinn“. Auf Betreiben der CDU setzte der Bundestag sogar einen Untersuchungsausschuss ein, der ermitteln sollte, ob die Entscheidung für das Aus der Kraftwerke ausreichend geprüft wurde. Neue Erkenntnisse gab es dabei nicht. Erst im TV-Duell mit Olaf Scholz am vergangenen Sonntag behauptete Merz, ein Weiterbetrieb der drei Kraftwerke hätte die Strompreise deutlich gesenkt. Das jedoch dementieren sowohl Energieexpert*innen als auch Kraftwerksbetreiber vehement.

Stattdessen erklärte etwa der Chef des Energieversorgers „PreussenElektra“, Guido Knott, kürzlich gegenüber „ZDFheute“, dass ein Wiederbetrieb der Atomkraftwerke wirtschaftlich nicht mehr sinnvoll gewesen wäre. „Für uns gibt es kein Zurück mehr“, sagte Knott. Damit spiegelt Deutschland auch einen globalen Trend wider: Im vergangenen Jahr hatte die Atomkraft nur noch einen Anteil von neun Prozent am weltweiten Strommix. Wichtigster Grund: Atomenergie ist bei den Kosten nicht wettbewerbsfähig, zumindest nicht dann, wenn sie nicht stark staatlich subventioniert wird. „Es gibt kein einziges Atomkraftwerk auf der Welt, das sich ökonomisch rechnet“, sagte der frühere Chef von Siemens, Joe Kaeser, im vergangenen November im Interview mit der ARD.

Fehlannahme 3: Verbrenner-Aus zurücknehmen 

Ab 2035 dürfen in der Europäischen Union keine neuen Autos mit Verbrennungsmotor mehr zugelassen werden. Darauf haben sich die Mitgliedsstaaten im vergangenen Jahr geeinigt. Friedrich Merz will das nicht hinnehmen. „Dieses Verbot des Verbrenners muss rückgängig gemacht werden“, forderte der CDU-Vorsitzende bei einer Wahlkampfveranstaltung in Saarlouis im vergangenen Jahr. Schließlich wisse heute niemand, „welche Mobilität in Zukunft wirklich umweltneutral und klimaverträglich entwickelt werden kann“, so Merz‘ Begründung.

Kurz vor der Europawahl startete die CDU sogar eine Online-Abstimmung zum Verbrenner-Aus, die allerdings schon nach einem Tag abgebrochen wurde. Bis dahin hatten sich nämlich mehr als 85 Prozent der Teilnehmenden für ein Verbot des Verbrennermotors ausgesprochen.

Auch aus der Automobilindustrie selbst gibt es keine Unterstützung für Merz‘ Position. „Das Ziel, bis 2035 emissionsfreie Autos zu verkaufen, ist Europas einfachste Industriestrategie für Elektroautos, die den europäischen Unternehmen wichtige Investitionen bringt“, teilte die „Plattform für Elektromobilität“ im Juni mit. In ihr sind Unternehmen wie Renault, Ford, Volvo und Tesla organisiert. Die deutschen Autobauer haben bereits mitgeteilt, die Herstellung von Fahrzeugen mit Verbrennungsmotor für den europäischen Markt bereits deutlich vor 2035 einzustellen.

Die „Plattform für Elektromobilität“ warnt deshalb, dass es „ohne einen kohärenten und klaren Rechtsrahmen nicht möglich sein wird, Investitionen anzuziehen, um ein industrielles Ökosystem für emissionsfreie Mobilität zu schaffen“. Eine Rücknahme beim Verbrenner-Aus, wie von Friedrich Merz gefordert, hätte für die Branche negative Folgen. „Wenn wir jetzt den Rückwärtseingang einlegen, würde dies auch alle industriellen Akteure, (…) die bereits in den Übergang investiert haben, erheblich benachteiligen.“

Autor*in
Kai Doering
Kai Doering

ist stellvertretender Chefredakteur des vorwärts. Er betreut den Bereich Parteileben und twittert unter @kai_doering.

Weitere interessante Rubriken entdecken

Noch keine Kommentare
Schreibe einen Kommentar

Klartext

  • Keine HTML-Tags erlaubt.
  • Zeilenumbrüche und Absätze werden automatisch erzeugt.
  • Website- und E-Mail-Adressen werden automatisch in Links umgewandelt.