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Europawahlkampf: Wie die SPD mit Döner, Sonderzug und Fanshop punktet

Um möglichst viele Menschen für die Europawahl am 9. Juni zu mobilisieren, setzen SPD-Kandidat*innen auf kreative und manchmal auch verrückte Aktionen. Mit beachtlichem Erfolg.

von Jonas Jordan · 4. Juni 2024
Deutschlands liebstes Fast Food: Der Döner-Wahlkampf mit SPD-Generalsekretär Kevin Kühnert (m.) kommt in Berlin gut an.

Deutschlands liebstes Fast Food: Der Döner-Wahlkampf mit SPD-Generalsekretär Kevin Kühnert (m.) kommt in Berlin gut an.

Den Einzug ins Europaparlament wird Frederic Augustin aller Voraussicht nach nicht schaffen. „Dafür müsste schon Willy Brandt wiederauferstehen, dass das passiert“, schätzt er seine Chancen angesichts von Listenplatz 36 realistisch ein. Und doch hat es der Berliner schon geschafft, im Europawahlkampf auf sich aufmerksam zu machen. Das wiederum hat mit einem der beliebtesten Fast-Food-Produkte in Deutschland zu tun, dem Döner. 

Nicht nur Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier, der kürzlich einen Dönerspieß mit auf eine Reise in die Türkei nahm, auch viele junge Menschen schätzen den Döner, sehen sich aber inzwischen mit Preisen von zehn Euro und mehr pro Portion konfrontiert. Augustin wollte das ändern und verkaufte aus seinem Wahlkampfbudget subventionierten Döner für drei Euro, um insbesondere junge Menschen auf die Europawahl aufmerksam zu machen.

Für bezahlbaren Döner

Die Aktion war so erfolgreich, dass er sie kurz darauf gemeinsam mit der Berliner Europaabgeordneten Gaby Bischoff und SPD-Generalsekretär Kevin Kühnert wiederholte. Auch diesmal gab es lange Schlangen vorm Dönerstand. „Am 9. Juni SPD wählen, damit der Döner wieder bezahlbar wird“, fordert Kühnert.

Ganz ohne Döner, aber mit Interesse für grenzüberschreitende Mobilität reisen Augustin, Bischoff und die Brandenburger Europawahl-Kandidatin Marie Glißmann einen Tag lang per Sonderzug durchs Dreiländereck, an dem Deutschland, Polen und Tschechien aneinandergrenzen. Das langfristige Ziel: die grenzüberschreitende Zusammenarbeit bei Mobilität verbessern und durch eine neue EU-Förderrichtlinie neue Fernzug-Verbindungen nach Polen, in die Ukraine und ins Baltikum realisieren. Denn Glißmann kritisiert: Inzwischen gebe es zwar eine Schnellzug-Verbindung zwischen Berlin und München, die ungleich kürzere Strecke zwischen Berlin und Cottbus sei jedoch stellenweise immer noch nur eingleisig befahrbar.

Europäisch mitfiebern

Hamburg liegt ohnehin nicht ganz auf der Strecke. Sonst hätten Glißmann, Augustin und Bischoff am selben Abend noch bei Laura Fricks Public Viewing zum Eurovision Song Contest vorbeischauen können. „Ich bin immer schon ESC-begeistert und habe das als Kind bereits gerne geguckt“, sagt die SPD-Europawahl-Kandidatin aus der Hansestadt.

Laura Frick (Mitte) bei ihrer ESC-Party.

Daher stand für Frick bereits im Dezember fest: Der ESC muss einen festen Platz innerhalb ihres Wahlkampf-Terminkalenders bekommen. Bereits im Vorfeld lobte sie das Gewinner-Lied „The Code“ von Nemo aus der Schweiz: „Das Lied ist ein Plädoyer dafür, dass man gesellschaftliche Erwartungen aufbrechen muss und sollte, um sich selbst zu sein. Nemo identifiziert sich selbst als nicht-binär und ist froh, sich mittlerweile frei zu fühlen. Diese Freiheit und Vielfalt müssen wir in Europa schützen“

Mit Burgertruck und Popcorn-Maschine

Nicht nur Frick in Hamburg, sondern zeitgleich auch bis zu 200 Menschen im thüringischen Schmalkalden feiern den ESC. Mit dabei: ein Burgertruck, eine Popcorn-Maschine und lokale Musikschulen, die ihr Können vor den Augen des SPD-Landesvorsitzenden Georg Maier zeigen durften, bevor es in Malmö richtig los ging. Organisiert hatten das der dortige SPD-Kreisverband und Europawahl-Kandidat Moritz Kalthoff. „Sie haben gesagt: Hey Moritz, wollen wir nicht zusammen eine ESC-Party berichten“, berichtet er im Gespräch mit dem „vorwärts“.

„Wir sind generell verrückt unterwegs“, sagt der Postbote über seinen Wahlkampf. Festmachen lässt sich das sicher auch am Merchandise-Shop, den er auf seiner Homepage betreibt: Das T-Shirt mit dem Aufdruck „Für ein gerechtes Europa“ gibt es für 20 Euro, Socken für fünf Euro, den „Team Kalthoff“-Hoodie für 30 Euro. „Wir wollen einerseits Spenden für die Kampagne reinholen und andererseits mit den Einnahmen auch soziale Projekte vor Ort unterstützten“, erklärt Kalthoff, der Vorsitzender der SPD im Saalze-Holzland-Kreis ist, mit 59 Mitgliedern der kleinste SPD-Kreisverband in Thüringen.

Bestellungen für seinen Shop gibt es jedoch aus ganz Deutschland, getreu Kalthoffs Motto: „Lasst uns die Straßen rot statt blau färben!“ Die Preise sind bewusst günstig gehalten, denn jede und jeder soll die Möglichkeit erhalten, ein Teil der Kampagne zu werden. Die Einnahmen fließen zu jeweils einem Drittel an ein lokales Sportgeschäft, in Kalthoffs Wahlkampfbudget und in soziale Projekte im Plattenbau. „Damit hat die Kampagne auch was bewirkt, wenn ich nicht ins Europaparlament einziehe“, sagt der Kandidat, der auf Platz 26 der SPD-Bundesliste steht.

Autor*in
Jonas Jordan
Jonas Jordan

ist Redakteur des „vorwärts“. Er hat Politikwissenschaft studiert und twittert gelegentlich unter @JonasJjo

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