Meinung

Warum Merz‘ Blockade bei der Reform der Schuldenbremse unverantwortlich ist

Deutschland braucht massive Investitionen, um sicher und zukunftsfähig zu bleiben. Die dafür nötige Reform der Schuldenbremse blockiert CDU-Chef Friedrich Merz. Das könnte für ihn nach hinten losgehen.

von Lars Haferkamp · 10. September 2024
Gerne lautstark: CDU-Chef Friedrich Merz ist weniger an Lösungen für das Land interessiert, sondern vor allem an strategischen Vorteilen für sich und seine Partei.

Gerne lautstark: CDU-Chef Friedrich Merz ist weniger an Lösungen für das Land interessiert, sondern vor allem an strategischen Vorteilen für sich und seine Partei.

In dieser Woche debattiert der Bundestag über den Bundeshaushalt 2025. Im August hatte sich die Ampel-Regierung auf einen entsprechenden Entwurf geeinigt. Dem waren wochenlange Auseinandersetzungen der Koalitionspartner vorangegangen.

Ein Grund für diesen Streit ist die nach wie vor nicht gelöste Frage, wann und wie die Schuldenbremse reformiert werden soll. Während die FDP zurückhaltend auf Reformbemühungen reagiert, ist der Wunsch danach bei SPD und Grünen deutlich ausgeprägter. Konsens ist, das nötige Zukunftsinvestitionen ermöglicht werden müssen. Das gilt für die Wirtschaft und die Infrastruktur ebenso wie für die innere und äußere Sicherheit es Landes.

Zwei-Drittel-Mehrheit nötig

Da die Schuldenbremse in Artikel 115 des Grundgesetzes verankert ist, bedarf es für eine durchgreifende Reform einer Zwei-Drittel-Mehrheit in Bundestag und Bundesrat. Die gibt es nur mit CDU und CSU. Doch Friedrich Merz, Chef der CDU und der Bundestagsfraktion der Union, verweigert sich strikt einer solchen Reform.

Sein Kalkül, vor der Bundestagswahl die Reform der Schuldenbremse nicht mehr anzugehen, folgt einer perfiden Taktik: Die Lage im Land soll sich unter der Ampel-Regierung verschlechtern, damit die Union davon im nächsten Jahr bei der Bundestagswahl profitiert. Erst die Partei, dann das Land, das ist die Taktik des Friedrich Merz. Dass er sich mit dieser durchschaubaren Haltung für das Amt des Bundeskanzlers in den Augen vieler Wähler*innen disqualifizieren könnte, scheint ihm nicht in den Sinn zu kommen.

Wirtschaft fordert Investitionen von 600 Milliarden Euro

Merz‘ Agieren ist auch kein Beleg für die von der Union immer wieder von sich selbst behauptete Wirtschaftskompetenz. Ganz im Gegenteil. Mittlerweile fordert selbst das arbeitgebernahe Institut der Deutschen Wirtschaft (IW) Investitionen in Höhe von 600 Milliarden Euro, um die Konjunktur in Schwung zu bringen und die Infrastruktur zu erhalten. „Bröckelnde Straßen, Schienen und Brücken, mangelhafte Bildungsinfrastruktur, veraltete Gebäude, fehlende Infrastruktur für Strom, Wasserstoff und Wärme: Bundesweit wächst der Investitionsbedarf“, heißt es in einer IW-Studie. Dafür müsse eine Ausnahme von der Schuldenbremse im Grundgesetz festgeschrieben werden.

Doch all das interessiert Friedrich Merz nicht. Ebenso wenig die Herausforderungen für die innere und äußere Sicherheit, die massive Investitionen erfordern, da sind sich die Expert*innen einig. Die SPD fordert seit langem eine Reform der Schuldenbremse, um dringend nötige Zukunftsinvestitionen möglich zu machen. Für die Sozialdemokratie ist der milliardenschwere Investitionsstau auch gegenüber den kommenden Generationen schlicht nicht zu verantworten.

Kritik in der Union an Merz wächst

Diese Einsicht beginnt sich langsam auch in der Union zu verbreiten. Hier wird die Merz-Blockade einer Reform der Schuldenbremse zunehmend kritisch gesehen. Doch die meisten Unionspolitiker*innen, besonders auf der Bundesebene, trauen sich ihre Kritik nur hinter vorgehaltener Hand zu äußern. Zu groß ist die Sorge, Merz, der Widerspruch kaum erträgt, könne zurückschlagen und den politischen Ambitionen der Kritiker*innen einen mächtigen Dämpfer verpassen. Die Mittel dazu hat er: als Vorsitzender der CDU und der Bundestagsfraktion von CDU und CSU, noch mehr als möglicher Kanzlerkandidat der Union.

Doch damit kann Merz die Ministerpräsidenten der CDU nicht einschüchtern. Sie sprechen ihre Kritik an seinem Kurs bei der Schuldenbremse inzwischen offen aus. Zu ihnen gehören etwa Berlins Regierender Bürgermeister Kai Wegner, der Ministerpräsident von Sachsen Michael Kretschmer sowie der Regierungschef von Sachsen-Anhalt Reiner Haseloff. Sie fordern eine rasche Reform der Schuldenbremse, weil weder Länder noch der Bund darauf länger warten können. Sie haben erkannt, dass die dringend nötigen Investitionen jetzt erfolgen müssen und nicht auf den Sankt-Nimmerleins-Tag irgendwann nach der nächsten Bundestagswahl verschoben werden dürfen. 

Thema im Bundestagswahlkampf 2025

Blockiert Friedrich Merz also weiter, könnte er nicht nur wichtige Teile der eigenen Partei gegen sich aufbringen. Sein verantwortungsloses Handeln würde auch Thema im Bundestagswahlkampf 2025 werden. Damit könnte das Ganze für Merz zum Boomerang werden. Noch hofft er, mit dem Thema zu punkten und die Ampel vorzuführen. Doch diese Strategie ist leicht durchschaubar. Auch darüber werden die Wähler*innen am 28. September 2025 ihr Urteil fällen.

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2 Kommentare

Gespeichert von Armin Christ (nicht überprüft) am Di., 10.09.2024 - 12:47

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Ja, wer hat denn der Schuldenbremse zugestimmt ?????
In Berlin gibt es das PPP in Sachen Schulbau und - renovierung - Kostenexplosion !!!
Was ist mit der Autobahngesellschaft ????? Die Verkehrsverbindungen rotten weiter - auß sie führen von den westlichen Küstenländern Richtung Ostland ???????!
Und was gibt es donn sonst noch an dem ganzen PPP-Gedingens ?? Her Merz und seine schwarzen Felsen lauern schon.

Gespeichert von Peter Boettel (nicht überprüft) am Di., 10.09.2024 - 12:55

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Es ist bemerkenswert, in welcher Form Merz immeraufs Neue versucht, die Regierung durch Nachplappern von AfD-Sprüchen vor sich her zu treiben und dabei von seinem alter ego Frei unterstützt wird. Dies geschieht immer wieder durch halbwahre oder sogar unwahre Aussagen, insbesondere hinsichtlich der Migranten.
So z.B. die Behauptung, "es gebe kein zweites Land auf der Welt, das auch nur annähernd – proportional zu seiner Größe – eine solche große Zahl von Flüchtlingen aus Syrien und Afghanistan aufgenommen habe wie Deutschland. ", die eindeutig widerlegt wurde.
https://correctiv.org/faktencheck/2024/09/06/friedrich-merz-cdu-zur-auf…