Inland

Sachsens SPD-Chef Henning Homann: „Die AfD feuert rechte Schlägertrupps an“

Die brutale Attacke auf den SPD-Europaabgeordneten Matthias Ecke könnte nur der Anfang sein. Davor warnt Henning Homann, Co-Vorsitzender der SPD Sachsen. Warum er gerade jetzt eine offensive Auseinandersetzung mit der AfD fordert, erklärt er im Interview.

von Nils Michaelis · 7. Mai 2024
Kundgebung aus Solidarität mit Matthias Ecke in Dresden

Starkes Signal aus Dresden: Nach dem Überfall auf Matthias Ecke solidarisieren sich am 5. Mai Tausende Menschen mit dem SPD-Europaabgeordneten.

Sie haben Matthias Ecke am Montag gemeinsam mit der SPD-Vorsitzenden Saskia Esken im Krankenhaus besucht. Wie geht es ihm?

Es geht ihm den Umständen entsprechend gut, wir rechnen mit einer Entlassung spätestens am Mittwoch. Der schwere Angriff hat ihn gezeichnet. So etwas geht an niemandem spurlos vorbei. Ich bin allerdings überzeugt, dass auch der weitere Genesungsprozess gut verläuft. Matthias Ecke verfolgt die öffentliche Debatte. Die von so vielen Menschen gezeigte Solidarität tut ihm gut. 

Wie haben Sie von dem Angriff erfahren?

Matthias Ecke hat mir nachts eine Nachricht aus dem Krankenhaus geschickt. Anschießend haben wir kurz telefoniert.

Welches Motiv vermuten Sie dahinter?

Die Ermittlungen haben ergeben, dass mindestens einer der Beschuldigten einen rechtsextremen Hintergrund hat und organisiert war. Für das Tatmotiv braucht es also nicht viel Fantasie. Sollte es sich bewahrheiten, dass jener Tatverdächtige Verbindungen zur Partei „Die Heimat“, also der früheren NPD, hat, die eng mit den sogenannten Freien Sachsen verbandelt ist, erwarte ich, dass gegen diese Strukturen vorgegangen wird. 

„Aus Worten werden Taten"

Demokratische Wahlen müssen angstfrei ablaufen können. Wenn die „Freien Sachsen“ dazu aufrufen, Wahlkämpfer*innen zu attackieren, muss das Innenministerium reagieren. Aus Worten werden Taten. Der frühere AfD-Chef Alexander Gauland hat vor einigen Jahren gesagt: „Wir werden sie jagen.“ Genau das erleben wir gerade in Sachsen.

In einer Pressemitteilung betonen Sie und die Co-Landesvorsitzende Kathrin Michel eine Mitverantwortung der AfD. Was heißt das für die weitere politische Auseinandersetzung mit der Partei?

Die AfD hat mit ihrer Rhetorik entscheidend dazu beigetragen, dass sich rechte Schlägertrupps ermutigt fühlen, aktiv zu werden. Die AfD erteilt keine direkten Aufträge zu Gewalttaten, doch sie feuert diese Leute an und fordert so etwas heraus. Auch das muss man klar benennen. 

Reaktionen auf Attacken wie gegen Matthias Ecke verbindet die AfD mit Verschwörungserzählungen. Auf heuchlerische Entschuldigungen folgt der Hinweis, die SPD sei selbst an allem schuld. Entsprechend hat sich Sachsens AfD-Chef Jörg Urban jüngst geäußert. Das ist eine ekelhafte Verdrehung des Täter-Opfer-Schemas. 

Der Faschist Björn Höcke dominiert die gesamte AfD. Auch wenn sie es öffentlich abstreiten oder hinter Worten verstecken: Für diese Menschen ist Gewalt ein legitimes politisches Mittel. Das zeigen die in Sozialen Medien verbreiteten Gewaltaufrufe und Gewaltfantasien der letzten Tage. Es gibt keinen Grund, die AfD an dieser Stelle zu schonen. Sie trägt eine wesentliche Verantwortung, wenn Gewalt im politischen Diskurs eine Rechtfertigung findet.

Klare Worte

„Die AfD hat mit ihrer Rhetorik entscheidend dazu beigetragen, dass sich rechte Schlägertrupps ermutigt fühlen, aktiv zu werden", sagt Henning Homann. Mit der Co-Vorsitzenden Kathrin Michel führt er seit 2021 die SPD Sachsen.

Sachsens SPD-Landeschef Henning Homann

Welche Folgen hat der Angriff auf Matthias Ecke für den Europa-Wahlkampf?

Die SPD wird diesen Wahlkampf unvermindert fortsetzen. Wir freuen uns auf den Zeitpunkt, ab dem Matthias Ecke wieder aktiv einsteigen kann. Das wird sicherlich noch ein wenig dauern. Aber im Moment ist nicht der Wahlkampf das Wichtigste. 

Für Matthias Ecke und uns steht im Mittelpunkt, dass es nicht nur um ihn geht. Innerhalb der ersten Wahlkampfwoche hat es zehn weitere Übergriffe auf Wahlkampfteams in Sachsen gegeben. Allein am ersten Wochenende waren es vier Attacken in Chemnitz und Mittelsachsen, betroffen waren da vor allem die Grünen.

Treffen Sie nun besondere Sicherheitsvorkehrungen?

Selbstverständlich. Wir stimmen uns eng mit dem Landeskrimimalamt, dem Staatsschutz und der Polizei vor Ort ab. Wir haben ein Sicherheitskonzept für unsere Plakatierteams und eine schnelle Reaktionsstruktur. Hierbei steht das sächsische Innenministerium im Wort. 

„Wir werden weitermachen"

Die Polizei wird punktuell Plakatierteams begleiten. Absolute Sicherheit kann es nicht geben. Auch dann nicht, wenn man nur noch größere Gruppen losschickt. Wir werden vorsichtig sein. Und vor allem: Wir werden weitermachen!

Was heißt all das für den nach der Europawahl anstehenden Landtagswahlkampf?

Ich habe schon vor Wochen davor gewarnt, dass die diesjährigen Wahlkämpfe die härtesten seit Jahrzehnten werden könnten. Dass sich meine Befürchtung in Matthias Eckes Fall so brutal bestätigt hat, bestärkt mich in dem Gedanken: Wir laufen Gefahr, dass das, was gerade passiert, erst der Anfang ist. 

Wir dürfen nicht nur auf den Ermittlungserfolg in Dresden schauen. Hinter dieser Tat stecken viele Gruppen und Organisationen, von den sogenannten Freien Sachsen über die Kameradschaften, die Gewalt als legitimes politisches Mittel betrachten. Das sind faschistoide Methoden. Diese Menschen sind bereit, mit allen Mitteln gegen ihre demokratischen Gegner*innen vorzugehen. 

Schlägertrupps, die durch die Straßen ziehen, um Sozialdemokrat*innen niederzuschlagen: Mich erinnert das an die Endphase der Weimarer Republik. Auch bei diesem Punkt müssen wir uns ehrlich machen und die Parole „Nie wieder“ mit Leben füllen: Nazis darf es nicht gelingen, Demokratinnen und Demokraten einzuschüchtern. Mit Bedrohungen fängt alles an. Wir müssen rechtzeitig ein Stoppzeichen setzen.

Wurden Sie im laufenden Wahlkampf ebenfalls bedroht?

Bislang nicht. Aber Bedrohungen haben wohl alle politisch Engagierten irgendwann schon mal erlebt. 

Was wünschen Sie sich angesichts der Bedrohungslage von der Bundespartei?

Faschist*innen sind die Todfeind*innen der Sozialdemokratie. Rechtsextreme Organisationen wissen, dass sie zuerst die SPD bekämpfen müssen, um erfolgreich zu sein. Diese Zusammenhänge sind unserer Partei auf allen Ebenen bewusst. 

„Der Rechtsstaat muss ein klares Signal senden"

Wir erfahren sehr viel Unterstützung und Solidarität. Dass Saskia Esken mehrere Tage in Dresden geblieben ist und wir gemeinsam Matthias im Krankenhaus besucht haben, war ein wichtiges Zeichen. Ich bin stolz auf unsere Partei.

Sachsens CDU-Innenminister Armin Schuster hat angekündigt, sich eng mit den Parteien abzustimmen, um Wahlkämpfende zu schützen. Was erwarten Sie darüber hinaus von ihm?

An die rechtsextremen Schlägertrupps im Land muss das klare Signal gesendet werden, dass der Rechtsstaat ihrer habhaft wird, und zwar ohne Ausnahme, dass die Sache mit den Ermittlungen in Dresden nicht abgeschlossen ist. 

Das ist keine Einzeltat. Wir haben es mit einem flächendeckenden Problem zu tun. Gewalttaten wie diese haben eine Vorgeschichte. Es beginnt mit Bedrohungen, Beschimpfungen und Zerstörungen. Das muss man in aller Klarheit benennen und verfolgen. Da sehe ich in den Innenminister, aber auch die Demokratie insgesamt in der Verantwortung.

Weitere interessante Rubriken entdecken

0 Kommentare
Noch keine Kommentare