Meinung

Angriff auf Matthias Ecke: Wir dürfen nicht länger wegsehen

Der brutale Überfall auf den SPD-Europaabgeordneten Matthias Ecke macht fassungslos. Völlig überraschend kommt er aber nicht. Er sollte jedoch ein Wendepunkt sein.

von Kai Doering · 4. Mai 2024
Wurde krankenhausreif zusammengeschlagen: der SPD-Europaabgeordnete Matthias Ecke

Wurde krankenhausreif zusammengeschlagen: der SPD-Europaabgeordnete Matthias Ecke

Wer in Sachsen Wahlkampf macht, muss wissen, worauf er sich einlässt. Schon seit Jahren gilt die Vorgabe, dass in Gegenden wie der Sächsischen Schweiz niemand allein unterwegs sein soll. Und wer Straßenwahlkampf macht, sollte immer ein Wechsel-T-Shirt dabeihaben, falls sie oder er bespuckt wird. Groß gesprochen wird darüber nicht. Trotzdem weiß es jede*r.

Der Überfall auf Matthias Ecke hat eine neue Qualität

Mit dem brutalen Überfall auf Matthias Ecke am späten Freitagabend ist nun eine neue Qualität erreicht. Nicht nur, weil der sächsische Europaabgeordnete beim Plakatieren für den Wahlkampf derart verprügelt wurde, dass er operiert werden muss, sondern auch, weil der Überfall im Dresdner Stadtteil Striesen geschah, also keiner ländlichen Region, sondern einem Villenviertel, in dem vor allem Familien mit Kindern leben.

Dass Schlägertrupps den Vertreter*innen demokratischer Parteien auflauern, um sie krankenhausreif zu prügeln, lässt Erinnerungen wach werden an eine Zeit, die wir alle für überwunden gehalten haben. Der Überfall auf Matthias Ecke belehrt uns nun auf brutale Art und Weise eines Besseren. Dass es sich dabei keineswegs um ein „Ost-Problem“ handelt, zeigt die Attacke auf zwei Politiker der Grünen in Essen. Am Donnerstagabend wurden hier der dritte Bürgermeister Rolf Fliß und der Bundestagsabgeordnete Kai Gehring beleidigt und geschlagen.

Populist*innen bereiten den Boden für Angriffe wie den in Dresden

Viel zu lange wurden Vorfälle wie diese heruntergespielt, verharmlost und verschwiegen. Dabei steigt die Zahl politisch motivierter Straftaten seit Jahren an. 1.270 rechtsextreme Gewalttaten erfassten die Behörden im vergangenen Jahr. Die Statistik der politisch motivierten Kriminalität für 2023 wird in den kommenden Tagen vorgestellt. Es dürfte neue Höchstwerte geben.

Den Boden für Taten wie die in Dresden bereiten Politiker*innen, die dazu aufrufen, Vertreter*innen anderer Parteien zu „jagen“ oder zu „entsorgen“. Doch reicht die geistige Brandstiftung inzwischen leider über die AfD hinaus. Wenn Politiker*innen der CDU etwa die Ampel-Regierung mit dem Regime der DDR auf eine Stufe stellen oder Bayerns CSU-Ministerpräsident Markus Söder Bundesumweltministerin Steffi Lemke als „grüne Margot Honecker“ bezeichnet, stoßen sie ins selbe Horn wie die Rechtspopulist*innen.

Die Attacke auf Matthias Ecke könnte ein Wendepunkt sein

Es ist deshalb beruhigend zu sehen, dass sich an diesem Tag Vertreter*innen aller demokratischen Parteien bestürzt über den Überfall auf Matthias Ecke zeigen. Die Grünen-Vorsitzende Ricarda Lang erklärte ebenso ihre Solidarität wie Nordrhein-Westfalens CDU-Ministerpräsident Hendrik Wüst. Und auch im Ausland wurde die Tat zur Kenntnis genommen. „Die Verantwortlichen müssen vor Gericht gestellt werden“, forderte die maltesische Präsidentin des Europaparlaments Roberta Metsola.

Die Attacke auf Matthias Ecke könnte deshalb ein Wendepunkt sein. Schluss mit dem schulterzuckenden Wegsehen, Schluss mit der Akzeptanz von Angriffen auf unsere Demokratie. Die Botschaft dieses Tages muss sein: Wer einen von uns angreift, der greift uns alle an. Und wir sind stärker – wenn wir zusammenstehen.

Autor*in
Kai Doering
Kai Doering

ist stellvertretender Chefredakteur des vorwärts. Er betreut den Bereich Parteileben und twittert unter @kai_doering.

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2 Kommentare

Gespeichert von Tom Kaperborg (nicht überprüft) am Mo., 06.05.2024 - 08:49

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Ich wuensche Herrn Ecke gute Besserung und Erholung nach dem feigen und brutalen Anschlag auf ihn - hoffentlich wird er ausser dem Schrecken keine Beeintraechtigungen zurueckbehalten.

Insgesamt hoffe ich, dass die Justiz der Kriminellen habhaft wird und - vieleicht auch wg. Mordversuch - hohe Einschlusszeiten verhaengt, das soll bekanntlich viele Hitzkoepfe nachhaltig abkuehlen. Wir brauchen keinen neuen Stahlhelm und SA zur politischen Auseinandersetzung, dafuer haben wir Demokratie, fuer die sich Herr Ecke mehr einsetzte als 90% der Gesamtbevoelkerung - meine Hochachtung dafuer. Ich ermuntere hin und wieder in zufaellig stattfindenden Gespraechen (zuletzt an der Autowaschanlage) einen jungen Tuerken dazu, doch mit seiner gesamten FAmilie die deutsche Staatsbuergerschaft anzunehmen und waehlen zu gehen. Nur ueberwaeltigende Wahlergebnisse GEGEN die Extremisten auf beiden Seiten des polit. Spektrums lassen solche Ereignisse seltener werden. Raumgebende Schwaeche kann man sich nicht leisten und die Hitleristen in den 1920ern haette man seinerzeit vielleicht besser undemokratisch und prinzipienuntreu endgueltig bekaempft, um es euphemistisch auszudruecken. Hatte da das Reichsbanner seinerzeit nicht mal was vorgeschlagen? Ich bin ein grosser Freund von massivster GEGENGEWALT - hoffentlich durch die Justiz!

Gespeichert von Bernd Schwarz (nicht überprüft) am Mo., 06.05.2024 - 09:56

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Den Aussagen des Artikels kann eigentlich jeder zustimmen . Ergänzen möchte ich :
Die Presse muss Inhalte und Kommunikationsformen überprüfen. Dies bedeutet, dass sich die SPD auch presserechtlich gegen persönliche Angriffe auf den Kanzler wehrt. Sogar ein renommierter Journalist wie Bernd Ulrich hat in der Zeit sehr persönliche und nicht Fakten- basierende Urteile veröffentlicht. Ganz zu schweigen von den emotionalen Kommentaren der Springer Presse zum GEG.
So entstehen unberechtigte Emotionen für die nicht informierte und kompetente Investoren in gasthermen ab 2028 die teure Zeche zahlen werden .