Resolution zum Schutz jüdischen Lebens: „Gut, dass wir ein Ergebnis haben“
Jüdisches Leben in Deutschland schützen und Antisemitismus bekämpfen: Das fordern SPD, CDU/CSU, Grüne und FDP in einer gemeinsamen Resolution. Vorab sorgte der Antrag für Kontroversen. Im Interview erklärt SPD-Fraktionsvize Dirk Wiese, warum die Sozialdemokrat*innen hinter dem Papier stehen.
imago/Seeliger
Zivilgesellschaftliches Engagement gegen Antisemitismus: Am Jahrestag des Anschlags auf die Synagoge der Kahal Adass Jisroel Gemeinde in Berlin versammeln sich Menschen zu einer Mahnwache.
Am Donnerstag will der Bundestag eine Resolution von SPD, CDU/CDU, Grünen und FDP zum Schutz jüdischen Lebens in Deutschland beschließen. Sie soll ein Zeichen der Gemeinsamkeit im Kampf gegen Hass und Antisemitismus sein. Doch nun gibt es öffentlichen Streit. Was ist schiefgelaufen?
Es ist wichtig, dass der Bundestag in der Woche des Jahrestages der sogenannten Reichspogromnacht ein parteiübergreifendes gemeinsames Signal zum Schutz jüdischen Lebens in Deutschland setzt. Die SPD-Bundestagsfraktion steht hinter dieser Resolution. Wir haben steigende Zahlen antisemitischer Übergriffe. Menschen jüdischen Glaubens haben Angst, ihre Kinder in die Schule oder Kita zu schicken. In diesem Kontext muss man die Resolution sehen.
Amnesty International und der Deutsche Kulturrat haben einige Punkte im Text kritisiert. Hätte man zivilgesellschaftliche Akteur*innen bei der Erarbeitung der Resolution stärker einbinden sollen?
Wir haben mit Vertretern vieler Initiativen gesprochen und Einschätzungen eingeholt. Unterm Strich ist es wichtig, dass die demokratischen Fraktionen des Bundestages ein parteiübergreifendes Signal senden. Menschen jüdischen Glaubens fragen sich zunehmend, ob sie in diesem Land noch eine Zukunft haben. Diese Angst und diese Sorgen zu adressieren, ist richtig.
Über gewisse Punkte des Antrags gab es eine breite öffentliche Debatte. Manche Dinge, die vielleicht in den Text hineininterpretiert werden, kann und sollte die Resolution nicht lösen. Zum Beispiel, dass es in der Wissenschaft eine Debatte über die Frage gibt, wie Antisemitismus zu definieren ist.
Die Formulierung in unserem Antrag folgt der Antisemitismus-Definition der International Holocaust Remembrance Alliance, die übrigens keine rechtliche Bindungskraft entfaltet. 2019 gab es dazu einen Bundestagsbeschluss, 2017 hatte sich das Bundeskabinett entsprechend festgelegt. Viele, die die Resolution kritisch sehen, haben das offenbar nicht bedacht. Das hat mich sehr überrascht.
Dirk Wiese
Kritik an Israel, die mit der an anderen Ländern vergleichbar ist, ist und bleibt auch weiter völlig legitim
Nicht nur Amnesty International bemängelt, dass der Begriff Antisemitismus im Resolutionstext zu vage bleibt oder zu weit gefasst ist. Behörden, die über die Förderung von kulturellen Projekten befinden, die möglicherweise die Politik der israelischen Regierung kritisieren, würden demnach viel Spielraum bei ihrer Entscheidung bekommen. Können Sie diese Kritik nachvollziehen?
Nein. Wir haben sehr deutlich gemacht, wie hoch der Stellenwert der Kunstfreiheit ist. In diesem und anderen Punkten des Antrags beziehen wir uns auf den Beschluss der Kulturministerkonferenz vom Frühjahr.
Auch aus der SPD-Bundestagsfraktion kommen kritische Wortmeldungen. Die Abgeordnete Nina Scheer moniert, die Resolution könne es erschweren, Israels Regierung zu kritisieren. Der Resolutionstext versperre die Benennung und Aufarbeitung möglichen Völkerrechtsbruchs und verstoße damit gegen Verfassungsrecht. Was sagen Sie dazu?
Weder unsere Resolution noch vorherige Beschlüsse erschweren es, die israelische Regierung zu kritisieren. Kritik an Israel, die mit der an anderen Ländern vergleichbar ist, kann und darf nicht als antisemitisch betrachtet werden und ist und bleibt auch weiter völlig legitim. Die größten Kritiker der israelischen Regierung gehen in Israel auf die Straße.
Einige Seiten haben angemerkt, die Resolution stelle einen Zusammenhang her zwischen dem Schutz jüdischen Lebens hierzulande und der Politik des Staates Israel. Schon das sei antisemitisch. Beispielsweise wird im Text unter anderem ein Eintreten Deutschlands für die „legitimen Sicherheitsinteressen“ Israels gefordert. Wie schätzen Sie das ein?
Menschen jüdischen Glaubens hier in Deutschland in Mithaftung zu nehmen für die israelische Politik, geht nicht. Man muss sich immer wieder klarmachen: Es geht hier um keine außenpolitische Resolution, sondern um einen innenpolitischen Antrag zum Schutz jüdischen Lebens in Deutschland. Aufgrund der aktuellen Situation konnten wir gewisse außenpolitische Aspekte aber nicht ausblenden und haben sie kurz angerissen. So setzt sich die Resolution zum Beispiel dafür ein, die Anstrengungen für eine Zwei-Staaten-Lösung im Nahen Osten zu verstärken. Das will ich unterstreichen.
An welchen Stellen des Entwurfs würden Sie sich Änderungen wünschen?
Es ist ein gemeinsamer Text von CDU, CSU, FDP, Grünen und SPD. Über jede Formulierung haben wir intensiv gesprochen. Jeder musste Zugeständnisse machen und Kompromisse eingehen, um ein gemeinsames Zeichen aus dem Deutschen Bundestag zu setzen. So ist das in einer Demokratie.
Die Betonung des Antisemitismus, der im Zuge der verstärkten Migration aus dem arabischen Raum, virulent geworden sei, erinnert mehr an den Tonfall von CDU und CSU als an „SPD pur“.
Hätte die SPD diese Passage verantwortet, hätte sie sicherlich anders geklungen. Da muss man ehrlich sein. Am Ende war es entscheidend, gemeinsam durch die Tür zu gehen.
Wie viel SPD steckt in diesem Papier?
Viel. Etwa, dass der Schutz jüdischen Lebens klar als Ziel definiert wird und wir die Gefahren des Rechtsextremismus benennen. Dass wir gegen jede Form von Antisemitismus aufstehen. Dass wir deutlich machen, dass Antisemitismus schon lange in der Bundesrepublik Deutschland zu finden ist, und zwar in unterschiedlichen Bereichen der Gesellschaft.
Josef Schuster, der Präsident des Zentralrats der Juden in Deutschland, kritisierte die „langen, zum Teil irritierenden und nicht immer nachvollziehbaren Verhandlungen“. Warum hat es ein Jahr gedauert, um die Resolution auf den Weg zu bringen?
Wenn man mich vor einem Jahr gefragt hätte, hätte ich gesagt, wir setzen uns zusammen und finden schnell eine Lösung. Dass dieser Prozess so lange gedauert hat, hätte ich nicht gedacht, zeigt aber auch die Bandbreite der unterschiedlichen Positionen in den demokratischen Parteien. Aber ich mache jetzt einen Strich darunter und sage, es ist gut, dass wir ein Ergebnis haben.
Was muss nun passieren, um die Wogen zu glätten?
Es ist wichtig, dass wir morgen im Deutschen Bundestag eine breite Debatte über den interfraktionellen Antrag haben. Von der SPD-Bundestagsfraktion werden Vertreter unterschiedlichster Fachbereiche wie Kultur, Bildung und Außenpolitik sprechen. Es ist wichtig, als demokratische Kraft gerade im Hinblick auf den Jahrestag der Pogromnacht vom 9. November ein geschlossenes Signal nach außen zu setzen. Die Haltung der SPD-Bundestagsfraktion ist klar.
Unglücklich
Auch wenn Dirk Wiese sagt "Kritik an Israel ............ ist und bleibt auch weiter völlig legitim" so fürchten viele, daß diese Resolution dazu benutzt werden wird kritische Stimmen mundtod zu machen. Gerade in einer Zeit in der der grauenhafte Überfall der Hamas als Rechtfertigung von Verwüstung und Massentötung benutz wird.
Ich lernte mal: Antisemitismus ist wenn man was gegen Juden hat weil sie Juden sind (eine klipp und klare Definition ! da braucht es keine Geeierresolution)