Gewerkschaften: Warum sich die IG Metall in den Wahlkampf einmischen will
Die IG Metall stellt Forderungen an die Parteien im Bundestagswahlkampf. Dazu zählen sichere Arbeitplätze und eine Energiewende, damit die deutsche Industrie wettbewerbsfähig bleibt. Außerdem Investitionen und eine Regierung, die Tempo macht.
picture alliance/dpa | Christian Brahmann
Die Automobilindustrie werde zu einer Schicksalsfrage der deutschen Industrie, erklärt Christiane Benner von der IG Metall. Seit Anfang Dezember wird bei VW gestreikt.
Rund acht Millionen Arbeitsplätze hängen in Deutschland von der Industrie ab. Damit ist sie ein wichtiger Eckpfeiler für Beschäftigung, zumal es „kein alternatives Geschäftsmodell zur Industrie“ gibt, so zumindest formulierte es IG-Metall-Chefin Christiane Benner am Dienstag in einem virtuellen Pressegespräch. Zuvor war der Vorstand der IG Metall zusammengekommen, um Forderungen zu beschließen, mit denen die größte Einzelgewerkschaft Deutschlands die politischen Parteien und ihre Kandidat*innen in den nächsten Wochen konfrontieren will.
Denn, so stellte Benner klar, der kommende Wahlkampf „darf kein Wettkampf darüber werden darf, wer die schrillsten Töne bei Themen wie Migration oder Bürgergeld anschlägt“. Für die Erste Vorsitzende müsse es vielmehr um die Frage gehen, wie industrielle Wertschöpfung und Arbeitsplätze erhalten werden können. Dazu zählt, „wie wir unser Wirtschaften, Arbeiten und Leben gerechter, sicher und fair gestalten“. Das sei laut Benner die Messlatte, „die wir an Parteien und ihre Programme anlegen“.
Krise bei VW als Schicksalsfrage
Von der nächsten Regierung fordert die Gewerkschaft vor allem einen massiven Ausbau von erneuerbaren Energien und der Stromnetze. Zusätzlich müsse auch die Kapazität bei Wasserstoff erhöht werden. „Mehr Investitionen und Energiekosten, die wettbewerbsfähig sind“, seien laut Jürgen Kerner zentrale Forderungen der IG Metall. Papiere, so der Zweite Vorsitzende, seien genug geschrieben, „jetzt ist Zeit zu handeln“.
Mit Blick auf die Krise bei VW forderte auch Benner mehr Tempo: „Die Automobilindustrie wird zu einer Schicksalsfrage der deutschen Industrie“, sagte sie. Ein Förderpaket als Konjunkturprogramm wäre für den erfolgreichen Umbau richtig. „Wir wollen keinen Aktionismus“, sagte Benner. Eine Idee sei, den Kauf von Elektrofahrzeugen über steuerliche Absetzbarkeit zu fördern, allerdings gestaffelt nach Einkommensgruppen. Die Förderung sollte aber nur für Fahrzeuge gelten, die in der EU gefertigt werden. Benner will zudem, Elektroautos „stammtischfähig machen“. Was bedeutet, dass sie für normale Einkommen erschwinglich sind. Für Benner ist das ein Betrag zwischen 20.000 bis 25.000 Euro.
Mehr Kurzarbeit und Qualifizierung
Dass die Umbrüche in der Industrie auch den Arbeitsmarkt betreffen, auch darauf wies die Gewerkschaftsfrau hin. Der Wandel müsse mit einer aktiven Arbeitsmarktpolitik begleitet werden. Eine Kernforderung der IG Metall lautet, die Bezugszeit beim Kurzarbeitergeld über die jetzigen zwölf Monate hinaus zu verlängern und bestehende Instrumente zur Qualifizierung weiterzuentwickeln. „Wir brauchen Chancen, um die Leute länger in den Unternehmen zu halten“, so Benner.
Eine weitere Forderung, die man „in diversen Industriegipfeln immer wieder vorgebracht“ habe, betrifft die Reform der Schuldenbremse. Es gebe Herausforderungen in Deutschland, die anders nicht zu stemmen seien, „weil wir sonst nicht zukunftsfähig in Deutschland sind“, betonte Benner.
Reform der Schuldenbremse
Auch Kerner erklärte, das Deutschland gemessen an seiner Wirtschaftskraft unter dem EU-Durchschnitt in seine öffentliche Infrastruktur investiere. Staus, dauerhaft verspätete Züge, marode Schulgebäude und fehlende Wohnungen seien die Folge. Für die IG Metall wiederholte Kerner die Forderung nach einem Investitionspaket des Bundes mit einem Volumen von 600 Milliarden Euro über zehn Jahre. 30 Milliarden Euro in den kommenden fünf Jahren legte Kerner zusätzlich für die Dekarbonisierung der deutschen Industrie obendrauf. Ob man das nun Deutschlandfonds oder Sondervermögen Transformation nenne, spiele dabei keine Rolle, räumte Benner ein. „Hauptsache, es passiert etwas.“
Aber nicht nur vor der Bundestagswahl will die IG Metall ihre Forderungen einbringen, sondern auch während der anschließenden Sondierungsgespräche und Koalitionsverhandlungen. Für den 15. März 2025 hat die Gewerkschaft einen bundesweiten Aktionstag in den fünf Städten Hannover, Leipzig, Köln, Frankfurt und Stuttgart geplant, um auf Zukunfts- und Beschäftigungsperspektiven hinzuweisen. Wie Benner auf Nachfrage erklärte, sei man hierzu im Gespräch mit anderen Einzelgewerkschäften des DGB. „Wir werden das bewusst als IG-Metall-Veranstaltung machen, aber andere werden mit dazukommen“, erklärte sie.
hat Politikwissenschaft und Philosophie in Berlin studiert und ist Redakteurin beim vorwärts.