Bundestag: Welche Gesetze bis zur Neuwahl verabschiedet werden könnten
Wohl selten wurde im Bundestag so sehr um die Tagesordnung gerungen wie im Moment. Denn in der Zeit bis zur Neuwahl stehen noch wichtige Gesetze zur Abstimmung – mit unterschiedlichen Erfolgsaussichten.
Felix Zahn/photothek.de
Am 23. Februar wird der Bundestag voraussichtlich neu gewählt.
Wo ein Wille ist, ist auch ein Weg – so lautet derzeit wohl das Motto von SPD und Grünen. Nach dem Ampel-Aus krempeln sich die Abgeordneten die Ärmel hoch: Bis zur Neuwahl am 23. Februar kommt der Bundestag nur noch zu wenigen Sitzungswochen zusammen. Doch offiziell endet die Legislatur erst, wenn sich ein neues Parlament konstituiert hat. Es gibt also noch eine Chance, wichtige Gesetze zu beschließen.
Daran ändert auch der fehlende Haushalt 2025 nichts. Was beschlossen wird, ist durch den vorläufigen Etat gedeckt. SPD und Grüne haben jedoch keine Mehrheit und brauchen bei jedem Beschluss Stimmen aus der Opposition. Für die Abgeordneten heißt das, sie müssen stärker und außerhalb der eigenen Fraktionen für ihre Projekte werben.
Einige Vorhaben, das lässt sich ausmachen, sind bereits gescheitert, weil die Zeit für ein parlamentarisches Verfahren nicht reicht: der Haushaltsbeschluss für 2025, die Kindergrundsicherung oder die Rentenreform etwa. Bei anderen Projekten ist offen, wie sich die Opposition dazu verhält. Vor allem die Union hat offenbar wenig Interesse daran, Rot-Grün vor der Neuwahl zu Erfolgen zu verhelfen.
Die große Frage lautet also: Was ist überhaupt noch möglich?
Was wohl noch kommt
Immerhin: Vor dem Ampel-Aus waren sich SPD, Grüne, FDP und Union einig, das Bundesverfassungsgericht stärker gegen den Einfluss von Extremist*innen zu schützen. Dazu sollen Regeln zur Unabhängigkeit der Richter*innen im Grundgesetz verankert werden. Weil man für Änderungen des Grundgesetzes eine Zwei-Drittel-Mehrheit benötigt, wird es dann schwieriger, diese Regeln zu ändern. Es gilt als sicher, dass die Fraktionen das Gesetz beschließen, kurz nachdem Olaf Scholz am 16. Dezember die Vertrauensfrage gestellt hat.
Weniger einig schienen sie sich zuletzt beim Deutschlandticket zu sein. 13 Millionen Menschen profitieren von dem Angebot, doch Bayerns Ministerpräsident und CSU-Chef Markus Söder fordert, dass die Länder sich nicht mehr an der Finanzierung beteiligen. Die gute Nachricht: Für 2025 ist das Ticket gesichert. FDP und Union werden wohl noch vor Weihnachten zustimmen, übrig gebliebene Bundesmittel ins neue Jahr zu übertragen. Die schlechte Nachricht: Für die Zeit danach gibt es Klärungsbedarf, mindestens mit Bayern. Bislang teilen sich nämlich Bund und Länder die Kosten für das Ticket jeweils zur Hälfte.
Mehrheit für Steuererleichterungen
Möglicherweise werden auch die noch von der Ampel-Koalition geplanten Steuererleichterungen beschlossen. Das Gesetz zur Eindämmung der sogenannten kalten Progression soll verhindern, dass Bürgerinnen und Bürger auch dann mehr Steuern zahlen, wenn die Inflation ihre Gehaltserhöhung auffrisst. Freigrenzen wie der Kinderfreibetrag sollen angehoben und das Kindergeld auf monatlich 255 Euro pro Kind erhöht werden. Damit Eltern schon von Januar an davon profitieren, müsste der Bundestag das Paket schnell absegnen. Zwar will die Union vor der Neuwahl keinen haushaltsrelevanten Fragen mehr zustimmen, doch Rot-Grün dürfte trotzdem auf eine Mehrheit kommen – immerhin stammt das Gesetz aus der Feder von FDP-Chef und Ex-Finanzminister Christian Lindner. Die Liberalen werden daher wahrscheinlich zustimmen.
Für die deutsche Filmbranche steht gerade viel auf dem Spiel. Filmschaffende bangen um ihre Gehälter, denn nach zwei Verlängerungen läuft Ende des Jahres das Filmförderungsgesetz aus. Es regelt die Abgaben von Streamingdiensten oder Fernsehsendern an die Filmförderanstalt, die davon neue Filmprojekte finanziert. Eigentlich war zum 1. Januar 2025 eine umfassende Reform geplant, die den deutschen Film international wettbewerbsfähiger machen sollte. Nun hängt das Gesetz im Bundestag fest. Doch eine Mehrheit gilt noch in diesem Jahr als wahrscheinlich. Die Unions-Fraktion hat mehrfach ihre Unterstützung signalisiert.
Was noch wackelt
„Das kommt weg. Dieses Jahr noch“, hatte Olaf Scholz vor dem Ampel-Aus gesagt und damit das deutsche Lieferkettengesetz gemeint. Es verpflichtet Unternehmen zu dokumentieren, ob ihre Zulieferer im Ausland Menschenrechte achten. Doch für die Wirtschaft bedeutet das viel Bürokratie. FDP und Union haben jeweils eigene Anträge eingebracht, um das Gesetz aussetzen, bis spätestens 2026 eine vergleichbare EU-Richtlinie in Deutschland greift. Rot-Grün arbeitet an einem Entwurf, um nationales Recht schon früher an europäisches anzugleichen.
In den letzten Zügen der Legislatur kam aus den Reihen von SPD, Grünen und Linken der fraktionsübergreifende Vorstoß, die Regelungen für Abtreibungen aus dem Strafgesetzbuch zu streichen. Abtreibungen sind in Deutschland laut Paragraf 218 strafbar, werden aber in den ersten drei Monaten nicht geahndet, wenn sich die Frau zuvor beraten lässt. Zeitraum und Beratungspflicht sollen dem Antrag zufolge bleiben, freiwillige Abbrüche wären dann aber grundsätzlich legal und würden von den Krankenkassen finanziert werden. Das soll die mangelhafte Versorgung an Angeboten für Abtreibungen beheben. Über das Thema wird seit Jahrzehnten gestritten. Wenn alle Abgeordneten von SPD, Grünen und Linken dem Antrag zustimmen würden, bräuchte er noch wenige weitere Stimmen. Aus den Reihen der FDP gab es einzelne positive Signale, doch die Union ist grundsätzlich dagegen. Nach der ersten Lesung am Donnerstag geht der Entwurf in den Rechtsausschuss und es ist offen, wie schnell er von dort ins Plenum kommt.
Wo es eng wird
Eng wird es auch beim Gewalthilfegesetz, das Frauen einen Rechtsanspruch auf Schutz und Beratung bei häuslicher Gewalt bieten will. Länder und Kommunen wären dann verpflichtet, entsprechende Angebote in Frauenhäusern bereitzuhalten, dafür soll es Bundesmittel in Milliardenhöhe geben. Im Jahr 2023 wurde in Deutschland fast jeden Tag eine Frau ermordet, weil sie eine Frau ist. Doch der FDP waren die im Gesetz vorgesehenen Maßnahmen zu teuer. Also hängt der Beschluss an der Union. Auch wenn Parteichef Friedrich Merz beteuert, ihm sei das Thema wichtig – 2025 muss sich zeigen, wie ernst er es meint.
Auf dem Tisch liegt auch ein alter Bekannter: Nachdem das Gesetz 2020 gescheitert war, haben mehr als 200 Abgeordnete einen neuen Anlauf gestartet, um die Widerspruchslösung bei Organspenden durchsetzen. Dadurch käme jeder Mensch nach seinem Tod als Spender infrage, wenn er nicht aktiv widerspricht – bislang muss eine ausdrückliche Zustimmung vorliegen. Es ist fraglich, ob die Initiative diesmal gelingt, denn auch dieser Antrag landet nach der ersten Lesung am Donnerstagabend erst einmal im Ausschuss für Gesundheit.
Direkte Auswirkungen auf den Alltag vieler Wähler*innen hätte auch der Wegfall der Mietpreisbremse. Die Regelung sorgt in 13 von 16 Bundesländern dafür, dass die Miete bei Abschluss eines neuen Mietvertrags nicht mehr als zehn Prozent über der örtlichen Vergleichsmiete liegt. Spätestens Ende 2025 läuft sie aus, in sieben Ländern schon früher. Die Ampel-Koalition wollte das Instrument eigentlich bis 2028 verlängern, aber nun will die FDP nicht mehr mitmachen. Die Union will das Thema in die nächste Legislaturperiode verschieben.