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Drei Vorschläge: Wie das Bundesverfassungsgericht AfD-sicher werden soll

In Ungarn und Polen wurden die Gerichte von rechten Regierungen gefügig gemacht. Auch in Deutschland könnte eine neue politische Mehrheit das Bundesverfassungsgericht als Kontrollorgan ausschalten. Nun gibt es Vorschläge, wie das verhindert werden kann.

von Christian Rath · 31. Januar 2024
Karlsruher Richter*innen: Mit einer Grundgesetz-Änderung soll das Bundesverfassungsgericht geschützt werden.

Karlsruher Richter*innen: Mit einer Grundgesetz-Änderung soll das Bundesverfassungsgericht geschützt werden.

Im Bundestag zeichnet sich eine Mehrheit für eine Grundgesetzänderung zum Schutz des Bundesverfassungsgerichts ab. Rechtspolitiker*innen der Ampel-Koalition und der CDU/CSU sprachen sich bereits dafür aus.

Ungarn und Polen als mahnende Beispiele

Das Bundesverfassungsgericht ist der oberste Schiedsrichter im Staat. Es kann rechtskräftige Gerichtsurteile aufheben und Gesetze für nichtig erklären. Es schützt die Grundrechte der Bürger*innen vor unverhältnismäßigen staatlichen Eingriffen und es sichert die Freiheit der Wahlen und die Unabhängigkeit der Gerichte.

Autoritäre Regierungen versuchen daher in der Regel schnell, ihr jeweiliges Verfassungsgericht auszuschalten. So können sie Minderheiten ausgrenzen, ohne auf deren Rechte achten zu müssen. Sie können staatliche Institutionen gleichschalten und die eigene Abwahl durch die Bürger*innen erschweren. Die Orban-Regierung in Ungarn und die zeitweilige PiS-Regierung in Polen haben gezeigt, wie leicht sich ein Verfassungsgericht übernehmen lässt.

Das Verfassungsgericht könnte einfach ausgeschaltet werden

So kann die Altersgrenze gesenkt werden, damit viele gewählte Verfassungsrichter*innen schneller ausscheiden, gleichzeitig kann man die Zahl der Verfassungsrichter*innen erhöhen. Die neuen Verfassungsrichter*innen werden dann jeweils mit der eigenen Mehrheit gewählt. Bis das Verfassungsgericht ausreichend unter Kontrolle steht, wird dieses mit einer harmlosen Regel lahmgelegt: Alle Klagen müssen in der Reihenfolge ihres Eingangs entschieden werden. Die problematischen Gesetze der neuen autoritären Regierung sind also erst dran, wenn das Verfassungsgericht mit ausreichend vielen Parteigänger*innen besetzt ist.

Mit Schrecken stellten deutsche Jurist*innen fest, dass auch das Bundesverfassungsgericht nicht ausreichend vor solchen Manipulationen geschützt ist. Viele grundlegende Regeln sind nur im Gesetz über das Bundesverfassugsgericht geregelt. Das heißt, sie könnten von einer neuen autoritären Mehrheit im Bundestag einfach geändert werden. Mit wenigen gesetzlichen Neuerungen könnte so das Bundesverfassungsgericht ausgeschaltet oder sogar übernommen werden.

Diese Vorschläge liegen auf dem Tisch

Deshalb gibt es nun verschiedene Vorschläge, wie das Bundesverfassungsgericht besser geschützt werden kann. Eine Gruppe von Verfassungsrechtler*innen hat in einem Diskussionspapier drei Varianten zusammengestellt. Der Gruppe gehören unter anderem die Ex-Verfassungsrichter*innen Gabriele Britz und Michael Eichberger an sowie der Bonner Rechtsprofessor Klaus-Ferdinand Gärditz und Ulrich Karpenstein, Vizepräsident des Deutschen Anwaltvereins.

Erste Variante ist eine „Einvernehmenslösung“. Danach könnte im Grundgesetz vorgegeben werden, dass wesentliche gesetzliche Regeln über die Wahl der Verfassungsrichter*innen und das Verfahren des Gerichts „im Einvernehmen mit dem Plenum des Bundesverfassungsgerichts“ beschlossen werden müssen. Ohne Zustimmung der Karlsruher Richter*innen könnte der Bundestag also gar nichts ändern.

Die zweite Variante würde im Grundgesetz bestimmen, dass wesentliche Bestimmungen des Bundesverfassungsgerichts-Gesetzes ausnahmsweise nur mit Zwei-Drittel-Mehrheit geändert werden können. Die Regelungen blieben also im Bundesverfassungsgerichtsgesetz, dieses würde aber zu einer Art Nebenverfassung.

CDU signalisiert Zustimmung

Die dritte Variante sieht vor, dass wesentliche Bestimmungen über das Bundesverfassungsgericht direkt im Grundgesetz verankert werden, etwa die Wahl der Verfassungsrichter*innen mit Zwei-Drittel Mehrheit. Auch dann wäre eine Änderung dieser Regeln nur mit Zwei-Drittel-Mehrheit möglich. Die entsprechenden Artikel 93 und 94 des Grundgesetzes würden dadurch aber entsprechend länger und unübersichtlicher.

Am Wochenende hatten sich bereits die Rechtspolitiker Johannes Fechner (SPD) und Stephan Thomae (FDP) für Grundgesetzänderungen zum Schutz des Verfassungsgerichts ausgesprochen. Am Montag zeigte auch die CDU/CSU-Fraktion Bereitschaft für Änderungen. „Wir teilen die Sorge der parteipolitischen Einflussnahme auf die Justiz und insbesondere das Bundesverfassungsgericht“, sagte Fraktionsvize Andrea Lindholz (CSU). Justizminister Marco Buschmann (FDP) lobte die „wertvollen Beiträge“ der bisherigen Debatte.

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2 Kommentare

Gespeichert von max freitag (nicht überprüft) am Mi., 31.01.2024 - 11:24

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hegt ja dieselben Sorgen, nämlich die Okkupation staatlicher Institutionen durch die AfD- eine ja offensichtlich reale Gefahr bzw. Möglichkeit, die sich hier abzeichnet, auf die man also bereits eingestellt ist in der Regierung. Wenn denn ein verzichtsverfahren nicht initiiert wird, ist es richtig jetzt dafür zu sorgen, dass wir auch nach Verlust der politischen Mehrheit und des Gestaltungsanspruchs weiterhin bestimmenden Einfluss haben, jedenfalls im Konzert mit den anderen demokratischen Partei, wie unlängst bei der Landratswahl in Thüringen, wo mit Hilfe aller demokratischen Partei der CDU Kandidat als Sieger aus dem Wettstreit hervorging.

Gespeichert von Peter Plutarch (nicht überprüft) am Do., 01.02.2024 - 13:18

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Es ist ja nicht so, dass den Ampelparteien und der CDU/CSU fremd wäre, die Besetzung und die Arbeit des Bundesverfassungsgerichts manipulieren zu wollen. Letztlich ist das alles, was im obigen Artikel diskutiert wird, nichts anderes als eine Manipulation zu Lasten eines politischen Gegners. Der Gegner heißt heute AfD und morgen BSW und Werteunion.

Während der Coronazeit ist das Verfassunggericht erfolgreich kompromittiert worden. Diesen Ansatz hier verstehe ich so, dass dies nur exklusiv den "etablierten Parteien" erlaubt ist.

Jede Änderung an den Regeln zur Besetzung und Arbeit des Bundesverfassungsgerichts wirkt in alle Richtungen. Wird das Quorum für die Besetzung zum Beispiel hochgeschraubt, droht bei einer Blockade z.B. durch AfD potenziell der Totalausfall des Verfassungsgerichts. Soll das billigend in Kauf genommen werden?

Lasst davon die Finger weg und macht endlich sozialdemokratische Politik. Damit kann man die neoliberale AfD schlagen und nicht mit den üblichen Geschäftsordnungstricks aus den Parteitagen.