Rias-Studie: So eng ist Antisemitismus mit Rechtsextremismus verbunden
Der Bundesverband der Recherche- und Informationsstellen Antisemitismus hat von 2019 bis 2023 tausende Vorfälle gegen Jüdinnen und Juden gesammelt. Viele von ihnen tragen einen eindeutige politische Farbe.
IMAGO / epd
Vor fünf Jahren verübte ein Antisemit einen Anschlag auf die Synagoge in Halle, in dessen Folge zwei Menschen starben.
Seit dem Angriff der Hamas auf Israel wird viel über Antisemitismus unter propalästinensischen Bewegungen debattiert. Laut einer aktuellen Studie ist die Gefahr für Antisemitismus im rechtsextremen Spektrum besonders groß – und wird offenbar durch die AfD befördert. Der Bundesverband der Recherche- und Informationsstellen Antisemitismus (Rias) hat die Studie am Mittwoch in Potsdam vorgestellt.
Sie untersucht erstmals antisemitische Vorfälle auf ihre Verbindungen zu rechtsextremen Kreisen. Von insgesamt 13.654 antisemitischen Fällen in den Jahren 2019 bis 2023 stammten 2.284 und damit 17 Prozent aus dem rechtsextremem Spektrum, schreiben die Autor*innen. „Damit ist der politische Hintergrund Rechtsextremismus das am häufigsten zugeordnete politische Spektrum im untersuchten Zeitraum", schreiben die Autor*innen. In den untersuchten Jahren sei die Anzahl an antisemitischen, rechtsextremen Vorfällen konstant hoch gewesen. Die Auswertung hat allerdings nur einen kurzen Zeitraum nach dem Hamas-Angriff auf Israel am 7. Oktober 2023 erfasst. Seitdem werden viele Fälle von Antisemitismus durch propalästinensische Aktivist*innen dokumentiert.
Rechtsextremer Antisemitismus besonders gewaltvoll
Antisemitismus sei demnach ein Kernelement rechtsextremer Narrative, das rechtsextreme Gruppen miteinander verbinde: Etwa durch die Leugnung der Schoah, die Abwehr einer Erinnerungskultur und durch die Verherrlichung des Nationalsozialismus. Aber auch durch Verschwörungsmythen, Drohungen und Angriffe gegen Jüdinnen und Juden. Rechtsextreme Antisemit*innen seien besonders gewaltvoll und würden Gewalt glorifizieren, stellen die Autor*innen fest. Zwischen 2019 bis 2023 dokumentiert Rias sechs Vorfälle extremer Gewalt und 34 Angriffe, insbesondere auf jüdische Einrichtungen und Gedenkstätten. Unter ihnen sind der Anschlag auf die Synagoge in Halle 2019 und der schwere Angriff auf einen jüdischen Israeli in Frankfurt am Main 2022.
Die Studie stellt auch fest: Antisemitische Narrative setzen sich zunehmend in der Gesellschaft fest. Das zeige sich auch in Umfragen. Die Autor*innen führen diese Entwicklung auf den zunehmenden Erfolg der AfD zurück: Die in Teilen rechtsextreme Partei bekundet einerseits ihre Solidarität mit Israel, andererseits fallen Parteimitglieder immer wieder durch antisemitische Äußerungen auf. So nannte der Thüringer Parteichef Björn Höcke das Holocaust-Mahnmal in Berlin 2017 ein „Denkmal der Schande“. Die Partei hegt außerdem Verbindungen zu terroristischen Netzwerken mit antisemitischen Ideologien wie den „Sächsischen Separatisten“.
Bundestag soll AfD-Verbotsantrag diskutieren
„Rechtsextreme inszenieren sich gleichzeitig als ‚die Juden von Heute‘ und relativieren so die Schoa, leugnen die Massenverbrechen der Nazis und drohen Jüdinnen und Juden zugleich ihre Wiederholung an“, sagte Daniel Poensgen, Co-Autor der Studie. Rias-Geschäftsführer Benjamin Steinitz sagte: „Der rechtsterroristische Antisemitismus ist eine zentrale Bedrohung für Jüdinnen und Juden in Deutschland – und damit auch für unsere Demokratie.“ Mit Blick auf die anstehende Neuwahl sei es wichtig, die Gefahren, die von der AfD ausgehen, klar zu benennen.
Katrin Göring-Eckardt, Vizepräsidentin des Bundestags, betonte, die AfD grenze sich nicht klar und wirksam von der rechten Szene ab und nähre dadurch antisemitische Ressentiments. „Sie macht Antisemitismus salonfähig. Das aber darf in Deutschland nie wieder geschehen. Auch deshalb bin ich dafür, ein Verbot der AfD zu prüfen.“ Auch Maja Wallstein, SPD-Bundestagsabgeordnete aus dem Wahlkreis Cottbus und Spree-Neiße, sprach sich für ein AfD-Verbot aus. „Eine Partei, die solch menschenverachtendes Gedankengut um sich schart, gibt jeden Anlass, ihre Verfassungsmäßigkeit anzuzweifeln. Diese prüfen zu lassen ist unsere Pflicht als Demokrat*innen.“ Ein fraktionsübergreifender Antrag im Bundestag will das Bundesverfassungsgericht zur Prüfung eines Parteiverbots auffordern. Wann der Antrag auf die Tagesordnung im Plenum kommt, ist allerdings noch unklar.
Der Bundesverband der Recherche- und Informationsstellen Antisemitismus ist Anlaufstelle für Menschen, die Antisemitismus erleben oder beobachten. Die Informationen werden bei Rias aufgenommen, geprüft und gebündelt.