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Kevin Kühnert: „Ich warne davor, Parteiverbote als Allheilmittel zu sehen.“

Die Correctiv-Enthüllungen lassen die Rufe nach einem AfD-Verbot lauter werden. SPD-Generalsekretär Kevin Kühnert ist offen für eine Prüfung, warnt jedoch davor, sich allein darauf zu verlassen. Gestellt werden müsse die AfD woanders.

von Kai Doering · 24. Januar 2024
SPD-Generalsekretär Kevin Kühnert: Dass die AfD völkisches Gedankengut vertritt ist kein Geheimnis.

SPD-Generalsekretär Kevin Kühnert: Dass die AfD völkisches Gedankengut vertritt ist kein Geheimnis.

Die Enthüllungen der Rechercheplattform „Correctiv“ über Verstrickungen der AfD mit Rechtsextremen haben viele wachgerüttelt. Haben Sie die Vorgänge überrascht? 

Für ihre offiziellen Äußerungen frisst die AfD aus taktischen Gründen oft Kreide. Insofern wundert es mich nicht, dass Parteifunktionäre in der vermeintlichen Anonymität noch mal deutlich radikaler sprechen. Dass die AfD völkisches Gedankengut vertritt, ist kein Geheimnis. Dass Parteimitglieder unter dem verschleiernden Begriff „Remigration“ konkret an Plänen arbeiten, Millionen Mitbürgerinnen und Mitbürger außer Landes zu schaffen, das hat allerdings für viele im Land das Fass zum Überlaufen gebracht. Die Reaktion der Zivilgesellschaft darauf ist die goldrichtige. Hunderttausende gehen überall in Deutschland auf die Straße, um gegen die menschenverachtende Ideologie der Rechtsnationalen und für die Verteidigung unserer Demokratie zu demonstrieren. Dieses Aufbegehren war überfällig, macht den von der AfD angegriffenen Gruppen Mut und es rückt die Verhältnisse in der öffentlichen Wahrnehmung zurecht.

Die Enthüllungen haben auch den Ruf nach einem Verbot der AfD wieder lauter werden lassen. Wie stehen Sie dazu?

Das Parteienverbot ist eines der schärfsten Schwerter, das unsere Demokratie gegen ihre organisierten Feinde einsetzen kann. Es ist aus guten Gründen im Grundgesetz verankert worden. Unsere Demokratie muss sich gegen diejenigen verteidigen können, die diese Demokratie von innen zerstören wollen. Ein Verbot beantragen können Bundestag, Bundesrat oder Bundesregierung. Wenn sie in Kenntnis der verfügbaren Informationen der Überzeugung sind, dass die AfD gesichert verfassungsfeindlich agiert, dann kann nicht nur, sondern dann muss meiner Auffassung nach ein Verfahren eingeleitet werden.

Bedroht die AfD aus Ihrer Sicht die freiheitlich-demokratische Grundordnung?

Lassen Sie es mich so sagen: Die Hinweise darauf sind in den vergangenen Wochen sicherlich nicht weniger geworden. Doch richtigerweise genügt ein solcher Eindruck vor dem Bundesverfassungsgericht nicht. Gerade hat Karlsruhe der früheren NPD den Zugang zur staatlichen Parteienfinanzierung gekappt. Das ist ermutigend, markiert jedoch auch das vorläufige Ende eines bald zwei Jahrzehnte andauernden Ringens darum, der Neonazi-Partei das Handwerk zu legen. Ich warne davor, Parteiverbote als Allheilmittel zu sehen. Die Bekämpfung rechter Demokratiefeinde lässt sich nicht einfach in den juristischen Raum delegieren. Es wird auf den Straßen gerade sehr deutlich, dass trotz hoher Umfragewerte der AfD die Mehrheit in Deutschland in dieser Partei keine Alternative sieht. Natürlich ist es wichtig, die Demokratie auch juristisch verteidigen zu können. Aber wir werden sie zuvorderst gesellschaftlich verteidigen müssen. Deswegen ist es so wichtig, dass jede und jeder selbst aktiv wird.

Kevin
Kühnert

Wer nicht damit einverstanden ist, dass die AfD Millionen von Menschen aus unserem Land vertreiben will, muss sich jetzt Gehör verschaffen.

Wie stellen Sie sich das vor?

Ich appelliere an alle, jetzt auf die für sie passende Art laut zu werden. Wer nicht damit einverstanden ist, dass die AfD Millionen von Menschen aus unserem Land vertreiben will, die unsere Freunde, unsere Arbeitskollegen, unsere Sportkameraden sind, muss sich jetzt Gehör verschaffen. Indem man bei Diskussionen in der Familie oder im Kollegenkreis zum Beispiel das Wort ergreift. Indem man sich ehrenamtlich engagiert in einer Initiative oder einem Verein oder als Schöffe oder Schöffin bei Gericht. Auch die Mitgliedschaft in Gewerkschaften oder demokratischen Parteien ist ein starkes Bekenntnis zur Demokratie. In der SPD werden Demokratieschützerinnen und -schützer immer eine starke Partnerin haben.  

Die SPD liegt mittlerweile in Umfragen hinter der AfD – nicht nur in Ostdeutschland, sondern auch bundesweit. Macht Ihnen das Sorgen?

Natürlich bin ich mit den Umfragewerten nicht zufrieden. Aber damit keine Missverständnisse entstehen: Die AfD ist nicht deshalb gefährlich, weil sie in Umfragen aktuell die SPD überholt hat. Sie ist gefährlich, weil sie unsere liberale Demokratie herausfordert. Die SPD wird die AfD deshalb immer auf zwei Arten demaskieren. Einerseits als elitäre Partei, die gegen Mindestlöhne, gegen Vermögensteuern und überhaupt gegen soziale Gerechtigkeit kämpft. Und andererseits als völkische Truppe, die willkürlich entscheiden würde, wer zu ihrer Volksgemeinschaft dazugehört, und wer nicht. Ich bin sicher, dass die Mehrheit beides ablehnt. Sowohl im Osten, als auch im Rest der Republik.

Das Interview wurde schriftlich geführt.

Autor*in
Kai Doering
Kai Doering

ist stellvertretender Chefredakteur des vorwärts. Er betreut den Bereich Parteileben und twittert unter @kai_doering.

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5 Kommentare

Gespeichert von max freitag (nicht überprüft) am Mi., 24.01.2024 - 12:00

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Jetzt steht auch der grösste Hoffnungstrger, den wir in unseren Reihen, auf der Bremse. Ich kann das nicht nachvollziehen, denn das ständige Gerede um das Parteiverbot, verbunden mit der dann doch nicht erfolgten Einleitung eines Parteiverbotsverfahrens, lässt zuguterletzt wohl nur den einen Schluss zu . Es gibt , abgesehen von den Äußerungen aus allen Parteien, nichts, was den maßgeblichen Schritt mit ausreichender Sicherheit tragen könnte. Ergo- die Verfassungswidrigkeit der AfD ist nicht nachweisbar.

Wenn das so ist, dann wäre es besser, nicht immer um diese Fragestellung herumzukreißen

Gespeichert von Gaertner (nicht überprüft) am Mi., 24.01.2024 - 22:14

Antwort auf von max freitag (nicht überprüft)

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Gespeichert von Elias Hallmoser (nicht überprüft) am Mi., 24.01.2024 - 13:44

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ist ebenso eine von Gegnern der AfD stammende unbewiesene Behauptung wie die, dass die AfD Millionen von Menschen aus unserem Land "vertreiben will" (sic). Dass es mehrere hunderttausend ausreispflichtige Bürger anderer Staaten in Deutschland gibt, kann wohl niemand ernsthaft bestreiten. Und zwar ebensowenig, wie die tagtäglich illegal über unsere Grenzen einströmenden Bürger anderer Staaten.

Sobald man zu Vernunft und Verstand kommt, kann man darüber auch sachlich reden.

Für beides gibt es zigfache Belege. Wenn man die Augen zumacht und alles ausblendet, dann gibt es keine Belege. Klar, aber dann ist eine Debatte auch sinnbefreit, wenn sie jeglicher Argumente entbehrt.