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„Remigration“: Wie die SPD auf die AfD-Pläne reagiert

Die Enthüllungen der Rechercheplattform Correctiv über die rechtsextremen Migrationspläne haben für Entsetzen gesorgt. Die SPD reagiert mit drastischen Worten und mahnt zur Stärkung der Demokratie.

von Jonas Jordan · 12. Januar 2024
Protest gegen Rechtsextreme. Eine Frau hält ein Schild mit der Aufschrift „Alle Rassisten sind Arschlöcher, überall“ hoch.

Protest gegen Rechtsextreme

„Remigration“ – ein Wort, das erst einmal harmlos daher kommt und doch an das dunkelste Kapitel der deutschen Geschichte erinnert. Denn gemeint ist nichts anderes als die Deportation von Menschen, teilweise sogar mit deutschem Pass. Die Pläne dafür sollen Vertreter*innen der AfD gemeinsam mit anderen Rechtsextremen wie dem Österreicher Martin Sellner bei einem Treffen im November nur wenige Kilometer vom Haus der Wannseekonferenz entfernt diskutiert haben. Dies enthüllte die Rechercheplattform Correctiv in dieser Woche.

Olaf Scholz

Dass wir aus der Geschichte lernen, ist kein bloßes Lippenbekenntnis.

Zahlreiche SPD-Politiker*innen verurteilten diese Pläne und reagierten mit Entsetzen. So auch Bundeskanzler Olaf Scholz, der via X (ehemals Twitter) deutlich machte: „Wir lassen nicht zu, dass jemand das „Wir“ in unserem Land danach unterscheidet, ob jemand eine Einwanderungsgeschichte hat oder nicht. Wir schützen alle – unabhängig von Herkunft, Hautfarbe oder wie unbequem jemand für Fanatiker mit Assimilationsfantasien ist.“ Wer sich gegen die freiheitliche demokratische Grundordnung richte, sei ein Fall für den Verfassungsschutz und die Justiz, schrieb der Bundeskanzler. „Dass wir aus der Geschichte lernen, das ist kein bloßes Lippenbekenntnis. Demokratinnen und Demokraten müssen zusammenstehen“, forderte er. 

Mützenich spricht von „braunem Sumpf“

Der SPD-Fraktionsvorsitzende im Bundestag, Rolf Mützenich, sprach am Rande einer Klausurtagung von einem „braunen Sumpf“. Es bedürfe daher einer Antwort der Demokraten und der Anständigen. „Ich hoffe, dass alle die, die für diese Demokratie einstehen, auch in Zukunft alles dafür tun werden, gegen solche Netzwerke vorzugehen, gegen solche Gedanken vorzugehen und allen denen auch klar machen, die meinen, sie könnten an deren Seite stehen, sie bleiben die Minderheit in diesem Land“, formulierte Mützenich.

„Die Lage ist ernst“, sagte der SPD-Vorsitzende Lars Klingbeil in einem Video, das er am Freitag auf Facebook veröffentlichte. „Das sind knallharte Rechtsextreme, das sind Nazis, das sind Menschen, die ein anderes Land wollen“, machte Klingbeil deutlich und fügte an: „Es ist unsere Aufgabe, das ernst zu nehmen, sich dagegen zu stellen.“ Er forderte dazu auf, bei rechtsextremen Äußerungen oder Handlungen im persönlichen Umfeld dagegen zu halte. Gleiches gelte, wenn Menschen aufgrund ihrer Hautfarbe, ihrer Religion oder ihrer sexuellen Orientierung von Rechtsextremen angegriffen würden. „Geht dazwischen und stellt euch schützend vor diese Menschen“, forderte Klingbeil. 

Lars Klingbeil

Helft mit, dass die Faschisten, die Rechtsextremen, die Nazis dieses Land nicht verändern!

„Wir sind eine Gesellschaft und wir dürfen nicht zulassen, dass in dieser Gesellschaft wieder sortiert wird“, sagte der SPD-Vorsitzende. Deswegen appellierte er: „Helft mit, dass die Faschisten, die Rechtsextremen, die Nazis dieses Land nicht verändern. Helft mit, dass sie nicht erfolgreich sind. Lasst uns dafür sorgen, dass die Falschen in diesem Land keinen Zentimeter mehr Macht und Einfluss bekommen!“

Özoguz: „Lasst euch niemals einschüchtern!“

In einem persönlichen Statement auf Facebook wandte sich auch die SPD-Politikerin Aydan Özoguz an die Öffentlichkeit. Özoguz wurde einst vom früheren AfD-Vorsitzenden Alexander Gauland persönlich angefeindet. Nun schreibt sie: „Ich erinnere mich noch an die Phantasien der AfD, dass ich ,nach Anatolien entsorgt‘ werden sollte. Ich darf heute Vizepräsidentin des Deutschen Bundestages sein. Dank der Solidarität meiner Partei, der SPD, konnten wir auch dieses Zeichen setzen. Man mag uns einiges vorwerfen, aber niemals, dass wir ganze Menschengruppe verächtlich machen, versuchen, Menschen zu erniedrigen, und ständig gegen ganze Gruppen hetzen.“

Im Gegenteil stehe die SPD für Zusammenhalt und Respekt. Daran könnten auch die vielen Posts der AfD nichts ändern, „die entweder mit ausgedachten angeblichen Zitaten oder aus dem Zusammenhang gerissenen Sätzen“ seit Jahren versuchten, mit Dreck zu werfen. Deswegen machte Özoguz deutlich: „Lasst euch niemals einschüchtern und den Mund verbieten. Wir wollen keine kaputte Gesellschaft und kein kaputtes Land – das ist aber das, was Nazis und viele der AfD offensichtlich anstreben. Und deshalb müssen wir uns sehr anständig, mit allen Mitteln des Rechtsstaates gegen die Fantasien und wohl auch konkreten Pläne der Rechtsextremisten wehren!“

Mast fordert „Aufstand der Anständigen“

Auch Bundesinnenministerin Nancy Faeser kritisierte in einem Beitrag auf X: „Was wir hier sehen, ist nicht geschichtsvergessen, sondern verfolgt bewusst NS-Ideologien. Was wir sehen, ist der Versuch, ethnisch zu definieren, wer zu Deutschland gehört und wer nicht. Das steht fundamental im Gegensatz zur Menschenwürde jedes Einzelnen.“ Die Erste Parlamentarische Geschäftsführerin der SPD-Bundestagsfraktion, Katja Mast, forderte derweil einen „Aufstand der Anständigen“. Mast schrieb dazu: „Es geht um den Erhalt unserer Demokratie, um unser aller Freiheit und unsere Grundwerte.“ 

Noch deutlicher wurde der sächsische SPD-Vorsitzende Henning Homann: „Dieses Treffen von AfD-Funktionären und anderen Rechtsextremisten zeigt eines ganz deutlich: Die Gefahr von rechts ist real! Niemand kann mehr behaupten, er hätte es nicht gewusst. Die in dieser Brandenburger Runde besprochenen Inhalte sind nichts anderes als purer Faschismus.“ Petra Köpping, Spitzenkandidatin der SPD für die in diesem Jahr anstehende Landtagswahl, forderte Konsequenzen: „Das muss mindestens ein Fall für die Bundesanwaltschaft sein! Und warum werden Leute wie Sellner, die hier faschistische Umsturzpläne schmieden, nicht bei der Einreise abgewiesen?“

Köpping für Debatte über AfD-Verbot

Für Köpping ist die AfD erwiesen rechtsextrem. Deswegen müsse auch ein Parteiverbot diskutiert und geprüft werden. „Denn wir dürfen nie wieder den Zeitpunkt. Nach dem es kein Zurück mehr gibt, verpassen. Das sollten wir aus unserer Geschichte gelernt haben.“

Autor*in
Jonas Jordan
Jonas Jordan

ist Redakteur des „vorwärts“. Er hat Politikwissenschaft studiert und twittert gelegentlich unter @JonasJjo

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2 Kommentare

Gespeichert von Peter Plutarch (nicht überprüft) am Mo., 15.01.2024 - 10:23

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Man muss hier ehrlichkeitshalber konstatieren, dass im Bundestag von Rednern aus den Reihen der dort vertretenen Parteien jenseits der AfD inhaltlich genau dieselben Forderungen gestellt wurden, die jetzt anlässlich der oben genannten Veranstaltung skandalisiert werden. Selbst die Rückführung von Migranten unbeschadet eines etwaigen deutschen Passes befindet sich für prominente Redner der "etablierten" Parteien im Bereich des öffentlich Forderbaren. Der Ruf nach systematischen Rückführungen gehört zum guten Ton und der politische Kampfbegriff der Deutschen Leitkultur kommt nicht von der AfD, sondern von der CDU. Diese von Vertretern der CDU, FDP und auch SPD formulierten Forderungen sind nur nicht unter dem Begriff "Remigration" zusammengefasst worden.

Von daher ist die hysterische Reaktion hier und an anderen Stellen sowohl ein Zeugnis von Doppelstandards als auch von Hilflosigkeit gegenüber einer stärker werdenden AfD. Wollte man hier wirklich einen politischen Vorwurf oder gar ein Parteiverbotsverfahren platzieren, müsste man sich mit entsprechenden Fakten auseinandersetzen und sich die Frage gefallen lassen, wie aus dem Mund der AfD verfassungswidrig sein kann, was aus dem Mund von Mitglieder der anderen Parteien klaglos hingenommen wird.

Dieses Problem ist mit Schaum vor dem Mund nicht zu lösen. Es erfordert auch Selbstkritik und eine politische Auseinandersetzung mit der AfD. Letztere führt zwangsläufig auch zu den leider sher zahlreichen Verfehlungen der SPD in den letzten Jahrzehnten eigener Regierungsbeteiligung auf Bundesebene. Solange man diese ausklammert, behält die AfD eine breite Angriffsfläche gegen die "etablierten Parteien" und das "System", für das sie sich noch lange nicht auf das glatte Eis der Verfassungsfeindlichkeit begeben muss. Es reicht immer wieder der Vorwurf der Doppelbödigkeit, den man ohne Rückbesinnung auf die eigentlichen Werte der Sozialdemokratie noch nicht einmal mit Erfolg entkräften kann.

So sehen strategische Eigentore aus.

Gespeichert von uwe Witt (nicht überprüft) am Mo., 15.01.2024 - 13:45

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wie wäre es mal, statt mit klugen Worten und nachfolgenden Nebelkerzen zum parlamentarischen Handeln, ganz einfach mit einem Parteienverbot. Die Möglichkeiten ein entsprechendes Verfahren in Gang zu setzen hat die SPD.