Trump vor zweiter Amtszeit: Warum die ersten 18 Monate entscheidend werden
Am Montag wird Donald Trump als US-Präsident vereidigt. Was von seiner zweiten Amtszeit zu erwarten ist und warum es für Trumps Regierung auf die ersten eineinhalb Jahre besonders ankommt, sagt Reinhard Krumm von der Friedrich-Ebert-Stiftung in Washington im Interview.
IMAGO / ZUMA Press Wire
Was bringt die zweite Amtszeit von Donald Trump? Vieles liegt noch im Nebel, anderes dürfte bereits klar sein, sagt Reinhard Krumm von der Friedrich-Ebert-Stiftung.
Am 20. Januar wird Donald Trump als US-Präsident vereidigt. Was ist von seiner zweiten Amtszeit zu erwarten?
Die Regierung Trump hat 18 Monate Zeit, all das durchzusetzen, was sie wirklich durchsetzen möchte – nämlich bis zu den Zwischenwahlen 2026. Dann könnte es durchaus passieren, dass die Republikaner ihre knappe Mehrheit in Senat und vor allem im Repräsentantenhaus verlieren. Deshalb dürften die kommenden Monate entscheidend sein, für Trump, für die USA, ja für die gesamte Welt.
Was möchte Trump unbedingt durchsetzen?
Das ist zum einen eine andere Aufstellung des bürokratischen Apparates. Trump und seine Gefolgsleute wollen mehr Durchgriff haben. Deshalb gibt es bei der „Heritage Foundation“, einem ultrakonservativen Think Tank hier in Washington, eine Liste von ungefähr 10.000 loyal zu Trump und seinen Vorstellungen stehenden Personen, die auf der Verwaltungsebene keinen Widerstand zulassen sollen. Damit will Trump gegen den „Deep State“ vorgehen, also den nach seiner Meinung bremsenden staatlichen Apparat, der ein unkontrolliertes Eigenleben führe. Was natürlich Unsinn ist, denn er bildet das Rückgrat eines jeden Staats.
Und sonst?
Bei dem Kampf gegen die illegale Migration sind vermutlich schnelle Entscheidungen zu erwarten. Ob die dann auch in vollem Umfange durchsetzbar sind, ist freilich nicht klar. Das liegt zum einen an der Gesetzeslage und zum anderen an den notwendigen Finanzmitteln, die dafür aufzubringen sind.
Darüber hinaus wird Trump versuchen, die Menschen schnell davon zu überzeugen, dass unter seiner Führung die Wirtschaft fühlbar besser läuft als unter seinem Vorgänger Joe Biden. Wobei unklar ist, wie er das anstellen möchte, was die tatsächlich hohen Preise betrifft. Kontraproduktiv sind dabei seine Pläne, die Wirtschaft durch Restriktionen von Importgütern anzukurbeln, also durch Zölle und Ähnliches. Die zusätzlichen Kosten der Unternehmen würden dann sicherlich an den Konsument*innen weitergereicht.
Reinhard
Krumm
Die Trump-Administration ist acht Jahre später weitaus besser vorbereitet als 2017.
Die Republikaner haben in Senat und Repräsentantenhaus eine Mehrheit. Kann Trump jetzt durchregieren?
Das wird sich zeigen. Die Voraussetzungen sind für ihn schon sehr komfortabel. Sogar die Medien und die Tech-Branche buhlen um seine Gunst. Das US-Nachrichtenportal Axios spricht von „roher, transaktionaler Macht“. Dennoch haben wir am Widerstand einiger Politikerinnen und Politiker gegen Trumps Personalvorschläge für die kommende Regierung sowie bei der Wiederwahl des Sprechers des Repräsentantenhauses gesehen, dass es außerhalb von Washington durchaus selbstbewusste Republikaner*innen gibt.
Wir haben aber auch gesehen, dass die „Make-America-Great-Again“-Bewegung Abweichler*innen stark unter Druck setzen kann. Das geschieht unter anderem dadurch, dass diejenigen, die sich gegen ein Projekt von Trump wenden, Gefahr laufen, bei der nächsten Wahl gegen einen 150-prozentig loyalen Trump-Unterstützer antreten zu müssen.
Die Partei der Republikaner, wenn man sie denn noch so nennen kann, ist nicht monolithisch aufgestellt. Trump wird es nicht einfach haben, zu erklären, warum er gegen das Establishment in der Hauptstadt ist und gleichzeitig strikte Gefolgschaft einfordert, wenn er föderale Politik gegen die Politik der Bundesstaaten durchsetzen will.
Als Trump 2016 zum ersten Mal zum Präsidenten gewählt wurde, schien er selbst fast ein wenig überrascht zu sein. Ist er diesmal besser vorbereitet?
Ja, definitiv. Trumps Wahlsieg 2016 war sehr knapp und nahezu alle Umfragen hatten Hillary Clinton vorne gesehen. Zudem hatte er nicht die Mehrheit der Bevölkerung hinter sich. Das ist diesmal von Anfang an anders.
Die Trump-Administration ist acht Jahre später weitaus besser vorbereitet als 2017. Sie nominiert keine Personen für politische Ämter, die nicht sehr loyal zum Präsidenten und seinem Programm stehen. Es finden sich keine Neoliberalen unter den Nominierungen und auch keine oder keinen, die oder der sich für internationale militärische Einsätze starkgemacht hat.
Es gibt also – anders als 2017 – keinerlei Korrektor*innen. Und es liegt mit dem „Project 2025“ der Heritage Foundation ein Programm vor, das Trump sicher nicht eins zu eins umsetzen wird, das ihm aber als Kompass dienen könnte.
Was ist außenpolitisch von Trumps zweiter Amtszeit zu erwarten?
Das ist noch schwer vorherzusagen, weil die handelnden Personen noch nicht alle bekannt sind. Trump hat den Senator Marco Rubio als Außenminister nominiert, der Erfahrungen in seinem Fach mitbringt. Gleichwohl bleibt abzuwarten, was von seinem Portfolio im Außenministerium entschieden wird und was im Weißen Haus.
Die Ukraine-Politik wird sehr wahrscheinlich von Trump selbst geleitet werden, genauso wie die Politik gegenüber China und dem Nahen Osten. Seine ordentlichen Beziehungen zu Israels Premier Benjamin Netanyahu werden durch die neue Lage in Syrien auf die Probe gestellt werden. Und was die NATO anbetrifft, gibt es unter außenpolitischen Beobachter*innen einen Konsens, dass sich die USA nicht mit einem großen Knall zurückziehen werden. Doch die USA können das Bündnis aushöhlen.
Reinhard
Krumm
Die Demokraten scheinen zur Erkenntnis zu gelangen, sich nicht für jedes noch so kleine Einzelinteresse einzusetzen, sondern sich auf das Wohlergehen aller zu konzentrieren.
Was ist von Trumps Ankündigung zu halten, er werde innerhalb von 24 Stunden für Frieden in der Ukraine sorgen?
Niemand kann sich so recht vorstellen, wie das gelingen soll. Zumal niemand in den USA dafür verantwortlich sein will, die Ukraine zu verlieren, auch Trump nicht. Es könnte aber passieren, dass er eine weitere Unterstützung der Ukraine an Friedensverhandlungen mit Russland knüpft. Sollte das keinen Erfolg bringen, könnten sich die USA zu einem gewissen Teil zurückziehen und den Europäern die Verantwortung für die Ukraine übergeben. Ein solches Szenario halte ich nicht für ausgeschlossen.
Wie ist eigentlich die Situation bei den Demokraten? Haben sie ihre Wahlniederlage schon verarbeitet?
Aus deutscher Perspektive würden wir natürlich erwarten, dass es eine große Aufarbeitung der Niederlage gibt. Die Demokraten verhalten sich aber eher pragmatisch und sagen: Wir haben in 18 Monaten bereits die nächsten Wahlen, und auf die müssen wir uns schon jetzt vorbereiten. Ein Unterschied zu früheren Wahlniederlagen ist, dass die Demokraten wohl nicht auf einen linkeren Kurs umschwenken. Und auch der große Generationenwechsel wird wohl ausbleiben, weil die Überzeugung vorherrscht, gegen Trump kann nur erfolgreich sein, wer erfahren und politisch mittig steht.
Die Demokraten ziehen also keine Lehren aus ihrer Niederlage?
Doch, aber sie reagieren sehr pragmatisch und nicht so, indem sie den Wahlkampf und die Themen komplett infrage stellen. Dafür war das Ergebnis auch zu knapp. Harris’ Versprechen im Wahlkampf war ja, dass die Demokraten die Institutionen und damit die Demokratie vor Trump beschützen. Das hat aber nicht die Stimmung im Land getroffen, im Gegenteil. Die Menschen in den USA wollen gerade Veränderung, weil sie das Gefühl haben, dass die bestehenden demokratischen Institutionen ihre Probleme nicht lösen können. Hier konnte Donald Trump überzeugen mit seiner Erzählung vom kaputten System, das nur er reparieren kann.
Die Demokraten scheinen zur Erkenntnis zu gelangen, sich nicht für jedes noch so kleine Einzelinteresse einzusetzen, sondern sich auf das Wohlergehen aller zu konzentrieren. Also vor allem auf die Wirtschaft und das Eintreten für die, denen es trotz harter Arbeit schwerfällt, gut über die Runden zu kommen. Eine verständliche Politik, damit sich Menschen in den USA wieder von den Demokraten vertreten fühlen.
Dirk Bleicker | vorwärts
ist stellvertretender Chefredakteur des vorwärts. Er betreut den Bereich Parteileben und twittert unter @kai_doering.
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anderes dürfte bereits klar sein“ - ja, wie immer im Leben. Diese Einleitung tut der sehr fundierten Analyse aber keinen Abbruch; zu bemängeln ist aber, was sie über den Ukraine-Krieg zu sagen hat und was sie gar nicht anspricht.
„Trump will nicht dafür verantwortlich sein, die Ukraine zu verlieren,“ ist ein höchst befremdlicher Satz, denn in unserem Sprachverständnis kann man nur verlieren, was einem gehört. Gehört die Ukraine den USA? Noch befremdlicher ist, dass die Antwort „ja“ heißen muss, denn mit der strategischen Einschätzung, „eine starke, unabhängige Ukraine ist für die Stabilität des euro-atlantischen Raumes unerlässlich“ (Nato-Strategie 2022) und ihrer angenommenen Verantwortung für „die breitere transatlantische Gemeinschaft“, postuliert sie genau das. Allerdings scheint für Trump, Grönland zu besitzen, was „im Interesse der nationalen Sicherheit und der Freiheit in der Welt eine absolute Notwendigkeit ist", wichtiger zu sein als die Ukraine,
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die zur „europäischen Familie“ (Scholz) zählt. Jedenfalls versprach Trump, kurzfristig für Frieden in der Ukraine zu sorgen. Dabei ist ihm, soweit bekannt, der Natobeitritt der Ukraine kein besonders wichtiges Verhandlungsziel; für die Russische Föderation aber war er ein Kriegsgrund.
Krumm argwöhnt, dass Trump „eine weitere Unterstützung der Ukraine an Friedensverhandlungen mit Russland knüpft“. Sollte Krumm damit eigenständige Friedensverhandlungen zwischen Russland und der Ukraine meinen, so wie sie schon im Frühjahr 2022 stattgefunden haben – leider ohne Ergebnis, dann könnten sie für die Ukraine, für Europa, auch für die Russische Föderation positiv ausgehen. Es ist aber wahrscheinlich, dass Trump einen Frieden zu seinen Bedingungen will. Der könnte so aussehen, dass die Ukraine nicht in die Nato kommt und auf Gebiete völlig oder vorübergehend verzichtet.
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Der könnten aber auch deutlich strategisch-hinterhältiger ausfallen, wenn sich nämlich „die USA zu einem gewissen Teil zurückziehen und den Europäern die Verantwortung für die Ukraine (und den andauernden Krieg) übergeben“ würde. Groß fragen wird er die Europäer nicht.
Wenn es um „nationale Interessen der USA“ geht, etwa an Grönland, Canada, Panama oder der Ukraine, dann fragt Trump weder die Betroffen noch einen seiner Verbündeten: „Und was die NATO anbetrifft, gibt es unter außenpolitischen Beobachtern einen Konsens, dass sich die USA nicht mit einem großen Knall zurückziehen werden. Doch die USA können das Bündnis aushöhlen“.
Sie macht es bereits.
Die jüngsten Forderungen Trumps, Steinmeier würde von „imperialer Besessenheit“ sprechen, kommen im Text nicht vor - (vielleicht ist er schon vor ihrem Bekanntwerden geschrieben worden).