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Was, wenn Trump die US-Wahl gewinnt? – „Wir sind besser vorbereitet als 2016"

Die Präsidentschaftswahl am Dienstag wird ein Kopf-an-Kopf-Rennen. Der SPD-Amerika-Experte Metin Hakverdi schätzt im Interview ein, was eine neue Präsidentschaft von Donald Trump bedeuten würde.

von Jonas Jordan · 1. November 2024
Bei der US-Wahl am 5. November dürfte es knapp werden im Rennen zwischen Donald Trump und Kamala Harris.

Bei der US-Wahl am 5. November dürfte es knapp werden im Rennen zwischen Donald Trump und Kamala Harris.

Laut nationaler Umfragen von ABC News hat Kamala Harris einen hauzarten Vorsprung vor Donald Trump. Vor einer Woche lag Trump noch zwei Prozentpunkte vorne. Für wie wahrscheinlich halten Sie seinen erneuten Sieg?

Das Rennen ist (leider) offen. Im Electoral College, also im regionalisierten Mehrheitswahlrecht, können zwar ganz kleine Unterschiede im Wahlverhalten schon große Wirkung im Wahlmännergremium ausmachen, aber zurzeit sind die entscheidenden Umfragewerte alle im Rahmen des „margin of error“, also innerhalb der Fehlertoleranz der Erhebungsmethode. Es wird vermutlich knapp. Aber für wen es am Ende reicht, wissen wir heute nicht.

Was würde eine erneute Wahl Trumps für die transatlantischen Beziehungen bedeuten?

Nichts Gutes. Trump glaubt nicht an internationale Allianzen. Er sieht internationale Politik als „Business“. Und die transatlantischen Beziehungen sind für ihn nur „Business Opportunities", also nur eine weitere Gelegenheit, in einer Welt, in der das Nullsummendenken vorherrscht, ein gutes Geschäft für sich selbst zu machen. Kooperative Verfahren, partnerschaftlicher Umgang oder gar freundschaftliche Beziehungen können wir dann vergessen. Druck, Gegendruck und dann eventuell einen Deal. Das ist dann die Methode.

Ist Deutschland für das Szenario einer Wiederwahl von Trump ausreichend vorbereitet?

Wir sind besser vorbereitet als 2016. Aber ganz sicher kann man sich nicht sein. Immerhin gehört es zum Geschäftsgebaren eines Immobilienhändlers aus Manhattan, dass man seine wahren Absichten immer bis zum Schluss nicht öffentlich macht. Man muss immer unberechenbar bleiben. Gegenüber jedermann. Eine Vorbereitung ist deshalb schwierig. Immerhin: Wir haben das Sondervermögen Bundeswehr aufgestellt und in Brüssel ist man deutlich besser auf aktive Handelsauseinandersetzungen vorbereitet, als das in 2016 der Fall war. So oder so: Eine Wiederwahl Trumps wird ein Stresstest für alle: Die Bundesregierung, die EU-Kommission, die NATO und eigentlich für alle Institutionen, die auf eine partnerschaftliche internationale Zusammenarbeit setzen.

Inwiefern müssten wir uns in diesem Fall auch sicherheitspolitisch, insbesondere mit Blick auf den Krieg in der Ukraine, noch stärker umstellen?

Trump sieht auch die Ukraine lediglich als „Business Case“. Er wird versuchen, dort Geld zu verdienen. Denkbar wäre zum Beispiel, Europa einseitig und zu überhöhten Preisen für militärische Ausrüstung der Ukraine bezahlen zu lassen und dabei immer zu drohen, die Ukraine im Stich zu lassen, sollte Europa nicht mehr Geld an die USA überweisen.

So oder so, müssen wir Europäer*innen uns anstrengen, unsere eigene Sicherheit auch selber zu organisieren. Das müssen wir tun, egal wer im Weißen Haus regiert. Im Falle Trump müssen wir da allerdings schneller Fortschritte erzielen, weil wir sonst gegenüber beiden erpressbar wären: Putin und Trump.

Metin 
Hakverdi 

Ich erwarte, dass Donald Trump am Dienstagabend seinen Sieg verkünden wird, obwohl er dann noch überhaupt nicht wissen kann, wie es ausgeht.

Nach wie vor ist das Rennen knapp. Sie haben im August am Parteitag der Demokraten in Chicago teilgenommen. Wie kann es ihnen gelingen, diese Euphorie bis zum Wahltag zu retten? 

Es scheint merkwürdig, aber es gibt traditionell einen Rückschlag der Euphorie für die Demokrat*innen im Oktober vor der Wahl im November. Das war auch in vergangenen Wahlkämpfen der Fall. Jetzt auf der Zielgeraden müssen die Demokrat*innen versuchen ihre Wählerbasis zu mobilisieren, ohne dabei die Wechselwähler*innen mit zu sehr zugespitzter Rhetorik zu verprellen. Das ist die Kunst. Falls es Harris gelingen sollte, eine ähnliche All-Parteien-Allianz wie Joe Biden in 2020 aufzustellen, hätte Trump keine Chance. Ob ihr das gelingt, werden wir nächste Woche sehen.

Trauen Sie Kamala Harris die Präsidentschaft zu?

Ohne wenn und aber: Ja. Dieses uneingeschränkt Ja gilt sowohl für die Innen-, als auch für die Außenpolitik.

Wäre ein Sieg von Harris ein für alle Mal das Ende von Trumps Präsidentschaftsambitionen?

Es wäre zumindest ein schwerer Rückschlag für den Trumpismus insgesamt. Allerdings darf man den Narzismus‘ Trumps nicht unterschätzen: Er könnte im Falle einer Niederlage noch einmal in 2028 antreten. 

Wie werden Sie selbst den Wahlabend oder besser die Wahlnacht verfolgen?

Ich erwarte, dass Donald Trump am Dienstagabend in Washington, also mitten in der Nacht in Deutschland, seinen Sieg verkünden wird. Und das, obwohl er dann noch überhaupt nicht wissen kann, wie es ausgeht.

Ich erwarte nicht, dass wir ein belastbares Ergebnis vor Donnerstag haben werden. Trotzdem werde ich den sehr anstrengenden Auszählungsprozess am Dienstag und Mittwoch aufmerksam verfolgen und dabei besonders die Ergebnisse von gut einem Dutzend Counties und Verwaltungseinheiten in den Swing States im Auge behalten. Hier könnten sich schon früher Tendenzen abzeichnen. 

Metin Hakverdi ist SPD-Bundestagsabgeordneter, sitzt im Haushaltsausschuss und ist stellvertretender Vorsitzender der Parlamentariergruppe USA. Das Interview mit ihm wurde schriftlich geführt.

Autor*in
Jonas Jordan
Jonas Jordan

ist Redakteur des „vorwärts“. Er hat Politikwissenschaft studiert und twittert gelegentlich unter @JonasJjo

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1 Kommentar

Gespeichert von Armin Christ (nicht überprüft) am Sa., 02.11.2024 - 18:06

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"Eine Wiederwahl Trumps wird ein Stresstest für alle: Die Bundesregierung, die EU-Kommission, die NATO und eigentlich für alle Institutionen, die auf eine partnerschaftliche internationale Zusammenarbeit setzen."
Es ist mal gerade etwas mehr als 3 Jahre her, daß die Biden-Regierung die Bundeswehr auf dem Flughafen von Kabul im Regen stehen ließ. Was hat die Bundesregierung, samt Medien, daraus gelernt ???
Ich plädiere, ganz im Sinne von Klaus von Dohnany, für eine größere Distanz zu den USA samt der dort etablierten Parteinen. Auch wenn die SPD-Oberen uhre Sympathie für Harris bekunden - ich kann da nicht mitmachen, für mich ist diese Frau unberechenbar. Eine Regierung, die blind auf die USA setzt ist entweder ziemlich blauäugig oder befindet sich in einem gewissen Abhängigkeitsverhältnis oder wir unter Druck gesetzt oder ... oder.... oder.... .