International

SPD-USA-Experte: Joe Biden kann Donald Trump als Präsident verhindern

Nach dem desaströsen Auftritt im TV-Duell mit Donald Trump steht US-Präsident Joe Biden auch aus Reihen seiner Partei immer stärker unter Druck. SPD-USA-Experte Metin Hakverdi glaubt dennoch, dass Biden Präsidentschaftskandidat bleiben wird. Falls er selbst zurückzieht, gebe es nur eine Alternative.

von Kai Doering · 13. Juli 2024
Wird sie statt ihm Präsidentschaftskandidatin? Kamala Harris und Joe Biden am 4. Juli in Washington

Wird sie statt ihm Präsidentschaftskandidatin? Kamala Harris und Joe Biden am 4. Juli in Washington

Der Gesprächspartner

Metin Hakverdi ist Bundestagsabgeordneter aus Hamburg und Vorsitzender des Gesprächskreises USA/Nordamerika der SPD-Bundestagsfraktion.

Metin Hakverdi ist Vorsitzender des Gesprächskreises USA/Nordamerika der SPD-Bundestagsfraktion

Sie werden als Gast am Nominierungsparteitag der Republikaner teilnehmen, der am Montag beginnt. Dort dürfte die Stimmung bestens sein, oder?

Davon gehe ich auch aus. Die Republikaner sonnen sich in der Krise der Demokraten, die mit dem Patzer von Joe Biden im TV-Duell ausgebrochen ist. Für Donald Trump und die Republikaner ist das das Best-Case-Szenario. Er wird in Milwaukee kaum etwas tun müssen, um die Partei in Ekstase zu versetzen.

Genau das gegenteilige Bild gibt es bei den Demokraten. Wie tief reicht die Krise, in die sie der Fernsehauftritt von Joe Biden gestürzt hat?

Der Schock sitzt tief. Aber die Krise der Demokraten reicht weit über die Performance von Joe Biden hinaus, auch wenn die aktuelle Situation allein auf den Präsidenten zurückzuführen ist. In der Partei toben aber schon seit Jahren heftige Kämpfe zwischen den Flügeln, die von der Präsidentschaft bisher nur verdeckt wurden. Joe Biden ist vor vier Jahren auch deshalb Kandidat geworden, weil es ihm gelungen ist, die Konflikte nicht ausbrechen zu lassen. Damit ist es jetzt vorbei.

Metin
Hakverdi

Die Wahrscheinlichkeit, dass die Demokraten das Pferd wechseln, ist also größer geworden.

Können die Demokraten mit Joe Biden die Präsidentschaftswahl im November noch gewinnen?

Ich denke schon, weil es am Ende vermutlich gar nicht so entscheidend ist, wer als Kandidat auf dem Wahlzettel steht. Bei dieser Wahl wird es vor allem darum gehen, Donald Trump zu verhindern und das traue ich Joe Biden durchaus zu. Auf dieses Ziel ist auch die gesamte Kampagne der Demokraten zugeschnitten. Ohne Frage hat Joe Biden aber schweren Schaden genommen durch dieses schon jetzt legendäre TV-Duell.

Sein Problem und das der Demokraten ist, dass sie aus der Erzählung nicht mehr herauskommen werden, dass Biden zu alt und zu schwach ist, die USA zu führen. Ob das tatsächlich so ist, spielt dabei gar keine Rolle. Wir haben aber schon während des NATO-Gipfels gesehen, dass alle Augen nur auf Joe Biden gerichtet waren und auf die Frage, ob er wieder einen Fehler macht. Die Wahrscheinlichkeit, dass die Demokraten das Pferd wechseln, ist also größer geworden. Ob es so kommt, hängt aber einzig und allein von Joe Biden selbst ab. Ohne seinen Willen wird es keinen anderen Kandidaten geben.

Wer könnte Biden ersetzen?

Ich glaube, Joe Biden wird der Kandidat der Demokraten bleiben. Als mögliche Alternative, sollte Biden selbst zurückziehen, sehe ich eigentlich nur seine bisherige Stellvertreterin Kamala Harris. Sie ist zwar nicht sonderlich beliebt in der Bevölkerung und auch in der Partei. In den Umfragen ist sie aber auf Augenhöhe mit Donald Trump oder überflügelt ihn sogar. Das kann ein Strohfeuer sein, aber wenn es zu einem Austausch des Kandidaten käme, könnte eine Kampagne darauf möglicherweise aufbauen.

Hinzu kommt, dass sie die Spendengelder, die Biden und sie bisher zusammen eingeworben haben, weiter nutzen könnte. Eine andere Kandidatin oder ein anderer Kandidat müsste bei null anfangen. Und man stelle sich nur mal vor, wie der 78-jährige Donald Trump neben der 59-jährigen Kamala Harris wirken würde. Inzwischen drängt aber die Zeit. Es sind ja nicht mal mehr vier Monate bis zur Wahl.

Metin
Hakverdi

Über die Hälfte aller Amerikanerinnen und Amerikaner wollen keinen Präsidenten Trump.

Nochmal zurück zum Parteitag der Republikaner. Dort will Donald Trump auch bekanntgeben, wer sein Vize-Präsident sein soll. Wen haben Sie da auf dem Zettel?

Es kursieren einige Namen, etwa der von J.D. Vance aus Ohio, der früher ein scharfer Kritiker Trumps war und nun zu seinen treuesten Unterstützern zählt. Und auch Tim Scott aus South Carolina ist interessant, weil er die afroamerikanische Wählerschaft ansprechen könnte. Würde Trump tatsächlich zum Präsidenten gewählt, dürfte er ja nur eine Amtszeit in Weißen Haus regieren. Sein Vize-Präsident wäre also auch der aussichtsreichste Anwärter auf den republikanischen Präsidentschaftsbewerber 2028.

Wären Deutschland und die USA auf einen Präsidenten Trump besser eingestellt als 2016?

Es ist grundsätzlich sehr schwierig, sich auf einen Menschen einzustellen, der sehr viel Macht hat und gleichzeitig unberechenbar ist in seinen Handlungen. Deshalb wäre es ein großes Problem für Europa und für die ganze Welt, wenn Donald Trump wiedergewählt würde. Trotzdem sind wir – auch in Deutschland – 2024 deutlich weiter als wir es bei Trumps Wahl 2016 waren. Sicherheitspolitisch haben wir begonnen, uns zu mausern, Stichwort: Sondervermögen für die Bundeswehr. Und wir haben unsere Schatzkiste, den EU-Binnenmarkt.

Wir sollten uns also nicht zu klein machen und nicht auf die USA wie das Kaninchen auf die Schlange starren. Wir müssten uns auf uns – auf uns Europäer – besinnen. Ein Präsident Trump wäre eine Herausforderung und würde uns einiges abverlangen. Aber wir könnten damit fertig werden: gemeinsam europäisch. Im Übrigen hätten wir immer noch konstruktive Ansprechpartner in den USA: Über die Hälfte aller Amerikanerinnen und Amerikaner wollen keinen Präsidenten Trump.

Autor*in
Kai Doering
Kai Doering

ist stellvertretender Chefredakteur des vorwärts. Er betreut den Bereich Parteileben und twittert unter @kai_doering.

Weitere interessante Rubriken entdecken

5 Kommentare

Gespeichert von Armin Christ (nicht überprüft) am So., 14.07.2024 - 06:32

Permalink

Josef Biden, der Präsident der USA, ist krank !!! Manche mögen seine Äußerungen belustigen aber gerade in dieser Situation wird deutlich, daß es in der Musterdemokratie USA nicht eines gewählten Präsidenten bedarf um die Herrschafts- und Kriegsmaschinerie im Gange zu halten.
Ist das bei uns genau so ? Wer bestimmt denn eigentlich die Politik ?

Gespeichert von Helmut Gelhardt (nicht überprüft) am Mo., 15.07.2024 - 12:11

Permalink

Zur Auswahl stehen ein total seniler alter Mann und ein total verrückter fast ebenso alter Mann.
Und beide hätten die Hand am roten Atomknopf. Das ist wie die Wahl zwischen Pest und Cholera bzw.
Opium und Heroin. Die sogenannte freie westliche Welt/westliche Wertegemeinschaft kann sich da nur beglückwünschen. Vorwärts in Richtung Abgrund.

Gespeichert von Martin Holzer (nicht überprüft) am Mo., 15.07.2024 - 12:37

Permalink

"Sein Problem und das der Demokraten ist, dass sie aus der Erzählung nicht mehr herauskommen werden, dass Biden zu alt und zu schwach ist, die USA zu führen."

Das ist keine "Erzählung" sondern für jeden offensichtlich, der mind. ein Auge und drei funktionierende Gehirnzellen hat. Man stelle sich nur mal vor wie sein Zustand erst in 4 Jahren sein wird. Ein echter "Experte" würde das auch bemerken.

Gespeichert von Tom Kaperborg (nicht überprüft) am Mo., 15.07.2024 - 16:31

Permalink

... Allan J. Lichtman, Ph.D. Harvard University - spezialisierte sich auf moderne amerikanische Geschichte und quantitative Methoden, Assistenzprofessor für Geschichte an der American University und Distinguished Professor. Lichtmans Vorhersagesystem, die "Keys to the White House", hat die Ergebnisse aller US-Präsidentschaftswahlen seit 1984 korrekt vorhergesagt. Er sagt in seinen Youtubevideos, dass die Regierungsarbeit ausschlaggeben sei und nicht irgendwelche Debatten. Der Austausch des Amtsinhaber ueber einen parteiinternen Wettbewerb aber, so zeigte sich in der Vergangenheit, fuehre zu einer verlorenen Wahl.

Der Blick in die Glaskugel ist immer wohlfeil.

Gespeichert von Rudolf Isfort (nicht überprüft) am Di., 16.07.2024 - 12:01

Permalink

als Präsident verhindern“, weiß der Vorwärts. Der Artikel zeigt dann aber nur Möglichkeiten auf. Darum wimmelt es nur so von „kann“, „könnte“, „ich glaube“, „ich denke“ – kein Wunder, wenn es um die Zukunft geht, die naturgemäß immer etwas ungewiss auftritt. Es ist derzeit ja nicht einmal klar, wer Präsidentschaftskandidat der Demokraten wird, denn „die Wahrscheinlichkeit, dass die Demokraten das Pferd wechseln, ist größer geworden. Ob es so kommt, hängt aber einzig und allein von Joe Biden selbst ab. Ohne seinen Willen wird es keinen anderen Kandidaten geben“. Die letzten beiden Sätze sind allerdings gleichzeitig (formal) wahr und (inhaltlich) unwahr; sie geben nur den formalen Sachstand wieder, genau wie die ständig von unseren Wortgewaltigen wiederholte Behauptung, die Ukraine allein kann über Zeitpunkt und Inhalt von Friedensverhandlungen befinden. Das machte die „mögliche Alternative“ zu Biden, „seine bisherige Stellvertreterin Kamala Harris“, klar, als sie auf der jüngsten Friedenskonferenz in der Schweiz feststellte, dass es im Ukraine-Krieg um unsere, um „Amerikas ... strategische Interessen“ (Spiegel, 15.6.24) geht - und bei strategischen Angelegenheiten verstehen die USA keinen Spaß.

Der (beinahe) einzige gesicherte Satz des Textes - er bezieht sich ja auch auf die jüngste Vergangenheit: „Sicherheitspolitisch haben wir begonnen, uns zu mausern, Stichwort: Sondervermögen für die Bundeswehr“ und all die anderen Aussagen und Maßnahmen, die unseren Paradigmenwechselt von der Kooperation zur Konfrontation, von der Leitidee Frieden zur Leitidee Krieg bezeugen. Der Natogipfel letzte Woche beweist das – Gedanken an einen Frieden für die Ukraine hat er nicht verschwendet, wohl aber, von Scholz stolz mitgeteilt, beschenkt er uns mit der Aufstellung von Langstreckenwaffen, die eine „Fähigkeitslücke“ der Nato schließen, die als "Tomahawk" zu den „amerikanischen Erstschlagswaffen zählen“, die von den „USA erstmals massiv und erfolgreich im Golfkrieg 1991 genutzt“ wurden, wie auch bei „Desert Storm“, im Irak-Krieg (2003) oder gegen Huthi-Rebellen. Sie können Ziele „tief im russischen Kernland treffen – auch in der Hauptstadt Moskau“ (Berliner Morgenpost, 11.07.2024). Sie lassen sich atomar bewaffnen, sollen in der BRD aber nur konventionell gerüstet werden. Das ist aus unserer Sicht keine Aufrüstung, sondern dient nur der Abschreckung, wie z. B. „Sicherheitsexpertin Claudia Major (SWP)“ kürzlich in einer ihrer Fernseh-Auftritte (Illner) festzurrte. Schließlich ist „die Russische Föderation die größte und unmittelbarste Bedrohung für die Sicherheit der Verbündeten und für Frieden und Stabilität im euro-atlantischen Raum“ (Nato 2022). Mit „euro-atlantischem Raum“ meint die Nato nicht nur die Nato-Länder, sondern auch ihr „geostrategisches Umfeld“, für das die Nato nach dem Rechten sehen zu dürfen beansprucht; dass Russland ein gleiches „geostrategisches Umfeld“ beansprucht, akzeptiert die Nato nicht – Grundproblem des Ukraine-Krieges.

Die Russische Föderation sieht die projektierte Stationierung der Langstreckenwaffen in der BRD – leider – anders und kann für ihre Einschätzung darauf verweisen, noch nie ein Nato-Land angegriffen zu haben. Das aber zählt nicht, denn unsere Wortgewaltigen, etwa Pistorius, wissen bereits, wann (etwa) die Russische Föderation die Nato angreifen wird – also muss die Bevölkerung in der BRD (auch) kriegstüchtig werden.
Das ist konsequent, bellizistisch konsequent.