SPD-Vize Post: Wir brauchen einen Investitionshaushalt, keinen Sparhaushalt
Einen Sparhaushalt wird es mit der SPD nicht geben. „Uns ist wichtig, dass dieser Haushalt die äußere, die innere und die soziale Sicherheit weiter stärkt“, sagt Partei- und Fraktionsvize Achim Post im Interview. Die Bundesregierung müsse sich jetzt positionieren.
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SPD-Vize Achim Post: Der Investitionsbedarf in Deutschland ist gigantisch.
Die Bundesregierung hat angekündigt, den Haushaltsentwurf nicht wie geplant am 3. Juli zu beschließen, sondern voraussichtlich erst zwei Wochen später. Ist das ein Problem für die Haushaltsberatungen im Bundestag?
Dass der Haushaltsentwurf sich nun etwas verspätet, ist kein Drama. Wenn die Bundesregierung den Haushaltsentwurf jetzt am 17. Juli auf den Weg bringt, gerät der Gesamtfahrplan auch nicht ins Rutschen. Wir wollen dann immer noch in der ersten Sitzungswoche nach der Sommerpause über den Haushalt beraten und ihn Ende November beschließen. Wie so oft gilt: Gründlichkeit geht vor Schnelligkeit.
Trotzdem fordert die SPD-Fraktion für die kommende Woche eine politische Erklärung von der Bundesregierung zum Haushalt. Was ist das Ziel?
Uns ist wichtig, dass dieser Haushalt die äußere, die innere und die soziale Sicherheit weiter stärkt. Dabei ist wichtig: Diese drei Sicherheiten dürfen nicht gegeneinander ausgespielt werden. Da steht die SPD geschlossen zusammen. Es wäre gut, wenn die Bundesregierung die Umrisse eines Haushaltsentwurfes mit ebendiesen Schwerpunkten baldmöglichst auch gemeinsam nach außen verkündet.
Bisher fehlen im Haushalt zwischen 20 und 30 Milliarden Euro. Woher könnten die kommen, wenn an der Schuldenbremse festgehalten wird?
Das wird nicht einfach, aber da gibt es verschiedene Möglichkeiten. So könnten wir die Konjunkturkomponente auf die Höhe der Zeit bringen und so erreichen, dass aufgrund der herausfordernden wirtschaftlichen Situation eine höhere Kreditaufnahme möglich wird. Der Bundesverband der Deutschen Industrie und der Deutsche Gewerkschaftsbund haben darüber hinaus vorgeschlagen, Sondervermögen für Investitionen in die Transformation zu schaffen. Klar ist: Gerade jetzt geht es darum, wichtige Investitionen in die Zukunft unseres Landes zu ermöglichen. Wir brauchen einen Investitionshaushalt und keinen Sparhaushalt.
Eine weitere Möglichkeit ist es auch, noch besser privates Kapital für Zukunftsprojekte zu mobilisieren – etwa über einen Deutschlandfonds. Da geht es dann vor allem um den grünen und digitalen Umbau unserer Wirtschaft zum Wohle von Betrieben und Beschäftigten.
Ist eine generelle Aussetzung der Schuldenbremse bereits vom Tisch?
Ich bin dafür, dass keine Möglichkeit vorschnell vom Tisch genommen wird. Die Verfassung sieht vor, über den Notlagen-Mechanismus der Schuldenregel in Krisenzeiten mehr Kredite aufzunehmen. Mit dem Krieg in der Ukraine und den diversen Flutkatastrophen, die wir in diesem Jahr bereits erlebt haben, hätten wir dafür gute Argumente, die wir nicht aus ideologischen Gründen einfach bei Seite wischen sollten.
Sie leiten eine Arbeitsgruppe der SPD-Bundestagsfraktion, die Vorschläge für eine Reform der Schuldenregeln erarbeiten soll. Worum geht es da?
Der Investitionsbedarf in Deutschland ist gigantisch. Das gilt für die Transformation der Wirtschaft, aber ebenso auch für die staatlichen Aufgaben. Sei es die Verkehrsinfrastruktur, der Sanierungsstau in unseren Schulen, das geschlossene Schwimmbad in der Kommune und vieles mehr. Es geht darum, wie Bund. Länder und Kommunen mehr Zukunftsinvestitionen zum Wohle auch der nächsten Generationen tätigen können. Niemanden ist geholfen, wenn wir zwar ein halbwegs ausgeglichenes Staatskonto aber dafür heruntergekommene Schulen unseren Kindern vererben. In der Gruppe wollen wir Möglichkeiten erörtern, wie dieser Investitionsbedarf nachhaltig und klug finanziert werden kann. Eine Reform der Schuldenregeln ist dabei eines von mehreren Themen. In der Arbeitsgruppe bündeln wir die fiskalpolitische Kompetenz aus Partei und Fraktion. In den vergangenen Wochen haben wir uns intensiv zu verschiedensten Themen auch mit externen Experten ausgetauscht. Ziel ist, auf fundierter Basis ein Vorschlagspaket zur Finanzierung künftiger Aufgaben zu erarbeiteten. Wichtig ist dabei: Wir wollen strukturelle Vorschläge erarbeiten und keine kurzfristen Schnellschüsse produzieren.
Dirk Bleicker | vorwärts
ist stellvertretender Chefredakteur des vorwärts. Er betreut den Bereich Parteileben und twittert unter @kai_doering.
Investitionshaushalt, kein Sparhaushalt
Es ist ja immer wieder interessant, was unsere Abgeordneten fordern, entscheiden tut jedoch jedes Mal die kleinere Regierungsfraktion.
Die Problematik läuft darauf hinaus, dass immer weniger in der Bevölkerung das glauben, was unsere (von der SPD) Spitzenpolitiker sagen, wenn regelmäßig das Gegenteil umgesetzt wird.
Und da gerade auch die Mitglieder und Wähler der SPD kritischer sind als beispielsweise die der Union, wie die Geschichte unserer Partei (z.B. Spaltungen, Wahlenthaltungen u.ä.) zeigt, wächst die Gefahr, dass die Unzufriedenen aus reinem Protest die AfD wählen, ohne sich vorher darüber bewusst gemacht zu haben, dass diese genau die Politik vertritt, die Lindner in der Regierung durchsetzt (Steuersenkungen für die Reichen, Kürzungen bei den Sozialausgaben etc.).
Leider scheint unser Kanzler eher die Politik der Neoliberalen zu unterstützen als die seiner eigenen Partei. Und dies führt naturgemäß zu Wahlniederlagen.
... Bisher fehlen 20 bis 30 Milliarden...
Es fehlen viel, viel mehr Milliarden! Aber eine angemessene und gerechte Erhöhung von Steuern für sehr Reiche und Superreiche kommt im Wortschatz der Bundesregierungs-SPD nicht mehr vor. Aus Rücksicht auf die Lindner-FDP. Das ist abgrundtief falsch. Und es schadet der sozialen Gerechtigkeit, sozialen Gleichheit und der Solidarität zwischen den gesellschaftlichen Gruppen. Und es schadet der unverzichtbaren ökologischen Stabilisierung der Republik. Und es stärkt die RECHTEN. Wer in der Regierungs-SPD darauf hofft, die Lindner-FDP einhegen zu können, wird scheitern. Der Egotripp der eindeutig antiökologischen und zweifelsfrei durchgängig neoliberalen Lindner-FDP wird durch die Regierungs-SPD nicht gestoppt werden können. Es gab das 'Lambsdorff-Papier' - und es wird das 'Lindner-Papier' geben. Wenn die Regierungs-SPD nicht ihre Selbstachtung verlieren will, sollte sie der Lindner-FDP umgehend den politischen Stecker ziehen.
„Brauchen Investitionshaushalt, keinen Sparhaus
Es ist immer wieder das gleiche Spiel. Erst Mützenich (26.6.), jetzt Post: „Investitionshaushalt, keinen Sparhaushalt“ – und das im Gleichklang der Stärkung von „äußerer, innerer und sozialer Sicherheit“.
Seit der „Zeitenwende“, durch die die Bundesregierung die politische Leitidee Frieden gegen Krieg ausgetauscht hat, versuchen SPD-geführte Regierung und SPD zu erklären, wie das Anwachsen der Militärausgaben von 50. Mrd. auf gut 90 Mrd. € in den künftigen Haushalten, Jahr für Jahr, erreicht werden kann. Investitionen generieren – ökonomisch betrachtet - künftige Einnahmen, dürfen/sollten deshalb Kredit finanziert werden, haben mit Militärausgaben, auch wenn Lindner sie „Investitionen in Sicherheit“ nennt, nicht viel gemein. Sie müssen deshalb – wie Konsumausgaben - aus dem laufenden Haushalt genommen werden.
Nun sorgt sich die SPD darum, dass die „soziale Sicherheit“ dabei nicht zu kurz kommt. Wenn man „äußere, innere und soziale Sicherheit“ austarieren will, besteht die Gefahr, dass sich zwei der drei Sicherheiten gegen die dritte verbünden. Aber selbst wenn die SPD das noch verhindern könnte, politisch geht ja vieles, einfache Mathematik kann Politik aber nicht ändern. Wenn ein Haushalt (2023) von 476 Mrd. €, der 166 Mrd. für Soziales und 50 Mrd. für Militär ausgibt, 40 Mrd. € auf den Militärhaushalt verschieben will, dann muss jedes Ressort 9,4% seines Budgets an Pistorius abtreten – der Sozialetat also 15,6 Mrd. €. Sollte der Sozialhaushalt davon ausgenommen werden, müssten die anderen auf 15,4% ihrer Mittel verzichten.
Das ist eine statische Betrachtung; dynamisch könnte man annehmen, wie können durch Wirtschaftswachstum oder Steuererhöhungen die Einnahmen des Haushalts vergrößern. (Reales) Wachstum ist eher nicht zu erwarten, denn die volkswirtschaftlichen Verwerfungen, die uns (und beinahe der ganzen Welt) der Putin-Krieg und unsere Reaktionen darauf eingebrockt haben, sind noch lange nicht vollumfänglich sichtbar.
Die SPD kann den Kanzler unter Druck zu setzen versuchen, es wird nicht helfen. Der „Stratege des Jahres“ 2022 wusste das schon 2022 im Zusammenhang mit der von Scholz ausgerufenen Zeitenwende: „... wird Deutschland harte Entscheidungen abverlangen – finanzielle auch politische. Wir müssen Strukturen verändern, auch Budgets neu verhandeln“.
Mützenich und Genossen werden das noch lernen.